In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Technologieunternehmen Personalabbau aufgrund des anhaltenden konjunkturellen Gegenwinds angekündigt (siehe auch: Big Tech baut Personal ab). Bei Google blieb es eher ruhig, obwohl der aktivistische Investor TCI Fund Management lautstark Restrukturierungsmaßnahmen und Entlassungen forderte (PDF).
Nun allerdings berichtet The Information, dass Google wohl tatsächlich vorhaben könnte, 10.000 Stellen zu streichen. Dabei soll das im Mai 2022 eingeführte Mitarbeiterbewertungs-System Google Reviews and Development (GRAD) eine Schlüsselrolle spielen. Manager seien angewiesen worden, mit dessen Hilfe die am wenigsten produktiven Beschäftigten zu identifizieren - und zwar gleich die sechs Prozent, die am unteren Ende der Skala stehen.
Leistungsbeurteilung als Instrument der Auslese
Solche Einstufungen hat Google - wie die meisten großen Unternehmen in den USA - auch schon vorher vorgenommen. Allerdings waren zuvor stets nur zwei Prozent der Beschäftigten mit besonders schlechten Leistungen identifiziert worden. Die Tatsache, dass die Zahl der als Low Performer eingestuften Mitarbeiter nun erhöht wurde, gilt Beobachtern als Hinweis darauf, dass Entlassungen bevorstehen.
Die Gesamtzahl der Vollzeitbeschäftigten bei Google belief sich zum Ende des dritten Quartals (30. September) auf 186.779, was einem Anstieg von 24,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Sechs Prozent des derzeitigen Personalbestands von Google würden etwa 11.000 Personen entsprechen. Offiziell hat das Unternehmen allerdings bislang keine Entlassungen angekündigt und es zudem abgelehnt, sich zum Bericht von The Information zu äußern.
In einer Erklärung des Internet-Riesen heißt es: "Anfang des Jahres haben wir Google Reviews and Development eingeführt, um die Entwicklung, das Coaching, das Lernen und die Karriereentwicklung unserer Mitarbeiter im Jahresverlauf zu unterstützen. Das System hilft dabei, klare Erwartungen zu formulieren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig Feedback zu geben." GRAD wurde von CEO Sundar Pichai eingeführt, nachdem sich 47 Prozent der Beschäftigten gegen den zuvor gepflegten Beurteilungsprozess ausgesprochen hatten, der zweimal im Jahr stattfand.
Zweite Chance im Support Check-in
Im Rahmen von GRAD seien Google-Manager gehalten, mit den betroffenen Personen ein Meeting - genannt "Support Check-in" - abzuhalten, bevor sie eine schlechte Leistungsbewertung abgeben, zitiert The Information einen anonymen Google-Mitarbeiter. Die Betroffenen bekämen so noch die Chance, ihr Arbeitsverhalten anzupassen, um ihre Ziele zu erreichen. Auf einer fünfstufigen Skala erreicht demnach die große Mehrheit des Google-Personals eine Bewertung, die auf oder über der wichtigen Bewertungsstufe "Significant Impact" steht.
CNBC berichtet jedoch, dass viele Beschäftigte wegen des neuen Verfahrens zur Leistungsbewertung nervös seien, da es zu einer Zeit eingeführt werde, in der das Unternehmen seine Betriebskosten senken müsse. In jüngster Zeit soll es bereits zu einigen schlechten Leistungsbeurteilungen gekommen sein, die für Unruhe im Konzern gesorgt haben.
Mit schlechten Nachrichten muss das Google-Personal schon länger zurechtkommen. Im Juli kündigte das Unternehmen zunächst einen Einstellungsstopp an und führte anschließend ein Programm namens Simplicity Sprint ein. Darin geht es darum, die Effizienz und Produktivität der Angestellten zu steigern. In der Ankündigung nannte CEO Sundar Pichai nicht nur die schwierigen Konjunkturbedingungen als Hintergrund. Er sagte auch, dass die Produktivität des Unternehmens nicht annähernd so hoch sei, wie sie gemessen an der Zahl der Mitarbeiter sein müsste.
Googles Wachstumstempo verlangsamt sich
Im dritten Quartal, das im September 2022 endete, verlangsamte sich das Umsatzwachstum zum wiederholten Mal und lag - vor allem wegen schwacher Werbeerlöse - nur noch bei sechs Prozent. Ein Lichtblick war das Cloud-Business, wo Google im Jahresvergleich um 38 Prozent zulegen konnte und auf Einnahmen von 6,9 Milliarden Dollar kam.
In einer Telefonkonferenz mit Analysten sagten Führungskräfte, dass der starke Anstieg der Mitarbeiterzahl einen Gutteil der Betriebskosten im abgelaufenen Quartal ausgemacht habe. Google hatte allein von Juli bis September 2022 über 12.700 neue Leute eingestellt, darunter 2.600 Mitarbeiter vom übernommenen IT-Security-Spezialisten Mandiant, die heute für Google Cloud arbeiten. (hv)