Industrielle Softwareentwicklung
Das Prinzip der Industrialisierung lässt sich nun nicht so einfach auf den "weichen" Sektor der IT-Dienstleistungen übertragen. Hierzu bedarf es einiger konzeptioneller Grundüberlegungen, indem man beispielsweise Leistungen in Form eines Gewerks erbringt. Definitionsgemäß ist bei Gewerken der fachliche Leistungsumfang klar beschrieben - also beispielsweise, was ein Stück Software können soll. Aufgabe des Lieferanten ist es, zu einem Termin X das fertige Produkt in der vereinbarten Güte bereitzustellen, andernfalls wird die Leistungsvergütung angepasst.
Allerdings birgt das Gewerk für den Auftraggeber einige Herausforderungen und Risiken. So erfordert das Erstellen von Spezifikationen viel Know-how und Erfahrung, damit die Entwicklung von Softwarekomponenten oder das Projekt-Management eindeutig beschrieben werden. Die Komplexität für den Auftraggeber steigt auch durch den Umstand, dass bei größeren IT-Projekten mehrere Lieferanten Teilprodukte beisteuern. Am Ende muss sich hier der Auftraggeber um die Integration der gelieferten Bestandteile und die Qualitätssicherung kümmern.
Die Lösung liegt in "Services"
Smarter erscheint das Modell "Service", das jedoch vom meist synonym verwendeten Begriff "Dienstleistung" abzugrenzen ist. Bei einer "Dienstleistung" muss sich der Auftraggeber selbst um vielfältige Aktivitäten kümmern - von der Planung über die Verteilung der Aufgaben und die Steuerung bis zur Qualitätssicherung. Auch bei Haftungsfragen kann der Auftraggeber trotz Dienstleisterhaftung in der Praxis wenig erwarten, so dass Risiken wie Auslastung und Terminverzögerungen beim Auftraggeber liegen. Im klassischen Dienstleistungsmodell ist der Auftraggeber also noch eng in die Erledigung der Aufgaben wie Steuerung, Risikobewältigung und Prüfung der Ergebnisse eingebunden.
Ein "Service" hingegen stellt eine klar spezifizierte Dienstleistungsart dar. Der Auftragnehmer bietet diese auf Anforderung zu einem vereinbarten Preis an, er steuert sie selber und erbringt sie in nachprüfbarer Qualität. Das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Dienstleister lässt sich mit dem Prinzip einer Autowerkstatt vergleichen: Der Auftragnehmer kümmert sich um die gesamte Leistungserbringung in der definierten Qualität zu einem vereinbarten Preis.
Illustrieren lässt sich ein derartiger Service anhand eines konkreten Praxisbeispiels: In einem Softwareprojekt ging es darum, einem Kunden ein virtuelles Team von 15 Entwicklern als Kapazität zur Verfügung zu stellen. Dabei übernahm die Besetzung und die Steuerung des Teams nicht der Kunde, sondern der Servicegeber. Entsprechend der Vereinbarung erhielt dieser alle zwei Wochen ein Set an Entwicklungsaufträgen vom Kunden, das dann gemäß dem Service-Level-Agreement abzuarbeiten war. Das SLA enthielt auch die Option, die Auslastung um bis zu 20 Prozent nach oben oder unten zu skalieren.
Kooperation mit dem Einkauf
Entscheidend für den Erfolg dieses Modells im Entwicklungsumfeld ist letztlich der exakt definierte Serviceauftrag und die Integration ins Kundenprojekt. In diesem Fall handelte es sich um ein klar abgegrenztes Systemumfeld in Form einer Web-Anwendung und um die notwendigen technischen Skills. Förderlich war auch der Einsatz der Entwicklungsmethode Scrum, die es ermöglicht, das Projekt in kleine Arbeitsschritte und Aufgabenpakete zu segmentieren - in sogenannte Sprints.
Doch auch andere Faktoren entscheiden beim industrialisierten Dienstleistungseinkauf über Erfolg oder Misserfolg. Oft ziehen beispielsweise der Fachbereich und der Einkauf nicht an einem Strang, weil divergierende Interessenlagen existieren. Der Einkauf fokussiert nur Vereinfachungen und Kostensenkungen, während die Fachbereiche Nachteile wie fehlende Freiheitsgrade, Mehraufwände bei Spezifikationen sowie Bürokratie befürchten - und daher mauern. Um eine reibungslose Umsetzung sicherzustellen, sollten sich daher beide Seiten frühzeitig verständigen und die jeweiligen Vorteile herausarbeiten.
Fazit
Mit der Industrialisierung können Unternehmen ihr Externen-Management nachhaltig verbessern, indem sie den Wettbewerb fördern, den Lieferanten mehr Verantwortung übergeben und Risiken reduzieren. Doch auch in kleinerem Umfang lohnen sich Optimierungen auf den Evolutionsstufen 1 und 2, indem IT, Fachabteilungen und der Einkauf die Prozesse verschlanken, die Verwaltung vereinfachen und so am Ende auch die Kosten verringern. (ba)