Interview mit Ulrich Kampffmeyer

Sharepoint fordert den ECM-Markt heraus

13.12.2012
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Mit dem Kürzel ECM verbinden IT-Entscheider Dokumenten-Management und Archivierung - Pflichtthemen, die im Zeitalter von Cloud und Social Web nicht sehr sexy sind. Microsofts Sharepoint trägt dazu bei, dass sich die Branche neu erfindet.

Den Terminus Enterprise Content Management gibt es seit Jahren. Hat er sich nicht überlebt?

Kampffmeyer: Den Begriff gibt es seit über zehn Jahren. Aus dem Marketing-Blickwinkel hat er eine für die schnelllebige IT-Branche erstaunliche Kontinuität bewiesen. Inzwischen bemüht man sich aber, einen neuen Rahmen für die Branche zu setzen, denn ECM ist als Banner der Branche in die Jahre gekommen und die Anwender sind ohnehin nie so recht auf den Zug aufgesprungen. Nahezu alle Befragungen zeigen, dass IT-Entscheider mit dem Akronym nicht viel anfangen können. Das heißt aber nicht, dass ECM-Komponenten nicht eingesetzt und benutzt würden. Sie haben lediglich nicht die Aufmerksamkeit wie ERP, Sharepoint, CRM, Web 2.0 erlangt.

Inwieweit beeinflusst Microsofts Sharepoint den Markt der klassischen ECM-Lösungen?

Kampffmeyer: Sharepoint ist Marktöffner und zugleich schärfster Wettbewerber für die traditionellen ECM-Anbieter. In den meisten Unternehmen ist Sharepoint in irgendeiner Form im Einsatz. Manche nutzen die Plattform nur für ein Intranet, andere haben ihre gesamte Infrastruktur für schwach strukturierte Informationen auf Sharepoint verlagert, wieder andere verwenden nur kollaborative Funktionen des Systems. Sharepoint selbst, auch in der zukünftigen Version 2013, deckt nur einen Teilbereich der von der AIIM definierten ECM-Funktionen ab. Deshalb bieten klassische ECM-Anbieter Zusatzmodule für Aufgaben wie Archivierung, Scanning oder Business Process Management an oder setzen gleich auf vollständige ECM-Adaptionen mit aufgepeppten Sharepoint-Lösungen. Und alle starren schon gebannt auf die Folgeversion Sharepoint 2013, die in puncto ECM noch mehr Funktionalität mit bringen wird.

Ulrich Kampffmeyer

Foto: Project Consult

Seit über 30 Jahren ist Dr. Ulrich Kampffmeyer im Thema Dokumenten-Management zu Hause. Er gründete und leitete entsprechende Fachverbände, arbeitete bei Standards mit und hat mit zahlreichen Publikationen und Vorträgen den ECM-Markt befruchtet. Seit 1992 ist Kampffmeyer als Unternehmensberater für Information Management unterwegs und leitet das Beratungsunternehmen PROJECT CONSULT. Von der COMPUTERWOCHE wurde er 2010 und 2011 unter die 100 wichtigsten IT Macher Deutschlands gewählt. Weitere Angaben zur Person finden Sie auf Wikipedia.

Ein Kernbestandteil von ECM-Initiativen ist die Elektronische Akte. Es geht darum, Bürovorgänge komplett zu digitalisieren und den alten Traum vom papierlosen Büro endlich wahr werden zu lassen. Der Workflow-Aspekt spielt eine entscheidende Rolle. Welche Fortschritte verzeichnen Sie hier?

Kampffmeyer: Man muss unterscheiden zwischen der Akte als reine statische Abbildung der Papierakte und der Akte als dynamischer Bestandteil der Vorgangsbearbeitung, oder auf Neudeutsch, des Case Management. In der elektronischen Akte werden Informationen aus verschiedenen Eingangskanälen zusammengeführt und im Sachzusammenhang visualisiert. Dabei setzt sich der Trend zur variabel nutzbaren virtuellen Akte durch - das heißt, eine einmal definierte Akte kann angepasst und für verschiedene Anwendungen genutzt werden. Hierbei werden über Metadaten unterschiedliche Sichten auf die zusammengehörigen Informationen ermöglicht, die je nach Berechtigung, Anwendungsfall, Technologie und geschäftlicher Relevanz eine optimierte Sicht auf alle aktuellen Informationen bieten.

So können elektronische Akten effektiv auch in BPM- , ERP-, CRM- und Workflow-Lösungen eingebunden werden. Nicht als eigenständige Hauptanwendung sondern als Ergänzung bestehender Applikationen. Eigentlich ist die elektronische Akte ein Bestandteil des Records Managements, aber dieser Begriff ist in Deutschland noch unbekannter als Enterprise Content Management. Beim Records Management geht es darum, Ordnung zu schaffen und Informationen entsprechend Wert, Lebenszyklus, Aufbewahrungsregeln, Schutzattributen etc. nutzbar zu erhalten.

Welche Rolle wird Cloud Computing für den ECM-Markt spielen?

Ulrich Kampffmeyer sieht Chancen für ECM-Anbieter, die sich bewegen.
Ulrich Kampffmeyer sieht Chancen für ECM-Anbieter, die sich bewegen.
Foto: Project Consult

Kampffmeyer: Das ECM-Portfolio, wie es die AIIM definiert hat, ist nur schwer in der Cloud verfügbar zu machen. Bei der Entwicklung der Lösungen haben die Anbieter meistens an individuelle, beim Anwender vor Ort installierte Lösungen gedacht. Doch die Zeiten ändern sich. In der öffentlichen Cloud gibt es bereits zahlreiche Angebote, die die Collaboration, das Speichern von Dokumenten und die Archivierung unterstützen. Diese Produkte sind in der Regel nur eingeschränkt anpassbar und können nur selten mit lokal installierten Softwareprodukten zusammenwirken.