Ohne Vertrauen ist Kontrolle nichts
Unter anderem wegen der hohen Anforderungen sei der Preis nicht das alleinseligmachende Argument gewesen "Wir haben in den vergangenen Jahren lernen müssen: Wenn man zu sehr nur auf den Preis schaut, zahlt man woanders Lehrgeld. Oft in der Form, dass Projekte länger brauchen."
Vertrauen ist für Broese die Grundlage einer derartigen Partnerschaft: "Sie können heute mit jedem Provider alle SLAs vereinbaren. Aber wenn Sie 99,9 Prozent vereinbaren und die Technik nur für 99,7 Prozent designt ist, dann ist der Rest schlicht eine Risikoversicherung." Deshalb seien die Techniker bei BAT Punkt für Punkt durch die Lösung gegangen und hätten sichergestellt, dass von den Datenbanken über die Schnittstellen bis zu den Netzen jede Komponente redundant ausgelegt sei.
"Diese Lösungen beruht auf dem Prinzip der Redundanz", bestätigt Abohassan aus der Perspektive des Dienstleisters: "Alles, was man sich vorstellen kann, sollte durch Redundanzen abgesichert sein - vom kompletten Rechenzentrum über die internen Komponenten jede RZ bis zu den Menschen. Jede Tätigkeit wird immer nach dem Vier-Augen-Prinzip erbracht. Und alles, was getan wird, folgt einem klaren Prozess. Wir wollen eine tatsächliche Verfügbarkeit von 99,9 Prozent erreichen, ohne über den Abschluss einer Versicherung die Folgen eines Ausfalls zu mildern. Wir investieren das Geld, das wir sonst in eine Versicherung stecken müssten, lieber in Technik, die den Ausfall verhindert."
Broese hat ebenfalls "kein Interesse" an Pönalen oder Service Credits. Das Management-Board habe derzeit großes Vertrauen in die IT, das diese auf gar keinen Fall enttäuschen wolle: "Wir haben in Projekte mit Gesamtkosten von mehreren 100 Millionen Euro investiert, und dieses Risiko geht unser Board nur ein, wenn es sicher sein kann, dass Infrastruktur und Systeme stabil laufen. Wenn das Tagesgeschäft nicht funktioniert, ist die Diskussion über einen Business Enabler IT schnell zurückgekehrt zur Frage, warum wir nicht einmal fähig sind, eMails von A nach B zu senden. Und dann sitzen wir nicht mehr am Tisch, wo die Entscheidungen getroffen werden."
Konsequente Provider-Strategie
Der Deal mit T-Systems ist Teil einer völlig überarbeiteten Provider-Strategie. Die ursprünglich 2500 IT-Lieferanten will BAT auf fünf "Core Strategic Suppliers" verringern, mit denen wirkliche Partnerschaften aufgebaut werden sollen. Dazu Broese: "Sicher haben auch wir Benchmark-Klauseln im Vertrag; jeder Lieferant muss sicherstellen, dass er wettbewerbsfähig ist. Auf der anderen Seite können und wollen wir nicht alle drei Jahren in einen RFP einsteigen, der ein Jahr in Anspruch nimmt und dann eventuell wieder zwei Jahre Transition nach sich zieht."
Neben dem Data-Center-Provider T-Systems hat BAT mit Wipro einen Partner für den Application Support ausgewählt. Im Servicedesk-Bereich fiel die Wahl auf Fujitsu. Remote Infrastructure Mangement macht HCL von Indien aus. Im Netzbereich läuft gerade eine Ausschreibung, die Ende dieses Quartals entschieden sein sollte. "Von allen Partnern erwarten wir auch eine intensive Zusammenarbeit untereinander", führt Broese aus.
Die kommenden beiden Jahre
Der Übergang in die Cloud wird bei BAT dadurch begünstigt, dass viele der vorhandenen Server ihr Lebensende ohnehin erreicht haben. Broese: "Wir hatten jahrelang nicht in Infrastruktur investiert, so dass manche Server fünf oder sechs Jahre alt sind. Den ohnehin notwendigen Hardware-Refresh verbinden wir gleich mit der Migration auf Cloud-Lösungen."
Der größte Teil der Migration wird nach Broeses Beschreibung also folgendermaßen vonstatten gehen: Der alte Server bleibt dort, wo er ist, man baut einen neuen in der Cloud auf, spielt dort die Anwendung auf, muss wegen der Tests die Systeme eine Zeitlang parallel betreiben und macht am Ende den Switch-over.
Abolhassan bestätigt das: "Das genau ist unser Ansatz. Wir ziehen keine Server um. Vielmehr ist der Server auf unserer Seite bereits angelegt. Nach unserem "Farming"-Konzept müssen wir Server und Kunden nicht mehr eins zu eins zuordnen. Und das ist genau der Punkt, wo der Kunde von den Größenvorteilen profitieren kann. "
Was bringt es wem?
"Dieses Modell rechnet sich auch für uns", sagt de T-Systems-Manager: " Es gibt uns - um im Bild der Farm zu bleiben - die Möglichkeit, Getreide einer bestimmten Sorte groß angelegt und hoch standardisiert anzubauen und an Kunden, die dafür Bedarf haben, zu vertreiben. Das ist immer sehr viel günstiger für uns als eine individuelle Lösung. Diesen Vorteil teilen wir uns mit dem Kunden."
Den Vertragswert beziffern die beiden Partner mit 160 Millionen Euro über sieben Jahre. Die Projektkosten gehen allerdings über dieses Volumen hinaus, weil ja noch Personalkosten und parallele Run-Kosten hinzukommen. Auch der Umstieg auf das einheitliche SAP-System ist hier noch nicht eingepreist.
Den Ertrag, den sich BAT davon erhofft, erläutert Broese folgendermaßen: "Selbstverständlich haben wir jetzt erst einmal relativ hohe Kosten durch die Migration der alten Systeme in die Cloud. Diese Kosten wollen wir nach der Transition-Phase, sprich: ab 2014, nicht nur wieder eingespielt haben, sondern darüber hinaus noch mindestens 20 Millionen über die gesamte Vertragslaufzeit sparen. Das ist möglich, weil wir von einem Fünftel weniger Hosting-Kosten ausgehen."
Naturgemäß erwartet BAT von T-Systems, dass der Dienstleister seine Effizienz von Jahr zu Jahr steigert. Die erwarteten Preissenkungen sind vertraglich festgelegt - allerdings auf der Basis der jetzt benötigten Volumina. Inwieweit sie steigen, lässt sich kaum vorhersagen. Laut Broese verzeichnete der Konzern in den vergangenen drei Jahren Voluminazuwächse von 40 bis 50 Prozent: "De facto werden wir also deutlich mehr sparen, als wir es im Business-Case berechnet haben", konstatiert der IT-Service-Verantwortliche.
Entwicklungen in der Zukunft
Tatsächlich sind sieben Jahre in der IT eine halbe Ewigkeit. Nicht nur die Technik, auch die geschäftlichen Anforderungen können sich in dieser Zeit enorm verändern. Ein Vertrag, der beide Seiten langfristig zufrieden stellen soll, muss das berücksichtigen. Broese sieht sich hier bestens abgesichert: "Wenn wir etwas Neues machen wollen, das höhere Kapazität erfordert, also beispielsweise eine erweiterte BI-Lösung, dann sagen wir der T-Systems: Wir brauchen in vier Wochen doppelte Kapazität. T-Systems muss dann intern sicherstellen, dass genügend CPU-Kerne und Speicherplatz bevorratet sind, um unsere drastische gestiegenen Anforderung zu erfüllen."
Und was ist, wenn das in der zur Verfügung stehenden Zeit technisch nicht möglich sein sollte? Für diesen Fall weist der Vertrag auch die Möglichkeit aus, dedizierte Server aufzusetzen - nach dem klassischen Hosting-Modell. "Das ist allerdings nicht unser Ziel", gibt Broese zu bedenken, "denn dann kommen wir wieder in die Diskussion um die Kapazitätsausnutzung und die Vorlaufzeiten hinein."
Ein Thema, dass der Vertrag derzeit noch nicht abdeckt, ist die Collaboration über Betriebsgrenzen hinweg. "Dann kommt möglicherweise auch die Public Cloud wieder ins Gespräch", sagt Broese. Aber auch dafür seien Lösungen aus den Bereichen Hybrid Cloud oder Public-Private Cloud denkbar - sofern die Verträge dahingehend erweitert werden, dass sie einen Zugriff von außen einschließen.
"Es gibt wenige Lösungen, die wir Farm-seitig nicht vorbereitete hätten", beteuert Abolhassan: "Sollte es aber tatsächlich Besonderheiten geben, die wir nicht vorhalten, machen wir quasi ein neues Beet auf, das wir klassisch bewirtschaften." Im Übrigen liege das Problem nicht in der Kapazität. "Die können wir im Grunde unendlich bereitstellen." Es liege vielmehr in der Art des Getreides. Kritisch werde es, wenn T-Systems für eine Art von Anwendung noch keinen Standardprozess habe. Mit dem Thema Collaboration beispielsweise werde die Ebene der Anwendungen verlassen , und ganz andere Prozesse und Geschäftsmodelle würden ein Thema. "Da sind gewichtigere Probleme zu lösen als die Frage des Hosting", bestätigt Broese.