Mehr als reines Hosting
Erfahrungen mit dem Outsourcing einzelner IT-Services hatte BAT vorher schon. T-System war einer der Provider; die Telekom-Tochter hostete BAT-Applikationen hauptsächlich im EMEA-Bereich, während HP diese Aufgabe in Brasilien, Kanada, Australien und Mexiko erfüllte.
Doch das Cloud-Konzept hebt das traditionelle Hosting laut Broese auf eine neue Stufe: Zum einen ermögliche es "Agilität auch für das Business - und das beim Hoch- wie beim Runterfahren der Kapazität", wie der IT-Service-Verantwortliche es formuliert. Zum anderen beschleunige es die IT-Prozesse beträchtlich: "Wir hatten vorher für gewöhnlich Vorlaufzeiten von 13 Wochen, bis wir eine Lösung aufgebaut hatten; jetzt sind wir auf vier Wochen runter. Wir können also wesentlich schneller auf die Anforderungen unseres Kunden reagieren."
Abolhassan beschreibt den Unterschied zum traditionellen Hosting folgendermaßen: "Früher hat der Kunde am Anfang der 13 Wochen Hardware und Software bestellt hat - und dann installierte das jemand. Heute haben wir in der Cloud vorher schon Farmen anlegen, also Kapazitäten vorgehalten, so dass wir quasi auf Knopfdruck , wir nennen das "Zero Touch Provisioning", dem Kunden ein Stück von diesem Weideland zuteilen. Daraus ergeben sich für ihn ganz andere Kosten, weil er keine Überkapazitäten mehr zahlen muss. Und er bekommt die Leistung schneller zur Verfügung gestellt, weil sie quasi präventiv angelegt ist."
"Wir haben uns unsere Systeme angeschaut und sehr viele Server gefunden, die nur zu 20 Prozent ausgelastet sind", bestätigt Broese: " Das ist Kapazität, die wir nicht nutzen. Wenn man konsolidiert und die Möglichkeiten der Cloud nutzt, zahlt man nur für das, was man tatsächlich nutzt."
Ohne Lifecycle-Management up to date
Und noch einen Vorteil der Cloud nennt Broese: "Früher haben wir das Lifecycle-Management auf unserer Seite gehabt. Wir haben einen Server bestellt und den Provider beauftragt, ihn zu betreiben, bis er abgeschrieben war; in der Zwischenzeit gab es unzählige Updates von Betriebssystemen, Datenbanken etc. Mit der Cloud-Lösung ist das Lifecycle-Management inclusive Patching Teil der Lösung. Darum müssen wir uns nicht mehr kümmern. Wir können eine Umgebung erwarten, die up to date ist und auf der wir unsere Lösungen aufsetzen."
Die an dieser Stelle häufig verwendete Analogie zum Strom aus der Steckdose ist allerdings auf einem Bein lahm. Man könnte sogar behaupten, dass es sich gar nicht um echtes Cloud-Computing handelt. Denn die Lizenzen für die Anwendungen, beispielsweise von SAP, Datenbank-Management-Systeme, also Oracle & Co., sowie Betriebssysteme wie Windows-Server, kauft BAT nach wie vor selbst. Teil des Angebots sind hingegen die Nutzungsgebühren für systemnahe Betriebs- und Management-Software wie VMware.
Gemessen und abgerechnet wird die bezogene Leitung im SAP-Umfeld über Enterprise Storage Units oder den "Saps"-Index (SAP Application Performance Standard). Für die Non-SAP-Systeme kommen Parameter wie virtuelle CPUs (definiert nach den Benchmarks des Transaction Processing Performance Council, kurz TPC) sowie virtueller RAM zum Zug.
Was für T-Systems sprach
Abolhassan fasst das Serviceverhältnis folgendermaßen zusammen: BAT ordert keine Server mehr, sondern Leistung. Bezahlt werden Verfügbarkeit und SLAs. Es gibt eine genaue Kapazitätsplanung mit einer rollierenden Vorschau. Und diese Kapazitäten müssen wir bereitstellen. Nur ist die Kapazität nicht mehr klassisch in CPUs oder Speicherplatz oder Boxen messbar, sondern in Transaktionen.
Wie Broese ergänzt, hat BAT ein "ausgeklügeltes" Reporting über SLAs und KPIs installiert: "Wir können monitoren, ob die vereinbarte Leistung vom Partner auch bereitgestellt wird."
Bei der Auswahl des Suppliers legte BAT neben dem Commitment zu den angepeilten Einsparungen auch Wert darauf, dass der designierte Partner bereits eine solide Cloud-Strategie entwickelt hatte: "Für uns war wichtig, nicht erst mit dem Anbieter eine Cloud zu entwickeln, sondern auf Standards aufzusetzen. Gerade im Umfeld von SAP war die Lösung von T-Systems die am meisten standardisierte."
Diese Professionalität des Anbieters spiegle sich beispielsweise in der kurzen Einführungszeit wieder, erläutert Broese: "Wir haben den Vertrag im Februar unterschrieben, und im Mai musste die Lösung übergeben werden - inclusive aller Tests, Prozesse und Dokumentationen. Der erste Markt soll im September dieses Jahres mit SAP aus der Cloud live gehen. Wenn man da erst mit dem Design einer Lösung angefangen hätte, wäre dieser aggressive Plan nicht zu verwirklichen gewesen."
Wer noch im Rennen war
Dabei hat sich BAT die Sache jedoch nicht allzu leicht gemacht. Wie Broese berichtet, begann die Auswahl mit sieben Suppliern, von denen am Ende T-Systems, HP, IBM und Fujitsu übrig blieben: "Die haben wir uns sehr genau auf ihre Referenzen und die Unterschiede der Lösungen angesehen."
Für T-Systems habe schließlich auch der "Cultural Fit" gesprochen, geht Broese ins Detail: " Wir wollten einen Partner, der genug Agilität und Flexibilität hat, um auch Weiterentwicklungen in der IT einzubeziehen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können." Denn die Laufzeit des Vertrags ist auf insgesamt sieben Jahre angelegt: "Und in dieser Zeit wird sich die IT-Welt deutlich verändert haben."
Was BAT von T-Systems erwarten darf, weiß der Konzern inzwischen, denn er arbeitet schon seit einigen Jahren mit dem IT-Dienstleister zusammen. "Vor zwei oder drei Jahren hatten wir mal ein paar Probleme mit Systemverfügbarkeiten, aber seither gab es keine Major Incidents mehr", sagt Broese: "Die Qualität, die wir in den vergangenen zwei Jahren dort gesehen haben, ist die, die wir brauchen, um unsere Lösungen bereitstellen zu können."
Der aktuelle Stand des Projekts
Aus diesem Grund war es möglich, das Projekt auf der organisatorischen und technischen Seite bereits voranzutreiben, bevor die Rechtsanwälte die letzten Vertragsdetails ausgehandelt hatten. Denn die Zeit drängte. Für die Übergabe der Server sind zwei Jahre vorgesehen. "Wir wollen ja nicht nur SAP übergeben, sondern wir haben auch noch 1400 andere Server, die wir in die neue Welt hinüberführen müssen", erläutert Broese.
Derzeit werden die für SAP-Systeme üblichen User Acceptance Tests vorgenommen; bis September soll das Fine-Tuning abgeschlossen sein. Parallel laufen Training, Datenmigration etc. Einige Hundert Leute sind mit dem Aufsetzen der neuen SAP-Lösung beschäftigt.
"Wir beginnen jetzt, die ersten Server zu migrieren", berichtet Broese. Den Anfang mache Australien, wo das derzeit genutzte Gebäude mit 300 Servern praktischerweise verlassen werde. Gerade abgeschlossen ist die Integration der ersten Server aus dem Frankfurter Data Center in die neue Cloud-Umgebung. Auch in Brasilien ist BAT dabei, die Umgebung vom bisherigen Servicepartner HP auf T-Systems zu übertragen. Bis Ende 2014 soll die SAP-Lösung aus der Cloud voll in Betrieb sein.
Flexibilität in den Vertrag eingebaut
Wie Broese darlegt, erlaubt das Vertragswerk unterschiedliche Service-Levels: "Für die globale SAP-Lösung brauchen wir schließlich andere Verfügbarkeiten als für das Verwalten von E-Mail-Systemen."
Verfügbarkeit war laut Broese denn auch ein Grund dafür, warum BAT der Public Cloud den Vorzug gegenüber den Angeboten aus der Public Cloud gibt. 99,9 Prozent, wie sie beispielsweise für die unternehmenskritischen SAP-Systeme benötigt werden, seien dort noch nicht zu bekommen.
Der Vertrag mit T-Systems ist zudem darauf angelegt, dass BAT dieselbe Lösung mit denselben SLAs, KPIs und Prozessen nicht nur in Frankfurt, sondern auch in Singapur und Brasilien bekommt: "Die Gleichheit der Lösungen war uns sehr wichtig. Und wir wollten berechtigterweise darauf vertrauen, dass wir sie geliefert bekommen, obwohl die Lösungen aus unterschiedlichen Rechenzentren heraus angeboten werden", so der IT-Service-Chef: "Auf diese Weise spart man viel Aufwand, beispielsweise beim Testing."