Eine Karrieremesse nur für Frauen? Diesen Ansatz hielt eine Zukunftsforscherin einst zwar für lobenswert, jedoch spätestens in fünf Jahren für überflüssig. Die Forscherin irrte, in den vergangenen zehn Jahren wuchs die "women&work" stetig, heute werben in den Frankfurter Messehallen über 120 Arbeitgeber quer durch alle Branchen um weibliche Fachkräfte, zusätzlich können sich die 10.000 Besucherinnen in einem vielfältigen Kongressprogramm und bei über 150 Netzwerkpartnern zu Karriere und Entwicklungsmöglichkeiten beraten lassen.
Eine Erfolgsstory, die Melanie Vogel erfreuen könnte. Ist sie doch - mit ihrem Mann Holger und ihrem Unternehmen, der Agentur ohne Namen - Erfinderin und Veranstalterin der women&work. Aber der Erfolg zeigt auch: Solange es eine eigene Recruiting-Messe für Frauen braucht, sind diese im Berufsleben noch nicht gleichauf mit den Männern.
"Bin ich gut genug in meinem Job?"
Diese Erfahrung kann auch Melanie Vogel bestätigen, die sich am Anfang ihres Joblebens noch gleichberechtigt gefühlt hatte, zumal sie Hand in Hand mit ihrem Mann in der eigenen Firma arbeitete und Recruiting-Messen organisierte. "Mit der Geburt unseres Sohnes vor 16 Jahren begann ich umzudenken", erinnert sie sich. "Mein Modell, Familie und Beruf zu verbinden, stieß auf Kritik von außen und ließ in der Folge auch mich zweifeln: Bin ich gut genug als Mutter, bin ich gut genug in meinem Job?"
Ihr Erweckungserlebnis hatte Vogel, als sich ein Kunde darüber beschwerte, dass sie ihren kleinen Sohn zu einer Vorbesprechung mitbrachte. Als sie im Januar 2010 im winterlichen Bonn in der Rheinaue beim Schlittenfahren nur Müttern begegnete, die alle bestens mit heißem Tee und Keksen ausgestattet waren, fühlte sie sich fehl am Platz. Nicht allein deshalb, weil sie nichts zu Trinken und zu Essen dabei hatte. Sondern auch, weil sie erkannte: Die Zeit war reif für eine eigene Karriereveranstaltung für Frauen wie sie, die sich nicht mit der Mutterrolle begnügen. Zwei Monate später verkündete die Deutsche Telekom ihre Frauenquote, die Resonanz in den Medien war groß.
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Das Ehepaar Vogel nutzte die neue Aufmerksamkeit für das Thema, rief ihre bisherigen Kunden an und fragte, ob sie an einem Recruiting-Stand auf einer Frauenmesse interessiert wären, 24 Stunden später war die erste Buchung da. Zunächst waren vor allem die deutschen Niederlassungen US-amerikanischer Konzerne dem Thema gegenüber am aufgeschlossensten. Schließlich hatten sie aus den USA die Vorgabe, ihre Belegschaft möglichst divers zusammenzusetzen. Im Laufe der Jahre entdeckten auch immer mehr deutsche Unternehmen die Frauenfrage für sich.
Zum Thema Diversity hat die Messechefin eine klare Meinung: "Frauenförderung bleibt in Unternehmen nur ein Feigenblatt, solange sie nicht mit klaren Zielvorgaben verbunden ist. Also nicht nur sagen, wir wollen mehr Frauen, sondern auch den Zeitrahmen und die Wege, wie man das schaffen will, definieren." Dafür seien aber auch Investitionen nötig, die viele Firmen scheuten.
Dem Old-Boys-Netzwerk zum Trotz
In Melanie Vogels Augen ist "Frauenförderung gleichzeitig Aufstiegsförderung, da viele Frauen es nicht allein schaffen, sich durch das Old-Boys-Network durchzukämpfen - und wenn doch, dann haben sie oft keine Lust mehr auf die nächste Stufe oder halten es ganz oben nicht lange durch." Darum sei es wichtig, dem Frauenthema einen Business Case zu geben und zu fragen: Was ist die Wertschöpfung, wenn wir Frauen eine größere Rolle in der Wirtschaft geben?
In den Anfangsjahren wussten die Unternehmen nicht, dass sie die weibliche Zielgruppe anders ansprechen mussten. Darum befragten die Vogels ihre Messebesucherinnen regelmäßig und fanden Erhellendes heraus, so Melanie Vogel: "Männer und Frauen haben unterschiedliche Einstellungen zu Macht, Geld und Statussymbolen. 80 Prozent der Messebesucherinnen begreifen Karriere als stetige persönliche Weiterentwicklung, und nur eine Minderheit von 20 Prozent als klassischen Aufstieg von einer Hierarchiestufe zur nächsten."
Wer Frauen für das Unternehmen gewinnen will, ist darum gut beraten, ihnen ihre Möglichkeiten, mitzugestalten und mitzubestimmen, aufzuzeigen. Viele Arbeitgeber hätten das nach Vogels Erfahrung aber immer noch nicht begriffen. Auch das Selbstbild der jungen Frauen lasse zu wünschen übrig, seit die sozialen Medien die Fixierung auf oberflächliche Kategorien wie Schönheit und Körperkult noch verstärkten. Dabei bräuchten Mädchen, die mehr sein wollen als nur schön, eine Anlaufstelle.
"Betrachtet euch als Pionierinnen"!
Als solche bietet sich die Kongressmesse an. "Mit der women&work wollen wir einen Gegenpol setzen und den Frauen zurufen: Seid offen, ihr schafft das!", sagt Melanie Vogel. Der Kongress zeige Optionen und die Vielfalt der beruflichen Identitäten auf, so die Messechefin weiter: "Wir geben Frauen die Chance, voneinander zu lernen. Betrachtet euch als Pionierinnen, dann könnt ihr hoch erhobenen Hauptes in einem männlichen Umfeld agieren. Pionierin ist die richtige Rolle und nicht die Quotenfrau."
Melanie Vogel ist selbst eine solche Pionierin, Männern spiegelt sie in Führungskräfteworkshops schon mal, mit welchen Vorurteilen sie ihr begegnen. Kleinkriegen oder gar einschüchtern lässt sie sich in solchen Runden nicht. Meist wird es besser, sobald sie den Leitwolf überzeugt hat.
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Auf der women&work finden die Frauen gerade die umgekehrte Situation vor, sie sind in der Business-Welt plötzlich in der Mehrheit. Das hat Methode und ist ein Grund für den langanhaltenden Erfolg der Messe, ist Melanie Vogel überzeugt: "Wir nehmen Frauen den Solo-Status, weil 95 Prozent der Teilnehmerinnen Frauen sind. Ihr Geschlecht spielt hier keine Rolle mehr, sie können fachlich und persönlich glänzen. Wer diese weibliche Energie auf der Messe einmal erlebt hat, kann sich gut vorstellen, was in der Unternehmenswelt alles möglich wäre, wenn mehr Frauen dort zu finden wären."