Haussegen hängt schief
Das zeigen auch andere Vorkommnisse in der Konzernzentrale in Redwood City, Kalifornien. Für Irritationen sorgte dort zuletzt der Abgang von Thomas Kurian, President für den Bereich Produktentwicklung bei Oracle und damit auch verantwortlich für die Cloud-Lösungen. "Thomas ist ein guter Kerl, der hart arbeitet", sagte Oracle-Co-CEO Mark Hurd Anfang September. "Er hat eine Pause eingelegt und wir erwarten ihn zurück." Weitere Details, warum Kurian pausiert und wann er seine Arbeit wieder aufnimmt, waren dem Oracle-Management nicht zu entlocken.
Insider gingen jedoch schon damals davon aus, dass sich Kurian endgültig von Oracle verabschiedet habe. Darauf deutete zumindest der Ton einer Email Kurians an seine Mitarbeiter hin, aus der die Finanznachrichtenagentur "Bloomberg" zitierte. "Inzwischen haben viele von Ihnen gehört, dass ich mich entschieden habe, eine längere Auszeit von Oracle zu nehmen", hieß es dort. "Ich bin so sehr stolz auf alles, was wir zusammen erreicht haben und so dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, Ihnen auf dieser Reise zu helfen. Ich werde Sie nie vergessen, und ich wünsche jedem von Ihnen das Beste für die Zukunft."
Diese Vermutungen bewahrheiteten sich wenige Wochen später. Ende September erklärte Oracle kurz angebunden in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht, Kurian habe das Unternehmen verlassen, um andere Möglichkeiten auszuloten. Seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten würden an andere Manager in der Produktentwicklung verteilt, hieß es.
Der 51-jährige Kurian arbeitete seit 1996 bei Oracle und war seit 2015 verantwortlich für die Produktentwicklung. In dieser Position unterstanden ihm rund 35.000 Mitarbeiter. Er berichtete direkt an Firmengründer und CTO Larry Ellison. Spekulationen zufolge soll es zwischen beiden Managern Streit über den zukünftigen Cloud-Kurs gegeben haben. Demzufolge habe Kurian dafür plädiert, Oracle-Software mehr für die Cloud-Infrastrukturplattformen von Wettbewerbern wie Amazon Web Services (AWS) und Microsofts Azure zu öffnen und damit die Basis für das eigene Cloud-Geschäft zu verbeitern. Dem wollte Ellison offenbar nicht folgen. Der Oracle-Gründer setzt alles auf die eigene Cloud-Karte. "Es mag sein, dass wir im Cloud-Infrastruktur-Markt vom Anteil her hinter Amazon zurückliegen, räumte Ellison vor kurzem ein. "Aber wir sind weit voraus, was die Technik betrifft". Der Manager prognostizierte, Oracle werde sehr schnell Marktanteile im Geschäft mit Cloud-Infrastruktur dazugewinnen.
Wie Unternehmen ihren Weg in die Cloud planen, lesen Sie in unserer Studie "Cloud Migration 2018"
Die Vorzeichen dafür stehen allerdings alles andere als gut. Derzeit buhlen alle großen Cloud-Anbieter um einen Mega-Deal des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Zehn Milliarden Dollar winken demjenigen, der den Auftrag für die "Joint Enterprise Defense Infrastructure" (JEDI) gewinnt. Favorit ist aktuell AWS. Oracle hat sich allerdings schon bitterlich beschwert. Ein für die Landesverteidigung so wichtiger Auftrag dürfe keinem Anbieter allein anvertraut werden. Außerdem sei die Ausschreibung deutlich auf das Cloud-Angebot von AWS zugeschnitten worden, klagt der Datenbankspezialist, der in Sachen Cloud wieder einmal abgehängt zu werden droht.