Rund vier Monate, nachdem die Investment-Gesellschaft KKR angekündigt hatte, die End User Computing (EUC)-Abteilung von VMware für rund vier Milliarden Dollar zu übernehmen, wurde die neue Organisation Omnissa nun offiziell gegründet. Das Unternehmen mit zuletzt 1,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz und 26.000 Kunden weltweit wird weiterhin von seinem bestehenden Managementteam unter der Leitung von CEO Shankar Iyer geführt.
Insgesamt sollen sich 4.000 Mitarbeiter um die Technologie sowie die Partner- und Kundenbetreuung rund um Horizon (einer Plattform zur Desktop- und Anwendungsvirtualisierung) sowie der Unified-Endpoint-Management-Lösung Workspace One kümmern.
Keine Zeit für Vergangenheitsbewältigung
Die Tatsache, dass der Name VMware nur in einer Fußnote der entsprechenden Pressemitteilung des Unternehmens erwähnt wird, ist für Shannon Kalvar, Research Director Virtual Client Computing bei IDC, ganz und gar nicht überraschend. Anstatt sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, habe das Omnissa-Führungsteam so die Möglichkeit, "eine Vision für das End User Computing in einer Zeit zu entwickeln, in der Unternehmen zunehmend digital und KI-gesteuert werden", erklärt Kalvar.
"Damit meine ich nicht die ganze Aufregung um LLMs", fügt er hinzu. "Aber es gab enorme Fortschritte bei Hunderten verschiedener Modelle für prädiktive und interpretierte Analysen für alle möglichen Dinge", sagt er. Der Blick nach vorne biete auch die Möglichkeit zu sagen: "OK, wir haben uns stabilisiert, aber wir können noch weiter gehen, wir können noch mehr tun."
John Annand, Practice Lead bei der Info-Tech Research Group, beschreibt Omnissa als ein Unternehmen, das "aggressiv versucht, die ehemalige VMware-Kundenbasis zu halten, indem es an das Wohlwollen appelliert, das VMware früher sowohl bei Unternehmen als auch bei Vertriebspartnern hatte. So seien die leitenden Mitarbeiter in den Bereichen Betrieb, Technik, Marketing, Produkt und natürlich der neue CEO Shankar Iyer für alle, die auf früheren VMWorld-Konferenzen den EUC-Track besucht haben, bekannte Gesichter.
Wenn man diese Personalentscheidungen mit der "Vision und den Wertvorstellungen" kombiniert, so Annand, "ist die Botschaft klar: Wir sind das Unternehmen, mit dem ihr früher gerne Geschäfte gemacht habt." Dabei vergeude Omnissa keine Zeit damit, sich mit Branchenanalysten in Verbindung zu setzen, Briefings zu planen und sie zur Teilnahme an ihrer Omnissa Live-Konferenz am 23. Juli einzuladen. "Ich kann mir vorstellen, dass wir im Vorfeld ihrer Konferenz einen Eindruck von ihrem Partnerprogramm und ihren Preismodellen bekommen werden", erklärt der Analyst. Dies seien sicherlich Themen, die ehemaligen VMware-Kunden am meisten am Herzen liegen. Und wie viel Kundenvertrauen Omnissa zu bewahren hofft, werde zu einem großen Teil davon abhängen, wie sie auf diese Fragen reagieren.
"Was die Marktpositionierung angeht, ist es sehr sinnvoll, schnell zu handeln", erklärt Annand. "Citrix musste sich kürzlich erneut mehr Geld beschaffen und bewertet derzeit aggressiv sein Kundenportfolio mit Blick auf strategische und nichtstrategische Kunden. Und während Microsoft weiterhin darüber nachdenkt, wie eine vollständig Cloud-native Desktop-Erfahrung aussehen könnte, benötigen Unternehmen Lösungen, die mit der vorhandenen Software und den vorhandenen Geräten von heute und nicht nur in der Zukunft funktionieren."
Der Bedarf an Desktop- und App-Virtualisierung sowie an Gerätemanagement für Endanwender "ist in keiner Weise verschwunden", fügt der Leiter des Infrastruktur-Teams bei der Info-Tech Research Group hinzu. Vielmehr hätten Zero Trust und andere Sicherheitsanforderungen für alle verschiedenen Formfaktoren, Hersteller und Betriebssysteme die betriebliche Komplexität der Unternehmens-IT exponentiell erhöht.
Die Gretchenfrage: Wie innovativ ist Omnissa?
Die Herausforderung für Omnissa werde darin bestehen, "ob sie nur die gleichen altbewährten Tricks auf Lager haben oder ob sie ohne die Altlasten von VMware etwas wirklich Innovatives auf die Beine stellen können", erklärt Annand. "Wenn nicht, dann haben wir zumindest etwas Konkurrenz, da Microsoft weiterhin den EUC-Markt ohne viel Zutun erobert."
Aus Sicht von Naveen Chhabra, leitender Analyst bei Forrester, haben Unternehmen, die VMware-EUC-Produkte verwenden und dies auch weiterhin tun möchten, keine andere Wahl, als sich mit Omnissa auseinanderzusetzen - es sei denn, sie benötigen keinen weiteren Support durch den Anbieter. "Support ist für die meisten großen Unternehmen aus Gründen der Funktionalität, Leistung und Sicherheit von entscheidender Bedeutung", erklärt er.
Chhabra weist darauf hin, dass VMware-Kunden viele Veränderungen durchlaufen mussten, zunächst die Anpassung an die Übernahme durch Broadcom und dann an den Verkauf der EUC-Abteilung an KKR. Und das sei noch nicht alles. "Omnissa ist ein neues Unternehmen mit einem neuen Eigentümer. Die Kunden müssen lernen, mit einem neuen Unternehmen, neuen Richtlinien, einer neuen Roadmap und neuen Lizenzen zu arbeiten", schreibt er. "Es wird also nicht so einfach oder unkompliziert sein, wie man es sich vielleicht wünscht oder vorstellt. Es gibt glaubwürdige Alternativen von Anbietern wie HCL, Microsoft, IBM und Ivanti, aber wie immer wird der Übergang oder die Migration nicht schmerzfrei sein." (mb)