Cross-Domain-Konzept
Auf dem Weg zum erfolgreichen IoT-Player sollte ein Unternehmen nach Meinung Denners drei Schritte bewältigen. Zuerst sei das eigene Unternehmen digitalfähig zu machen. Dies habe man etwa mit der Bosch IoT Suite, der Bosch IoT Cloud, dem Bosch Center for Artifical Intelligence oder der Internetfähigkeit aller neuen Elektronikprodukte ab 2020 getan. Im zweiten Schritt, so der Bosch-Chef, gelte es, die vorhandenen Eco-Systeme zu digitalisieren. Bei der Bosch Gruppe wären das etwa Home Connect als Plattform für die BSH-Hausgeräte, die intelligente Landwirtschaft oder vernetzte Heizungssysteme, um nur einige Bereiche zu nennen. Nummer Drei ist dann der Aufbau eines neuen Cross-Domain-Ökosystems. Eine Herausforderung, der sich Bosch gerade stellt - etwa mit Connected Mobility Solutions. Ein Beispiel für eine solche Cross-Domänen-Struktur ist etwa die Bosch-Tochter Coup. Sie betreibt für das Traditionsunternehmen in Berlin, Paris und Madrid eine Sharing-Plattform für Elektroroller.
Ein anderes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der Rückversicherung Munich Re. Die Rückversicherung sieht sich dabei als Enabler von "riskanten" Innovationen. So brachte Munic Re etwa Bosch, den Dienstleister Leadec sowie Liebherr zusammen. Die Klammer für diese Kooperation war die Absicherung des Ausfallrisikos eines Baggers über den gesamten Lebenszyklus. Und das, obwohl die Munich Re zu den zahlreichen "frenemies" von Bosch zählt. Also sowohl friend als auch enemy ist, denn schließlich steht die Munich Re seit der Übernahme von Relayr im letzten Jahr in direkter Konkurrenz zur Bosch IoT Suite.
Doch gerade diese übergreifende Zusammenarbeit, auch mit Konkurrenten, ist kennzeichnend für eine Cross Domain Economy. So konkurriert etwa die Bosch IoT Suite mit den IoT-Angeboten von Google, Amazon und Microsoft. Gleichzeitig stellt Bosch aber seine Software-Lösungen nicht nur in der eigenen Bosch Cloud zur Verfügung, sondern auch auf den Plattformen von IBM, AWS, Google sowie Azure.
Dieser Glaube an eine Shared Economy, die nur mit Partnerschaften funktionieren kann, gehört zu einer der Kernstrategien einer Bosch im Jahre 2019. Daran schließt sich für Denner die Erkenntnis an, dass "in Zukunft Dinge nicht nur kommunikativ vernetzt sein werden, sondern auch miteinander Geschäftsbeziehungen pflegen werden." Deshalb betrachtet man bei Bosch Distributed Ledger Technologies (DLT) als eine strategische Schlüsseltechnologie für die Economy of Things (siehe auch "Bosch setzt auf Digital Ledger Technologies").
Trust als Basis
Doch die Economy of Things benötigt noch etwas anderes, wenn viele Akteure zusammenkommen und in Geschäftsbeziehungen stehen - nämlich "Vertrauen, Trust", wie Denner und sein CDO/CTO Michael Bolle nicht müde werden zu betonen. Bosch ergriff deshalb die Initiative und lud im Rahmen der Bosch Connected World zum ersten Digital Trust Forum ein. Hie trafen sich Vertreter führender internationaler Verbände und Organisationen wie IEEE - Institute of Electrical and Electronics Engineers, Digital Europe, ETSI, Eclipse Foundation, Trustable Technology, Plattform Industrie 4.0, Industrial Internet Consortium (IIC), Trusted IoT Alliance, um die Frage zu diskutieren, wie Vertrauen in digitale Systeme geschaffen und sichergestellt werden kann. "Wir können nicht hinnehmen, dass digitale Innovationen vor allem auf Misstrauen und Ängste stoßen. Daher will das Digital Trust Forum Vertrauensfragen rund um das Internet im offenen Austausch zwischen Experten behandeln", erklärt CDO und CTO Bolle die Intention von Bosch.
Das Urteil der Analysten
Ein Digitalstrategie, die unter dem Strich seitens der Analysten durchaus positiv aufgenommen wird. So schreibt etwa Stefan Ried, Principal Analyst & IoT Practice Lead bei Crisp Research, dass Bosch bei der tiefen Industrie-Integration, mit vielen unterstützten Protokollen und einigem Branchenwissen im Bereich Industrie 4.0 und den klassischen Bosch-Domänen, deutlich im Vorteil gegenüber Azure, AWS oder Google sei, die sich mit relativ einfachen Diensten ganz erheblich nur durch den Preis unterscheiden. "Der smarte Move besteht nun darin, mit den Hyperscalern gar nicht zu konkurrieren, sondern sie genau für diese Value-Proposition als Vertriebskanal und Infrastruktur zu nutzen", so Ried weiter.
Letztlich hat Bosch in den Augen des Analysten den Vorteil, recht spät zur Party zu kommen. Auf den ersten Blick wirke es zwar wie ein Nachteil, dass jetzt einige Bräute (Marktanteile) schon vergeben sind oder aufwendig zurückgewonnen werden müssen. Wichtiger sei aber, dass Bosch von den Besuchern der IoT Party lernen kann, die mit digitaler Überdosis gescheitert sind (GE Predix), oder es verpasst haben, eine Strategie in der eigenen Gruppe abzustimmen (Samsung Artik). Zudem würden - wie ein demnächst erscheinende Crisp-Studie zeige -, einige Kunden dem Bosch Brand tatsächlich mehr Vertrauen entgegen bringen, als einem amerikanischen Hyperscaler wie Google, AWS oder Microsoft.