Frauen in der IT

Macht macht Frauen Spaß

14.04.2014
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Nur langsam erobern Frauen Führungspositionen im IT-Umfeld. Woran liegt das? Fürchten sie sich vor der Macht? Oder beherrschen sie das Selbst-Marketing nicht? Vier erfolgreiche IT-Managerinnen erzählen, was sie von gängigen Vorurteilen halten und wie sie gelernt haben, sich durchzusetzen.

Weder jeder ambitionierte Mann noch jede talentierte Frau schafft den Aufstieg, daran ändern auch Quoten und Netzwerke nichts. Es gibt einfach zu wenige Jobs an der Spitze. "Hindernisse gibt es für jeden, der Karriere machen möchte", weiß Anke Sax. Die promovierte Betriebswirtin leitet bei der Commerzbank in Frankfurt am Main die IT-Steuerung und bringt 25 Jahre Berufserfahrung im IT- und Bankensektor mit.

"Eine Frau soll aussehen wie ein junges Mädchen, auftreten wie eine Lady, denken wie ein Mann und arbeiten wie ein Pferd", stellte die amerikanische Juristin und Politikerin Caroline Simon (1900 bis 1993) einmal fest. Zwar würde das heute, in politisch korrekten Zeiten, niemand so formulieren, doch es trifft immer noch zu.
"Eine Frau soll aussehen wie ein junges Mädchen, auftreten wie eine Lady, denken wie ein Mann und arbeiten wie ein Pferd", stellte die amerikanische Juristin und Politikerin Caroline Simon (1900 bis 1993) einmal fest. Zwar würde das heute, in politisch korrekten Zeiten, niemand so formulieren, doch es trifft immer noch zu.
Foto: Michael Jung - Fotolia.com

Es kommt immer wieder vor, dass selbst gut qualifizierte Frauen sich Chancen verbauen. "Frauen freuen sich über eine neue Aufgabe, fragen aber nicht nach mehr Gehalt." Das sei ein typischer Fehler, der kaum einem Mann passiere, erzählt Anke Sax. Außerdem zögerten immer noch viele qualifizierte Mitarbeiterinnen, ihre Karriere strategisch zu planen. "Leider gehen junge Frauen das Thema auch nicht forscher an", bedauert die Managerin. Einen Grund für dieses zögerliche Verhalten sieht Sax im gesellschaftlichen Rollenmodell. Während von Jungs erwartet werde, dass sie Karriere machen, gebe es für Mädchen immer noch die Familie als Alternative.

Annette Suckert, Badenova: "Ich habe mich immer gefragt, ob ich gut genug bin."
Annette Suckert, Badenova: "Ich habe mich immer gefragt, ob ich gut genug bin."
Foto: Badenova

Interessante Positionen sind begehrt und wer lange zögert, ist schnell aus dem Rennen. "Die Tür für eine neue Aufgabe öffnet sich nur eine Zeitlang. Deshalb ist es wichtig, seine Ziele zu kennen und Chancen zu nutzen", gibt Annette Suckert zu bedenken. Seit 2009 hat sie die Position des CIO beim Energieversorger Badenova in Freiburg inne. Außerdem gehört sie seit 2012 zur Geschäftsführung von E-MAKS, einem ausgegründeten Dienstleistungsunternehmen von Badenova, das Abrechnungen für Kunden erstellt.

Suckert lernte früh, für eigene Interessen zu kämpfen, denn mit einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder war sie es gewohnt, sich durchzusetzen. Ihre Eltern musste sie beispielsweise davon überzeugen, dass sie auf ein privates Mädchengymnasium wechseln durfte, das sie sich ausgesucht hatte. Nach der Schule entschied sie sich für eine Ausbildung zur Bauzeichnerin in der Bodenordnung, bildete sich kontinuierlich weiter und wechselte bei ihrem ersten Arbeitgeber, einem Energieversorger, in die EDV-Abteilung, wie das in den 1980er Jahren noch hieß.

Netzwerke knüpfen, selbstbewusst auftreten

Früh erkannte Annette Suckert, wie wichtig Netzwerke, aber auch Mentoren im Unternehmen sind. Als sich 1987 ein spannendes IT-Projekt und damit eine neue Herausforderung bot, griff sie zu. "Ich war damals diejenige, die hohe Ansprüche an sich selbst hatte, denn ich habe mich gefragt, ob ich wirklich gut genug bin." Glücklicherweise ermutigte sie ihr Chef, denn der erfahrene Manager traute ihr die neuen Aufgaben zu. Mit Mitte 20 und als einzige Frau im IT-Umfeld übernahm sie bald ihre erste Teamleitung. Als sich keine neue Perspektive bot, kündigte Suckert und wechselte zu Badenova.

Auch Mona Steffens-Wernicke arbeitet für einen Energieversorger und kennt die Situation, oftmals die einzige Frau in einem Team zu sein. "Frauen in Führungspositionen haben in der IT immer noch Seltenheitswert", beobachtet Steffens-Wernicke, die für die VNG - Verbundnetz Gas in Leipzig - den Bereich Koordination Handelsservices leitet und für die Informationssicherheit verantwortlich ist. Die IT-Managerin sieht die Vor- und Nachteile ihrer Exotenrolle. "Als Frau ist man immer etwas Besonderes, muss sich aber auch behaupten und wird aufmerksamer beobachtet", meint die 37-Jährige. Nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium stieg sie in einem IT-Beratungsunternehmen ein, 2008 wechselte sie zur VNG.

Mona Steffens-Wernicke, Verbundnetz Gas: "Als Frau wird man immer aufmerksam beobachtet."
Mona Steffens-Wernicke, Verbundnetz Gas: "Als Frau wird man immer aufmerksam beobachtet."
Foto: caplog-x

Wer nur nett ist, kommt nicht weiter, da sind sich die IT-Managerinnen einig. "Es ist wichtig, selbstbewusst aufzutreten, seine Meinung zu vertreten und dabei fair bleiben", empfiehlt die Freiburgerin Suckert. Ähnlich sieht es auch Stefanie Kemp, bei RWE in Essen für IT Governance verantwortlich. "Ich wollte immer authentisch bleiben. Aber ich habe gelernt, Position zu beziehen." Anke Sax weiß nette und höfliche Menschen zu schätzen: "Doch sich ausnutzen lassen, das geht überhaupt nicht."

Zwar lehnen die erfolgreichen IT-Managerinnen aggressive Verhaltensmuster ihrer männlichen Kollegen ab, doch es schade nicht, sie zumindest im Repertoire zu haben. Allerdings bewegen sich Frauen damit auf einem schmalen Grat. "Aggressives Auftreten wirkt oft aufgesetzt und wird negativ aufgenommen. Ich will die Männer nicht imitieren, sondern weibliche Stärken wie Kommunikation, Koordination und Kooperation als wichtige Facetten einbringen", sagt die Leipzigerin Steffens-Wernicke. Erfolgsgaranten sind für sie Eigenschaften wie Ehrgeiz, Engagement, Durchsetzungskraft und Netzwerke sowie der Wille, es zu schaffen.

Statussymbole und Attraktivität

PS-starke Dienstwagen, ein eigener Parkplatz in der Tiefgarage sowie ein Eckbüro gelten als wichtige Insignien der Macht. Sie signalisieren den Kollegen auf nonverbaler Ebene "Schaut her, ich habe es geschafft". Statussymbole sind auch Managerinnen wichtig, selbst wenn es wie ein Klischee klingt. Auf ein ökologisches Gewissen und umweltfreundlichere Wagen lassen mehr Frauen im Chefsessel also nicht hoffen. Wäre ein Dienstfahrrad als Alternative zu den Luxuslimousinen denkbar? "Wenn sich jemand bewusst dafür entscheidet und das auch seinen Mitarbeitern so erklärt, dann wäre das möglich", meint Anke Sax vorsichtig. Mona Steffens-Wernicke lacht bei der Frage nach dem Dienstwagen, denn bei erdgasbetriebenen Autos ist die Auswahl nicht ganz so groß.

Anke Sax, Commerzbank: „Frauen freuen sich über eine neue Aufgabe, fragen aber nicht nach mehr Gehalt.“
Anke Sax, Commerzbank: „Frauen freuen sich über eine neue Aufgabe, fragen aber nicht nach mehr Gehalt.“
Foto: Commerzbank

Viele erfolgreiche Frauen lehnen nicht nur die Quote ab, sondern sind auch skeptisch, wenn sie gefragt werden, ob gutes Aussehen die Karriere begünstigt. "Ich möchte wegen meiner Arbeitsleistung geschätzt werden", erklärt Mona Steffens-Wernicke und ergänzt: "Es ist wichtig, nicht niedlich zu sein." Tiefe Ausschnitte und kurze Röcke sind deshalb für sie im Büro tabu, sie rät auch ihren Mitarbeiterinnen davon ab. Wer einmal in der Schublade stecke, komme nur schwer wieder heraus. In der Unternehmenshierarchie spiele Attraktivität nicht die entscheidende Rolle, glaubt Annette Suckert, denn ab einer bestimmten Stufe zählten nur Beziehungen und Kompetenz.

Selbst-Marketing statt Selbstzweifel

"Tue Gutes und rede darüber", gilt als goldene Manager-Regel. "Für mich ist selbstkritisch sein sehr wichtig", beschreibt sich Anke Sax. Doch sie hat auch ein anderes Beispiel parat. Eine Kollegin wird für einen Vortrag vom Chef gelobt. Statt das Lob mit Dank entgegen zu nehmen, wirft sie ein, dass sie in der Reinschrift einen Tippfehler entdeckt hat. Solch selbstzerstörerisches Verhalten sei bei Frauen keine Seltenheit.

Macht macht Spaß

"Macht macht Spaß", meint Annette Suckert. "Jedes Spiel hat Regeln. Manchmal lasse ich mich darauf ein, doch mir ist es wichtig, immer fair zu bleiben", ergänzt die IT-Chefin von Badenova. Auch Anke Sax von der Commerzbank lernte die Spielregeln über die Jahre: "Sitzungen folgen bestimmten Regeln. Ich habe mir aufgeschrieben, wer sich wie verhält und es mit einem Coach besprochen. Auf diese Weise habe ich viel gelernt." Stefanie Kemp erlebte in ihrer über 25-jährigen Karriere in der IT-Branche auch so manche Machtspiele. "Mit zunehmender Erfahrung entwickelt jeder seine eigene Strategie. Für mich ist es wichtig, in meiner Sprache klar zu sein und das auch von anderen einzufordern."

Kind oder Karriere?

Es gibt sie, die erfolgreichen Frauen, die scheinbar mühelos Karriere und Familie unter einen Hut bekommen. Doch sie sind noch eine Minderheit. "Solchen Frauen gilt meine komplette und uneingeschränkte Bewunderung", schwärmt RWE-Managerin Kemp. Sie dachte intensiv darüber nach, eine Familie zu gründen. "Ich habe mich bewusst dagegen entschieden." Auch Annette Suckert und ihr Ehemann verzichteten auf Kinder: "Ich kann meinen Job gut mit meiner Partnerschaft vereinbaren, doch mit einer Familie wäre es sicher schwierig."

Stefanie Kemp, RWE: "Ich wollte immer authentisch bleiben."
Stefanie Kemp, RWE: "Ich wollte immer authentisch bleiben."
Foto: RWE

Eigentlich hatte Mona Steffens-Wernicke nach der Geburt ihres zweiten Kind eine Auszeit eingeplant. Doch ausgerechnet in dieser Zeit schrieb ihr Arbeitgeber eine reizvolle Aufgabe aus. "Ich habe kurz nach meiner Schwangerschaft meine erste Führungsaufgabe übernommen", erinnert sie sich. "Nach zwölf Wochen Mutterschutz kam ich in Teilzeit zurück und nach einem dreiviertel Jahr arbeitete ich wieder Vollzeit", berichtet die zweifache Mutter. "Anfangs habe ich mein Kind auch in Besprechungen mitgenommen, die Kollegen hatten Verständnis dafür."

Anke Sax versucht Mitarbeiterinnen mit Kindern zu fördern, auch wenn sie sich nach der Geburt eine Auszeit nehmen möchten. "Eine Führungskraft teilte mir zerknirscht mit, dass sie schwanger sei und fürchtete um ihre Karriere. Wir haben eine Vertretung für sie gefunden, und nach einem Jahr kam sie zurück." Sax hofft, dass auch mehr Männer talentierten Frauen flexible Arbeitszeiten anbieten, wenn sie sich für Kinder und Karriere entscheiden möchten: "Wir müssen Männern Mut machen." (hk)