Schnell an der Belastungsgrenze
Das sieht auch Sabine Prohaska so, deren Beratungsunternehmen eine Weiterbildung für Nicht-Mediziner und -Psychologen anbietet, die beruflich oft mit psychisch belasteten Arbeitnehmern zu tun haben. Sie ist überzeugt: Viele Berufstätige sind heute sehr verletzbar - auch weil ihnen ein privates Unterstützungssystem fehlt. So lange im Leben alles glatt läuft, ist das meist kein Problem. Doch wehe, die Liebesbeziehung oder Ehe zerbricht, und die Person fällt in ein emotionales Loch. Oder sie erkrankt. Oder der Lebenspartner oder ein Elternteil wird zum Betreuungsfall. Dann geraten viele Berufstätige schnell an ihre Belastungsgrenze. Oder sie stehen, weil sie versuchen, die vielfältigen Anforderungen doch unter einen Hut zu bringen, unter einer so großen Anspannung, dass die körperliche und seelische Erschöpfung droht. Kommen dann noch berufliche Sorgen hinzu, wird die persönliche Krise akut.
Individuelle Unterstützung ist nötig
Bei fast allen Burnout-Gefährdeten und -Geschädigten "hat die Überlastung auch private oder persönliche Gründe", betont denn auch Präventionsexperte Schönberger und nennt mehrere Beispiele. Eine Controllerin bei einem Mobilfunkunternehmen leidet seit Jahren unter Schlafstörungen, auch weil sie nicht den gewünschten Lebenspartner findet. Oder der Vertriebs-Manager und Vater zweier Kinder, der meist nur am Wochenende zu Hause ist, weshalb es in seiner Ehe kriselt. Oder die Lehrerin, deren Mutter einen Schlaganfall erlitt und nun einer intensiven Pflege bedarf. Oder der Investmentbanker, der aus Karrieregründen in London arbeitet, sich aber in der Großstadt nicht zu Hause fühlt und in seinem Beruf keine Erfüllung findet. Bei all diesen Betroffenen hat die Überforderung sowohl berufliche als auch auch private Ursachen.
- Zielsicher in die Katastrophe
Viele Menschen steuern - bewusst oder weniger bewußt - über Jahre hinweg zielsicher auf den Burnout zu. Werden konsequent die häufigsten 13 Fehler gemacht, ist früher oder später der Burnout garantiert! - Allzeit bereit!
Bei Ihrem Job werden "flexible" Arbeitszeiten und Überstunden als selbstverständlich erwartet, auch Reisetätigkeiten, wechselnde Arbeitsplätze, internationale Zusammenarbeit über mehrere Zeitzonen hinweg und Erreichbarkeit 24 Stunden an sieben Tagen per Blackberry, Handy & Co. - Brennen für den Job
Ihre Tätigkeit begeistert Sie, Überstunden stören Sie nicht. Sie stehen für Flexibilität, Schnelligkeit und höchste Qualitätsansprüche. Das Team, der Chef, der Auftraggeber und alle anderen können sich stets auf Sie verlassen. Sie sind ehrgeizig, der nächste Schritt zum Projekt-Manager, Team- oder Abteilungsleiter winkt und fordert vollen Einsatz auf gleichbleibend hohem Niveau. Brennen Sie für Ihre Aufgaben, das Projekt, Ihr Team, Ihr Unternehmen - bis Sie ausgebrannt sind. - Entspannen? Was ist das?
Signale wie anhaltende Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Leistungsabfall, Schlafstörungen sowie die Unfähigkeit abzuschalten und aufzutanken, ignorieren Sie. Bedienen Sie sich bei auftretenden Zipperlein großzügig an Produkten der Pharmaindustrie. - Nur nicht wütend werden
Kümmern Sie sich auf keinen Fall um Ihre Gefühle. Wut, Ärger, Ängste, das Gefühl von Überforderung oder ständiger Gehetztheit ignorieren Sie, ebenso wie das Schwinden Ihrer Lebensfreude, zunehmende Teilnahmslosigkeit, Sinn- und Lustlosigkeit und Depressionen. Bei zunehmendem Leeregefühl lösen Sie sich von der Idee, dass Arbeit Sie innerlich erfüllen könnte. - Immer schön fleißig sein!
Ineffektiv verbrachte Arbeitszeit kompensieren Sie mit Mehrarbeit. Das vertreibt auch die Langeweile am Wochenende und im Urlaub. Sind Sie Freiberufler, verzichten Sie ganz auf Urlaub. Sie müssen die Aufträge abarbeiten, oder das Geld reicht nicht. Machen Sie möglichst mehrere Dinge gleichzeitig, um Zeit zu sparen. Sagen Sie "Ja" zu jeder neuen Aufgabe. - Verzweifelt? Sie doch nicht!
Machen Sie sich unentbehrlich. Auch wenn es unmöglich ist und Sie der Verzweiflung nah sind, versuchen Sie, möglichst alle Erwartungen von Teamkollegen, Auftraggebern, internen und externen Projektmitarbeitern, Vorgesetzten und Ihrer Familie und Freunde zu erfüllen. Am besten übertreffen Sie noch deren Erwartungen. - Warnsignale?
Verwerfen Sie sämtliche Warnungen, Vorhaltungen, Vorwürfe, Bitten und Sorgen von Ihrer/m Partner/in, Angehörigen oder Kollegen. Ihre Ausreden sollten wasserdicht sein: "Nach diesem Projekt wird alles besser" oder "nur noch dieser Fall". Oder: "Die Umstände/der Vorgesetzte/der Auftraggeber zwingen mich dazu, ich habe keine Wahl." - Im Hamsterrad
Hämmern Sie sich und anderen ein, es geht nicht anders, in Ihrem Job jedenfalls nicht. Wenden Sie sich dennoch auf Drängen anderer an eine professionelle Beratung, werden Sie es sicher verstehen, die Sinnlosigkeit dieser Maßnahme unter Beweis zu stellen. - Nur nicht drüber reden!
Gehen Sie auf Distanz zu Menschen, zu denen erstaunlicherweise noch Kontakt besteht. Als Eigenbrötler können Sie leichter die Fassade wahren. Sagen Sie niemandem, wie es Ihnen geht. Gemeinsame Mittags- und Kaffeepausen mit Kollegen sind zeitlich unmöglich, die Zeit mit der Familie wird immer knapper. - Jede Minute zählt - zum Arbeiten.
Streichen Sie sämtliche Hobbys einschließlich sportlicher Betätigungen. Falls Sie doch noch ein Privatleben haben, gestalten Sie die Terminplanung zwischen ihm und dem Job noch engmaschiger, nutzen Sie jede freie Minute. - Gesund leben? Maßlos überschätzt!
Gesundes Essen wird als Zeitkiller abgeschafft zugunsten von Fast Food und belegten Semmeln. Damit Sie überhaupt entspannen und von Ängsten und anderen unangenehmen Gefühlen abschalten können, gönnen Sie sich regelmäßig abends etwas Alkoholisches. - Perfektion, Perfektion, Perfektion
Seien Sie nie zufrieden mit Ihren Ergebnissen, auch wenn andere begeistert sind. Sie sind Ihr strengster Kritiker. Weniger als perfekt kommt für Sie nicht in Frage. Stecken Sie sich zusätzliche Ziele. Erlernen Sie eine Fremdsprache, machen Sie eine berufsbegleitende Ausbildung und laufen Sie Marathon. - Probleme? Ach was!
Lösen Sie keine Konflikte und Probleme grundlegend. Schieben Sie alles vor sich her, damit der Berg von Unerledigtem immer höher wird. - Ein Ausstieg ist möglich!
Falls Sie sich in unserem Text zu stark wiedererkennen, steiegen Sie aus! Je früher, desto besser. Gehen Sie zum Arzt, ändern Sie Ihre Lebensweise, solange es noch früh genug ist. Das raten Ihnen Ruth Hellmich, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin von CoachingTraining.
Diesen Zusammenhang haben viele Unternehmen erkannt. Deshalb bieten sie ihren Mitarbeitern ein immer breiteres Spektrum an Unterstützungsmaßnahmen an, um ihr Leben in Balance zu halten. Und viele machen sich auch gezielt Gedanken, wie sie ihre Mitarbeiter entlasten können - zum Beispiel, wenn ein Elternteil zum Betreuungs- oder Pflegefall wird. So existiert bei Schwäbisch Hall eine betriebliche Regelung, dass Mitarbeiter in solchen Situationen eine Auszeit von zwei Jahren und länger nehmen können.
Widerstandskraft stärken
Im Weiterbildungsprogramm stehen neben den bei Großunternehmen üblichen Stress-Management-Seminaren auch zahlreiche Angebote, die darauf abzielen, die Resilienz, also Widerstandskraft, der Mitarbeiter zu stärken - und diese dafür zu sensibilisieren, wann ein "Gefordert-sein" in ein "Überfordert-sein" umschlägt.
Fakt ist also: Zumindest in den meisten Großunternehmen tut sich etwas. Sie entwickeln stets ausgefeiltere Unterstützungs- und Präventionsprogramme, auch weil sie wissen: In den kommenden Jahren wird es für uns - aufgrund des Fachkräftemangels - immer schwieriger werden, qualifizierte Arbeitskräfte, die ausfallen, zu ersetzen. Die Nutznießer dieser Unterstützungsmaßnahmen sind denn auch weitgehend die gut und sehr gut qualifizierten Mitarbeiter, die die Unternehmen zu ihren Kernmannschaften zählen.