Workshops bleiben wichtig
Diese Einschätzung teilt Kerstin Stengel, seit Jahren Marketing-Leiterin des E-Learning-Anbieters Skillsoft. Hatte das Unternehmen zuvor selbst kleinere Wettbewerber geschluckt, übernahmen im Jahr 2010 Investoren bei ihrem Arbeitgeber das Ruder. "Kleinere Anbieter", sagt Stengel, "haben vielleicht noch Kunden in ihrer Region zu betreuen. Auf Dauer können sie aber nicht mithalten und werden vom Markt verschwinden." Verdrängungswettbewerb, Preisverfall, neue Lernmethoden und Unternehmen, die von der Weiterbildung erwarten, dass sie ohne Zeitverlust auf die Bedürfnisse ihrer IT-Kräfte zugeschnittene Inhalte liefern können - diese Trends prägen den Markt. "Schulungsanbieter, die dem Kundenwunsch nach größtmöglicher Flexibilität nicht entsprechen, setzen ihre Existenz aufs Spiel", ist Schmid überzeugt.
So könne man zum Beispiel zum online vermittelten Wissen im direkten Austausch auf Implementierungsaspekte und Prozesse eingehen - etwa während eines Rollouts, meint Informatik-Akademie-Chef Rabe: "Von der Gruppendynamik der Teilnehmer gehen wichtige Impulse für den Lernerfolg aus." Das Training müsse sich noch stärker auf den Anwendungsbedarf einstellen. Das bedeutet, Präsenztraining mit Online-Elementen zu kombinieren. Gerhard Wächter, Vorstand des führenden Anbieters im deutschen Markt für IT-Trainings Integrata, hält denn diese Form zur Wissensvermittlung für die "tragfähigste Lösung".
Den Markt für reines E-Learning schätzt das Essener MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung auf knapp 350 Millionen Euro Umsatz. Der Zuwachs von rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr ist vor allem sogenannten Webinaren geschuldet, die man im Netz absolvieren kann. Ein Webinar, erläutert Karsten Starker, Geschäftsführer der Cert Board GmbH in Limburg, die solche Seminare anbietet, leiste mehr als E-Learning, zumal der Austausch mit dem Dozenten etwa über eine Chat-Funktion möglich sei.
Freilich wird das Lernpotenzial auch mit dieser Methode nicht hinreichend ausgeschöpft. "Körpersprache, Mimik und sich in die Augen schauen können", gibt Starker zu, "das können Webinare noch nicht abbilden." Peter Littig, pädagogischer Leiter der Dekra-Akademie, erinnert daran, dass noch vor wenigen Jahren bis zu 80 Prozent aller E-Learning-Prozesse abgebrochen wurden. Selbst Lutz Goertz, Leiter der Abteilung Bildungsforschung beim MMB-Institut, räumt ein, dass es sich lohne, Mitarbeiter auf ein Präsenzseminar zu schicken, sofern ein Thema grundsätzlich neu zu lernen ist. Soll ein IT-Mitarbeiter am Arbeitsplatz von hinzugezogenen Experten fit gemacht werden, sei auch dies ein Markt, "den E-Learning nicht ersetzen kann". Und auch Rabe gibt zu, dass für manche Lerninhalte, etwa wenn IT und Fachabteilung lernen müssen, besser miteinander umzugehen, Präsenztrainings einen unschlagbaren Vorteil haben.
Virtueller Austausch als Lernform
Ausschließlich produktorientierte Weiterbildungen der Industrie werden indes nicht erfolgreich sein. Zwar ist es deren primäres und auch verständliches Ziel, ihre Software zu verkaufen. Dass Mitarbeiter aber das erworbene Wissen im Betrieb umsetzen können, dafür bürgen sie nicht. Ebenso wenig geeignet sind Trainings, die sozialen Kontakt und zum Lernen anspornende Diskussionen mit anderen Teilnehmern ausschließen. Solch ein Austausch ist virtuell möglich und wird daher erwartet. IT-Fachkräfte sind daran gewöhnt, sich untereinander in Communities auszutauschen und sich mit einem Trainer abzustimmen.
Erfolg im IT-Weiterbildungsmarkt tritt laut Andreas Vollmar, pädagogischer Leiter der Studiengemeinschaft Darmstadt, dann ein, wenn der Schulungsanbieter drei Bedingungen erfüllt: die Wahl der richtigen Medien, etwa eine App fürs mobile Lernen, die nachgewiesene Qualität der Inhalte, zum Beispiel eine ISO-Zertifizierung. Und schließlich muss der Service stimmen. "Das Lernergebnis hängt von der persönlichen Betreuung des Teilnehmers ab. Sie macht den Unterschied."
Trainings-Outsourcing funktioniert
Die Zukunft der IT-Weiterbildung hat Unternehmer Scholtissek klar vor Augen. Anbieter müssten sich noch stärker darauf einstellen, was der Kunde tatsächlich braucht. "Dort, wo man präzise ermittelt, was Mitarbeiter schon können und zusätzlich können sollen, wird auch das meiste Geld in Trainings investiert." Auch Integrata-Boss Wächter erwartet, dass der Aufwand für die Analyse zunehmen wird, was einzelne Mitarbeiter können müssen und wie es um die Kompetenz ganzer Unternehmensbereiche bestellt ist. Auf dieser Basis allein könne man überhaupt Trainings entwickeln.
"Wir haben zu wenig Zeit, um sie mit der Wiederholung von bereits Gelerntem zu verschwenden", gibt Wächter zu bedenken. Im Schlepptau der erweiterten Trainingsphilosophie entwickelt sich zudem ein zusätzliches Geschäftsfeld: Managed Training Services. Gemeint ist die Auslagerung von Teilen oder der gesamten betrieblichen Weiterbildung an externe Dienstleister. Wie es heißt, entfällt bereits fast jeder dritte Euro vom Integrata-Umsatz aufs Outsourcing. (hk)