Lift & Shift als Übergangslösung?
Aus diesem Grund entscheiden sich viele Betriebe, lieber erst einmal ein "Lift & Shift" zu unternehmen. Henning von Kielpinski, Vice President Geschäftsentwicklung und Allianzen bei der Münchner ConSol Software GmbH, spricht hier von einem Ansatz, bei dem "ein System mit minimalem Aufwand in eine abgekapselte Umgebung, beispielsweise einePublic Cloud, verschoben wird".
ConSol habe diesen Schritt oft übersehen und stattdessen gleich komplexe Lösungen wie Microservices promoted, räumte von Kielpinski ein; das allerdings nicht grundlos: Bei Lift & Shift werden die Applikationen gar nicht erst angefasst; die "Altlast" wird einfach über den Zaun geworfen, die Verantwortung dafür teilweise dem Cloud-Betreiber überlassen.
Das kann keine Dauerlösung sein, findet der ConSol-Manager: "Für eine wirkliche Modernisierung muss man irgendwann das Messer nehmen und die Systeme zerschneiden, um zu verstehen, wie sie funktionieren." Die IT-Industrie bietet dafür auch schon Hilfestellung an, beispielsweise in Form der Container-Technik, die als legitime Nachfolgerin der Virtualisierung gilt.
Ab in die Cloud: Wann der Hybrid-Gedanke Erfolg verspricht
Container erlauben es, eine Anwendung auf unterschiedliche technische Plattformen aufzuteilen - einschließlich allerCloud-Varianten. Nicht nur Microservices werden häufig von Dritten in der Cloud bereitgestellt. Immer öfter lagern die Unternehmen auch ihre selbstentwickelten Anwendungen ganz oder teilweise in fremdbetriebene Umgebungen aus.
Allerdings scheuen sich viele noch, die unternehmenskritischen Bestandteile ihrer IT-Landschaft ebenfalls auszulagern. Sie führen gern Sicherheitsbedenken oder regulatorische Beschränkungen ins Feld. Die schleppende Akzeptanz der "Deutschen Cloud legt allerdings den Verdacht nahe, dass dieses Argument nur vorgeschoben ist.
Wie dem auch sei: Teile ihrer Systeme behalten die Unternehmen lieber bei sich. Im Ergebnis haben sie dann oft eine "hybride Umgebung". Grundsätzlich bewerten die Roundtable-Teilnehmer diesen Trend als vielversprechend. Von Kielpinski hält allerdings nichts davon, ihn überzustrapazieren: "Manches geht einfach nicht hybrid, und wenn sich der Gedanke nicht von selbst aufdrängt, bringt es nichts, das mit Gewalt zu versuchen."
Neuentwicklung ist wieder en vogue
Das Pendant zu den integrierten Services bildet auf der Development-Seite eine standardisierte Entwicklungsumgebung, die unterschiedliche Programmiersprachen abdeckt. Die Entwickler können also in ihrer gewohnten Umgebung oder auch mit neuen, "agilen" Methoden arbeiten, entwickeln aber gegen eine standardisierte Schnittstelle und im Rahmen eines für alle verbindlichen Makroprozesses.
"Wir brauchen eine durchgängige Entwicklungsumgebung und zugehörige Prozesse, die unabhängig von der Programmiersprache sind", fordert Daniela Schilling, Geschäftsführerin der Delta Software Technology GmbH. Dazu müssten auch langjährige Entwickler noch einmal einen neuen Prozess erlernen. Aber das sollte kein Problem sein, wenn der Prozess sauber definiert und mit intensiver Schulung vermittelt wird.
Im Rahmen einer neuen Entwicklungsumgebung lassen sich auch Strukturen schaffen, bei denen die Anwendungserstellung Hand in Hand mit dem IT-Betrieb arbeitet. Solche "DevOps"-Systeme empfehlen sich vor allem für Applikationen, die quasi "im Flug" änderbar sein müssen.
Allein diese Diskussion belegt: Die Neuentwicklung veralteter Applikationen oder auch die eigenhändige Ergänzung durch neue Anwendungssysteme ist kein Tabu-Thema - nicht nur da, wo der Markt noch keine passenden Angebote bereitstellt oder beispielweise die Wartung für eine Komponente ausläuft. "IT wird eben nicht mehr nur als lästiger Kosten-, sondern als Wettbewerbsfaktor gesehen", warf Tilkov in die Runde, "deshalb entwickeln die Unternehmen heute wieder vermehrt selbst."