Unwahre Aussagen in Arbeitszeugnissen
Ein Sonderproblem stellen bereits vom ehemaligen Arbeitgeber übertrieben positive Darstellungen im Arbeitszeugnis dar. Zwar steht es dem Aussteller frei, das Arbeitsengagement wohlwollend schriftlich zu fixieren. Wenn dabei aber bewusst die Unwahrheit verbreitet wird, kann dies für ihn ernste Folgen haben und Schadensersatzansprüche des neuen Arbeitgebers gegenüber dem vormaligen Arbeitgeber begründen.
Den Zeugnisaussteller trifft nämlich eine Wahrheitspflicht, die sich aus der Doppelfunktion des Arbeitszeugnisses ergibt. Das Zeugnis stellt nicht lediglich eine Bewerbungsunterlage für ausscheidende Mitarbeiter dar, sondern es ist auch eine Unterrichtung künftiger Arbeitgeber. Die Wahrheitspflicht ist nicht erst dann verletzt, wenn eine unwahre Tatsache verbreitet wird, sondern kann bereits dann betroffen sein, wenn relevante Tatsachen nicht erwähnt werden. Das ist insbesondere relevant bei unerwähnt gebliebenen schweren dienstlichen Verfehlungen des Arbeitnehmers.
- Die größten Zeugnismängel
Neun Mängel sind es, die Kritiker der üblichen Arbeitszeugnisse vorbringen: - 1. Angaben fehlen: beredtes Schweigen
Arbeitnehmer die eine prägnante Lücke in ihrem Zeugnis entdecken, haben gute Chancen auf eine Ergänzung. - 2. Lob unglaubwürdig: Gefälligkeitszeugnis
Ein vor Lob überschäumendes Einser-Zeugnis ist keinesfalls eine Garantie für optimale Erfolgschancen bei einer Neubewerbung - jedenfalls nicht, wenn sich die Lobeselogen allzu auffällig als Teil eines Gefälligkeitszeugnisses entpuppen. - 3. Zeugnissprache unprofessionell: Eigenentwurf
Wenn Arbeitgeber den Eigenentwurf eines Arbeitnehmers akzeptieren und unterzeichnen, wollen sie - wie auch beim Gefälligkeitszeugnis - eine Kündigung möglichst konfliktfrei und versöhnlich gestalten. Die Chance, einen Eigenentwurf einzureichen, sollten Sie unbedingt nutzen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten; die Fehlermöglichkeiten in Eigenentwürfen sind unbegrenzt! - 4. Missverständliche Textbausteine: uneinheitliche Bedeutung
Zeugnisfachbücher oder Zeugniserstellungs-Software bieten einen ganzen Katalog hilfreicher Textbausteine. Auf der sicheren Seite ist man damit trotzdem nicht, denn die Autoren wenden sehr unterschiedliche Maßstäbe an. - 5. Nachträgliche Änderungen: Widersprüche
Wenn sich Arbeitnehmer nachträglich für eine Aufwertung ihres Zeugnisses einsetzen, gehen ihnen oft wichtige Passagen durch die Lappen. - 6. Versteckte Kritik: Verschlüsselungen
Verschlüsselungstechniken erlauben es dem Zeugnisaussteller, negative Urteile zwischen den Zeilen zu äußern, ohne dass sie für den ungeübten Leser erkennbar sind. - 7. Persönliche Note fehlt: geringe Wertschätzung
In einem sehr guten Zeugnis sprechen die Erfolge für sich selbst. Konkrete Beispiele können daher die Glaubwürdigkeit eines Zeugnisses unterstreichen und ihm eine persönliche Note geben. Fehlen diese Beispiele, mangelt es entweder an Erfolgen oder an Wertschätzung. - 8. Schlechter Eindruck: Stil- und Rechtschreibfehler
Rechtschreibfehler, Tippfehler und stilistische Mängel sind pures Gift für das Zeugnis. Dabei kann sich der Zeugnisempfänger nicht darauf berufen, dass die Fehler jemand anderes gemacht hat. Schließlich hätte er diese Mängel bemerken und reklamieren müssen. - 9. Mängel nicht beseitigt: nachlässiger Bewerber
Wer sich in ungekündigter Stellung erfolgreich neu bewirbt, misst seinem Zeugnis keine entscheidende Bedeutung zu. Die Quittung kommt erst bei der übernächsten Neubewerbung - dann können unvorteilhafte Zeugnisaussagen zu einem echten Problem werden.
Kündigung und Anfechtung
Wer sich von einem Bewerber hat täuschen lassen und diesen anschließend als Arbeitgeber beschäftigt, kann ihn kündigen. Da eine Kündigung nur ab dem Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit gilt, kann der bereits ausgezahlte Lohn nicht zurückgefordert werden. Eine Anfechtung dagegen wird rückwirkend zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirksam, beseitigt die ursprüngliche vertragliche Grundlage, wodurch grundsätzlich die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind (§812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB).
Grundsätzlich ist eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1, Alt. 1 BGB möglich. Jedoch ergibt sich im arbeitsrechtlichen Umfeld die Problematik, dass sich die Rückabwicklung von bereits erbrachten Arbeitsleistungen schwierig bis unmöglich darstellt. Daher wird zumeist eine Anfechtung lediglich die gleiche Wirkung entfalten wie eine Kündigung und das bereits ausgezahlte Gehalt oftmals verloren sein.
Um solche schwierigen Situationen zu vermeiden, sollten sich Arbeitgeber umfassend über die vorhandenen Qualifikationen und Eignungen des Bewerbers informieren und sich nicht von einem makellos erscheinenden Lebenslauf blenden lassen. (oe)
Kontakt:
Thomas Feil ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht/Arbeitsrecht und Lehrbeauftragter der Fachhochschule Hannover.
Tel.: 0511 473906-01, E-Mail: feil@recht-freundlich.de, Internet:
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Kontakt:
Alexander Fiedler ist Dipl.-Jur. und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover.
E-Mail: fiedler@iri.uni-hannover.de, Internet:
www.iri.uni-hannover.de