Personaler, schaut hinter die Fassade!

Lassen Sie sich von Bewerbern nicht anlügen

28.07.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Unwahre Aussagen in Arbeitszeugnissen

Ein Sonderproblem stellen bereits vom ehemaligen Arbeitgeber übertrieben positive Darstellungen im Arbeitszeugnis dar. Zwar steht es dem Aussteller frei, das Arbeitsengagement wohlwollend schriftlich zu fixieren. Wenn dabei aber bewusst die Unwahrheit verbreitet wird, kann dies für ihn ernste Folgen haben und Schadensersatzansprüche des neuen Arbeitgebers gegenüber dem vormaligen Arbeitgeber begründen.

Den Zeugnisaussteller trifft nämlich eine Wahrheitspflicht, die sich aus der Doppelfunktion des Arbeitszeugnisses ergibt. Das Zeugnis stellt nicht lediglich eine Bewerbungsunterlage für ausscheidende Mitarbeiter dar, sondern es ist auch eine Unterrichtung künftiger Arbeitgeber. Die Wahrheitspflicht ist nicht erst dann verletzt, wenn eine unwahre Tatsache verbreitet wird, sondern kann bereits dann betroffen sein, wenn relevante Tatsachen nicht erwähnt werden. Das ist insbesondere relevant bei unerwähnt gebliebenen schweren dienstlichen Verfehlungen des Arbeitnehmers.

Kündigung und Anfechtung

Wer sich von einem Bewerber hat täuschen lassen und diesen anschließend als Arbeitgeber beschäftigt, kann ihn kündigen. Da eine Kündigung nur ab dem Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit gilt, kann der bereits ausgezahlte Lohn nicht zurückgefordert werden. Eine Anfechtung dagegen wird rückwirkend zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirksam, beseitigt die ursprüngliche vertragliche Grundlage, wodurch grundsätzlich die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind (§812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB).

Grundsätzlich ist eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1, Alt. 1 BGB möglich. Jedoch ergibt sich im arbeitsrechtlichen Umfeld die Problematik, dass sich die Rückabwicklung von bereits erbrachten Arbeitsleistungen schwierig bis unmöglich darstellt. Daher wird zumeist eine Anfechtung lediglich die gleiche Wirkung entfalten wie eine Kündigung und das bereits ausgezahlte Gehalt oftmals verloren sein.

Um solche schwierigen Situationen zu vermeiden, sollten sich Arbeitgeber umfassend über die vorhandenen Qualifikationen und Eignungen des Bewerbers informieren und sich nicht von einem makellos erscheinenden Lebenslauf blenden lassen. (oe)

Kontakt:

Thomas Feil ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht/Arbeitsrecht und Lehrbeauftragter der Fachhochschule Hannover.
Tel.: 0511 473906-01, E-Mail: feil@recht-freundlich.de, Internet: www.recht-freundlich.de

Kontakt:

Alexander Fiedler ist Dipl.-Jur. und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover.
E-Mail: fiedler@iri.uni-hannover.de, Internet: www.iri.uni-hannover.de