Wie ändert sich im Zuge des digitalen Transformationsprozesses und im Rahmen der KI-Einführung die Arbeit der Mitarbeiter?
Jan Brecht: Einige Tätigkeiten werden in Zukunft sicher immer stärker an KI-Anwendungen übertragen werden können, zum Beispiel repetitive Handlungen oder Tätigkeiten, die mit Mustererkennung zusammenhängen, aber das ist etwas Positives. Denn das bedeutet, dass Freiräume für strategisches oder kreatives Arbeiten geöffnet werden. So, wie die Automatisierung und die Einführung von Produktionsrobotern die Art, wie Autos produziert werden, verändert hat, wird auch KI einige Veränderungen bringen. Aber letztendlich gilt dies für jedes neue Werkzeug, was seit der Erfindung des Automobils Einzug in das Unternehmen gehalten hat.
Produktive KI-Nutzung
Wenn wir über die Qualifizierung der Mitarbeiter reden, stellt sich natürlich die Frage, wie weit Mercedes-Benz bei der Nutzung von generativer KI bereits fortgeschritten ist?
Jan Brecht: In der Tat sind wir an einigen Stellen wirklich produktiv mit generativer KI unterwegs und sprechen nicht nur von Piloten. Seit Mai setzen wir etwa GitHub Copilot in der Softwareentwicklung ein. Dort verzeichnen wir einen signifikanten Effizienzgewinn.
Zudem nutzen wir generative KI im Kundenumfeld. In Großbritannien ging etwa ein intelligenter Virtual Assistant live, mit dem der Kunde auf der Webseite interagieren kann. Er ist in der Lage, konkrete Antworten auf Fragen zu Betriebsanleitungen und Fahrzeuginformationen zu geben.
Und lassen Sie mich nur noch ein drittes Beispiel nennen, auch wenn es noch viel mehr Anwendungen gibt. In unserem digitalen Ökosystem der Produktion MO360 hilft uns eine generative KI bei der Analyse und Aufbereitung der Daten. Mit Hilfe eines Large Language Modells (LLMs) liegen die Daten beziehungsweise Datenmuster so vor, dass sie nicht mehr nur von Spezialisten mit Hilfe hochspezialisierter Database-Queries abgefragt werden können, sondern jetzt auch Produktionsmitarbeitende per natürlicher Sprache. Momentan testen wir das anhand von ChatGPT über Microsoft. Letztlich beschleunigt KI eine "Demokratisierung der Datennutzung".
Man kann sich KI wie einen Booster bei einer Rakete vorstellen, der noch einmal ordentlich Schub gibt.
KI als Booster
Wo liegt für Sie der Unterschied zwischen KI und klassischen Machine-Learning-Systemen, über die wir viel im Zusammenhang mit Industrie 4.0 diskutiert haben?
Jan Brecht: Für mich gibt es drei große Schritte, die bei dieser Entwicklung zu berücksichtigen sind.
Ende der 80er Jahre wurde die berühmte Back Propagation als Grundlage des Machine Learnings veröffentlicht. Das war die Theorie, die aber noch nicht richtig mit Leben erfüllt wurde.
Das geschah dann in den 2000er Jahren, als endlich genügend und bezahlbare Rechenleistung zur Verfügung stand. Aber es blieb ein Thema für wenige hochspezialisierte Data Specialists.
Und jetzt, im dritten Schritt, sehen wir mit den Large Language Models (LLMs), allen voran ChatGPT, die bereits angesprochene "Demokratisierung der Daten". Wir können Daten durch natürliche, umgangssprachliche Prompts nutzen - egal ob im Auto oder im Unternehmen.