Vivian Pein liest kaum noch Zeitung. Sie besitzt weder Fernseher noch Radio. Zum Frühstück klickt sie sich am Laptop durch die Nachrichten, hört über Online-Plattformen wie last.fm ihre bevorzugte Musik und schaut nebenbei auf Facebook, was ihre Freunde aus aller Welt so treiben. Zeit und Ort spielen in ihrer Welt der Kommunikation nicht mehr die gewohnte Rolle. Seit einigen Wochen arbeitet die 28-Jährige als Community-Management-Consultant in Shanghai. Dort hilft die erfahrene Netzwerkerin dem Startup The Netcircle, eine Social-Media-Strategie zu entwickeln und das Community- Management aufzubauen. Über ihren Blog können Freunde an Peins Leben in China teilhaben.
Obwohl sie ihren eigenen Computer erst mit zwölf Jahren bekommen hat, spiegelt sich in Vivian Peins Leben vieles von dem wider, was diverse Studien über die unter 30-Jährigen herausgefunden haben. Unabhängig davon, ob man die neue Generation nun Digital Natives, Millennials oder Generation Y nennt, gleichen sich die Erkenntnisse: Der Nachwuchs tickt anders und will auch anders arbeiten.
Die Kinder des Wandels
Mit Internet und Mobiltelefon aufgewachsen und gewohnt, rund um die Uhr Zugang zu Informationen zu haben, ist es für ihn selbstverständlich, auch im Unternehmen auf neueste Technologien zugreifen zu können. So erwartet mehr als jeder Zweite, dass der Arbeitgeber Handy, Laptop und ein Smartphone zur Verfügung stellt. Zu diesem Ergebnis kommt der US-Konzern Johnson Controls in einer weltweiten Befragung von 3500 Teilnehmern zwischen 18 und 25 Jahren. Eine aktuelle CW-Studie über die Generation Y finden Sie hier.
Die Mitarbeiter mit neuester Technik auszustatten ist eine Forderung, die Unternehmen noch vergleichsweise einfach erfüllen können - vorausgesetzt, sie haben die nötigen finanziellen Mittel, um in die Geräte zu investieren. Doch die anderen Forderungen des Nachwuchses setzen ein Umdenken der Arbeitgeber voraus, von dem bisher wenig zu spüren ist. Die Schweizer Management-Beraterin Betty Zucker, die sich schon seit Jahren mit der Generation Y auseinandersetzt, beschreibt den Nachwuchs so: "Sie sind Kinder einer Zeit, deren Zeitgeist Flexibilität zum Lifestyle, aber auch zur Überlebensnotwendigkeit kürte. Sie sind in der Regel flexibel und kennen nichts anderes als den Wandel. Wandel heißt für sie auch Weiterentwicklung, Stabilität oft Stillstand, und das wollen die meisten nicht."
Darum erwarten sie auch mehr Flexibilität im Beruf: Sie wollen keinen Nine-to-Five-Job, sondern arbeiten, wie es ihrem persönlichen Rhythmus am besten entspricht. Sie definieren sich weniger über Hierarchiestufen als über ihre Aufgaben; diese sollen ihnen Sinn, aber auch stetige Abwechslung und Spaß bringen. Sie wollen sich nicht in ein Büro sperren lassen, sondern auch mal von zu Hause oder der Parkbank aus arbeiten. Sie wollen eine Arbeit, die ihnen Freiraum lässt, um sich weiterzubilden. Hierarchien schrecken sie ab, von Führungskräften erwarten sie schnelles und direktes Feedback sowie Anerkennung für ihre Leistung. Die Liste der Forderungen ist lang und erscheint teilweise unrealistisch. Dennoch müssen sich Unternehmen mit diesen Ansprüchen auseinandersetzen, um im Wettbewerb um gut ausgebildete Nachwuchskräfte mitmischen und die Mitarbeiter auch länger an sich binden zu können. Einige Firmen haben damit schon angefangen.
Flexibles Arbeiten. Vivian Pein wünscht sich ein Arbeitsumfeld, "in dem ich nach der Leistung, die ich erbringe, bewertet werde und nicht nach der Zeit, die ich absitze". Flexible Arbeitszeiten sind der Community-Expertin genauso wichtig wie die Möglichkeit, auch mal von zu Hause aus zu arbeiten, "ohne dass man schief angeguckt wird". Auf manche Aufgaben könne man sich im Home Office einfach besser konzentrieren als im Büro, wo man ständig von Kollegen unterbrochen werde. Christopher Blum, 21 Jahre alt und Web-Entwickler beim Business-Netzwerk Xing, kommen flexible Arbeitszeiten schon deshalb entgegen, weil er gern ausschläft: "Die Generation Y ist wohl eine Langschläfergeneration. Etliche fangen hier später an, besonders in meiner Abteilung. Wenn wir es mit dem Chef absprechen, können wir auch von daheim aus arbeiten." Zehn Prozent seiner Arbeitszeit kann Blum zudem für eigene Projekte nutzen, etwa um eine Firefox-Erweiterung zu programmieren.
- Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?
neue Antworten auf diese Frage suchten 28 Absolventen aus aller Welt in Berlin. Sechs Wochen lang dauerte der Workshop "Palomar 5". Foto: Palomar 5/ Carolin Seeliger - Sie haben Palomar 5 organisiert:
Philippa Pauen, Dominik Wind, Jonathan Imme, Hans Raffauf, Simon Wind, Mathias Holzmann (von links nach rechts) - 600 Menschen aus aller Welt haben sich beworben....
....28 Absolventen, die unter anderem an Eliteuniversitäten in Harvard, Oxford oder Princeton studierten, wurden schließlich nach Berlin eingeladen. Foto: Carolin Seeliger - Denken ohne Grenzen
Sechs Wochen lebten die Kreativen in einer alten Berliner Malzfabrik und entwarfen Konzepte für ein neues Arbeiten. Foto: Norbert Ittermann - Nur der Schlafplatz war begrenzt.
Jeder Teilnehmer musste sich in einer drei Quadratmeter großen Koje aus Spanbretter betten. Foto: Norbert Ittermann - Ansonsten boten die einstigen Fabrikräume...
viel Platz für die Suche nach Ideen. Foto: Norbert Ittermann - Teamarbeit ohne Grenzen...
...ist für die jungen Generation ganz wichtig. Im Workshop praktizierte sie sie auch täglich.Foto: Norbert Ittermann - Rückzugsorte...
...fanden sich natürlich trotzdem. Foto: Carolin Seeliger - Achtung Auftritt..
..hieß es beim Abschlussgipfel, als alle Teams ihre Ideen präsentierten. Darunter ein mobiles Holodeck für mehr Entspannung im Arbeitsalltag (The Egg). Foto: Carolin Seeliger - 300 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur.
..hörten sich die Ideen der jungen Wilden an, die anders arbeiten wollen. Ohne Hierarchien, ohne feste Arbeitszeiten und nicht in Konzernen. Foto: Carolin Seeliger