Ein Auto macht nur dann Freude, wenn man es auch fahren kann - und nicht jeder ist dafür geboren, am Steuer eines Sportwagens zu sitzen. Beruhigend ist es außerdem für jeden Autofahrer, eine gute Werkstatt in der Nähe zu wissen. Diese Bilder bleiben hängen, wenn man mit Mathieu Poujol über den Markt für IT Service Management (ITSM) spricht. Er war früher Middleware-Experte bei Sitsi (PAC) und ist nun Vice-Président Security, Cloud & Infrastructure bei der teknowlogy Group in Köln.
"Man sollte sich bewusst machen, dass das ITSM-Tool erst einmal nicht wichtig ist", erläutert Poujol. "Wichtig sind die Hände, die damit umgehen." Das ratsame Vorgehen bei der ITSM-Auswahl bringt der Experte in diese Reihenfolge: Erstens Klarheit über den konkreten eigenen Bedarf gewinnen, zweitens den benötigten Support sicherstellen, drittens erst die Auswahl des optimalen Tools. Die Bedeutung des Supports betont Poujol immer wieder - im obigen Bild ist es, logisch, die Werkstatt.
Support geht vor Tool-Features
Für Anwender in Deutschland kann das konkret zum Beispiel das bedeuten: Ein Anbieter wie Cherwell Software, der im März 2021 von Ivanti übernommen wurde, bietet zweifelsohne hervorragende ITSM-Tools an. Cherwell Software sitzt aber in Colorado Springs, kümmert sich primär um den amerikanischen Markt und könnte deshalb für einen deutschen Anwender zu schwer zu greifen sein. Das alles wiederum schließt überhaupt nicht aus, dass gerade Cherwell für das ein oder andere Unternehmen hierzulande das optimale Paket im Angebot hat.
Das hat mit der enormen Vielfalt des Marktes für ITSM zu tun, und damit, dass der unter Punkt Eins angeführte eigene Bedarf alleine schon das ist, was Theodor Fontane als "weites Feld" bezeichnete. Wie prägend sind die eigenen IT-Legacy-Anwendungen? Wie wichtig ist ITIL im eigenen Unternehmen bereits geworden? Wie umfassend und schnell strebt man in die Cloud? Wie stark hängt man an spezifischen Branchenumständen? Das sind nur einige der Fragen, die Poujol in diesem Zusammenhang aufwirft. Dazu kommt die Mammutaufgabe, vor der viele Unternehmen seit dem Beginn der Corona-Pandemie stehen: Sie mussten von heute auf morgen einen großen Teil der Büroangestellten zur Arbeit im Homeoffice befähigen.
- Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail
Wenn ein IT-Services-Management umgesetzt werden soll, kommt es immer wieder zu denselben Schwierigkeiten. Wie lassen sie sich umgehen oder beseitigen? - 1. Aufgelaufene Kosten sind kein Argument
Wenn Entscheidungen zum weiteren Verlauf eines Projekts anstehen, werden die bereits investierten Kosten gern als Argument genannt. Das ist nicht zielführend. Es gilt, an den entscheidenden Stellen des Projekts einen zukunftsbezogenen Business Case zu erstellen. - 2. Kein Projekt ohne ausreichende Ressourcen
Nicht nur ITSM-Vorhaben werden häufig ad hoc gestartet. Das heißt: Es sind noch keine ausreichenden Ressourcen verfügbar. Das liegt oft daran, dass die Berechtigungen zur Ausgabe des Projektmandats überhaupt unklar sind. Abhilfe kann die Einführung eines Projekt-Management-Prozesses schaffen. Dabei sollte unbedingt eine Zuständigkeitsmatrix erstellt werden. Sie gibt an, welche "Rollen" einen Projektauftrag erteilen können - und zwar differenziert nach Projektgröße und -typ. - 3. Grundverständnis geht vor Lösungsansatz
Bei der Projektplanung wird zu schnell über konkrete Lösungsansätze und dafür erforderliche Aktivitäten gesprochen - ohne dass ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der genauen Ziele besteht. Die Projektplanung sollte konsequent auf die zu liefernden Ergebnisse ausgerichtet sein. Dabei sind diese Ergebnisse möglichst exakt und in einer messbaren Kategorie zu beschreiben (Spezifikation des Ergebnisses, Form, Umfang, Qualität etc.). - 4. Besser Kanban als Bildschirm oder Beamer
Umfangreiche Projektpläne lassen sich nicht am Bildschirm oder über Beamer visualisieren. Stattdessen ist es sinnvoll, die Kanban-Methode zu nutzen. Das heißt: Visualisierung auf großen Wänden und Verwendung von Karten für die einzelnen Tasks. Das hilft, komplexe Zusammenhänge für alle Beteiligten auf den unterschiedlichen Hierarchiestufen darzustellen. - 5. Jeder muss seine Rolle im Projekt kennen
Viele Ansprechpartner sind sich ihrer Rolle in den Projekten nicht bewusst. Sie sollten aktiv in die Vorhaben eingebunden werden - über Use-Case-Definitionen und die gemeinsame Entwicklung eines Kommunikationsplans. - 6. Der Informationsfluss darf nicht stocken
Zu Projektbeginn ist das Team meist relativ gut informiert. Aber mit zunehmender Dauer sowie außerhalb des eigentlichen Projekts fehlt es häufig an Informationen. Um dem abzuhelfen, ist es sinnvoll, zu Projektbeginn eine Stakeholder-Analyse zu erstellen, aus der sich Form und Umfang der nötigen Informationen ableiten lassen. Dort kann auch definiert werden, wie die Akteure eingebunden werden sollen. Auf dieser Basis lässt sich ein Stakeholder-spezifisches Kommunikationskonzept aufsetzen. - 7. Wenn der Fachbereich keinen Input liefert
Immer wieder krankt ein Projekt auch daran, dass der vereinbarte Input aus den Fachabteilungen ausbleibt. Da helfen zwei Maßnahmen. Zum einen müssen eindeutige Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Zum anderen muss den Fachbereichen, auch durch Visualisierung über den Produktstrukturplan, eindrücklich klargemacht werden, wie abhängig das Gesamtprojekt von ihrem Input ist und welche Folgen die ausbleibende Lieferung hat. - 8. Es geht einfach nicht ohne formale Anträge
eue Projekte und Serviceänderungen werden "on the fly" und ohne Spezifikationen direkt an einen Mitarbeiter der IT geleitet. Was ist dagegen zu tun? Es muss ein strukturiertes Verfahren zur Projektantragsstellung und -freigabe etabliert werden, verbunden mit der Definition von Verantwortlichkeiten zur Steuerung dieses Prozesses - beispielsweise durch einen IT-Koordinator. - 9. Arbeitspakete beugen Verzögerungen vor
Mit den Kunden sind klare Termine vereinbart, die aber werden immerzu verschoben. Das schreit nach einem Workshop zur Definition der Arbeitspakete mit Abschätzung der Dauer durch Experten. Dabei ist eine genaue Priorisierung vorzunehmen, der Abstimmungsprozess zu überdenken und der Dokumentationsbedarf zu klären. - 10. Alle müssen den Status des Projekts kennen
Während des Projekts ist häufig unbekannt, wo es eigentlich gerade steht. Damit alle Bescheid wissen, empfehlen sich eine kleine Website sowie ein Newsletter mit Reporting. Auf diese Weise kann jeder Stakeholder die Statusinformationen jederzeit abrufen.
Ein weites Feld also. Das scheint unerlässlich vorauszuschicken, wenn im Folgenden eine sehr kleine Auswahl der aktuell wichtigsten ITSM-Tools vorgestellt werden soll. Bei diesem Unterfangen landet man vielleicht zwangsläufig in brennenden Nesseln. Die Reaktionen auf einen äußerst kenntnisreichen COMPUTERWOCHE-Artikel, der die besten Werkzeuge vorstellte, waren jedenfalls teilweise giftig. "Da gibt es Tools, die deutlich mehr können und ebenso verbreitet sind, aber hier nicht auftauchen!", schrieb ein User. Ein anderer bemerkte: "Eine Menge Anbieter, die Analysten und Tool-Experten in ähnlichen Studien zum Thema als relevant vorstellen, fehlen in der vorliegenden Übersicht völlig." Die Kritik der Leser ist vollauf berechtigt, aber diese Mängel erscheinen in diesem weiten Feld unvermeidbar - das sollte das obige Beispiel Cherwell illustrieren.
Der Bedarf an fortgeschrittenen Tools fürs IT Service Support Management (ITSSM) wird mit zunehmender Reife der IT-Abteilungen augenscheinlich, sind etwa die Analysten von Gartner überzeugt. Noch sei die Nachfrage nach Basis-Tools aber signifikant. Deshalb empfehle man - also die Marktforscher - ausdrücklich auch die Evaluierung guter Anbieter abseits des selbst erstellten Quadranten. Auch Gartner sichert sich also gegen die Fährnisse des ITSM-Dschungels ab - abgesehen vom eigenwilligen Etikett ITSSM, das im Kern durchaus den herkömmlichen ITSM-Markt bezeichnet.
Im Folgenden finden Sie eine Auswahl der wichtigsten Tools. Ergänzend werden auch Bewertungen von Forrester Research zum ITSM-Segment Software-as-a-Service (SaaS) zu Rate gezogen. Die Cloud ist im Übrigen sowieso ein Indikator für den höchst unterschiedlichen Charakter der einzelnen Lösungen. Mathieu Poujol etwa bezeichnet IBM als den Rolls Royce unter den ITSM-Anbietern - umfassendes Angebot, hohe Qualität, aber einen Teil des hohen Preise zahle man eben auch für die Marke. ServiceNow hingegen sei sehr stark besonders im Cloud-Segment - eine Art Sherpa, der einen nicht durch den Himalaya, sondern sicher in die Wolke führe.
- IBM SmartCloud
IBM SmartCloud Control Desk kombiniert Asset- und Service Management-Angebote, die Firmen das Management von Services ermöglichen, die über IT- und Nicht-IT-Anlagen geliefert werden. - HP Service Manager/Service Anywhere
Bei HP ist das IT Service Management eine Komponente eines integrierten Service & Portfolio Management. Dieses umfasst den gesamten Service-Lifecycle, vom Konfigurationsmanagement über Service Management, Projekt- und Portfoliomanagement bis hin zum Software-Asset-Management. - BMC Remedy ITSM
BMC Remedy ITSM ist in der Cloud ebenso wie als Lizenzsoftware verfügbar und richtet sich an Organisationen mit überdurchschnittlichem IT-Reifegrad. Für weniger Reife und manchmal auch kleinere Kunden gibt es die On-Premise-Lösung BMC Footprints und das auf Salesforce.com aufsetzende SaaS-Modell BMC Remedyforce. - ServiceNow
Der Überflieger: Obwohl schon viele Jahre am Markt, kommt die ITSM-Suite von ServiceNow erst jetzt so richtig auf. In der jüngsten Version stechen vor allem Features für Entscheider hervor - eine Visualisierungs-Funktion, die Investment-Entscheidungen aus allen Geschäftsbereichen priorisiert in einer Timeline darstellt. - Ivanti Service Desk/Fuse
Ivanti bietet mit "Fuse" als Teil der Total User Management Suite ein benutzerfreundliches Self Service-Portal an, das die Kluft zwischen IT und Usern überbrücken soll. Mit Hilfe des Portals könne die IT der Belegschaft unmittelbaren Zugriff auf Anwendungen, Helpdesk und weitere IT-Services anbieten. - TOPdesk
Der niederländische Anbieter TOPdesk bietet ein vollständig webbasiertes Einsteiger-ITSM-Tool gleichen Namens. Die Lösung lässt sich aber nur schwer mit einem breiten Satz an IT Operations Management-Funktionalitäten integrieren. - Efecte
Sicht auf die Benutzeroberfläche der Incident Management-Komponente des ITSM-Angebots von Efecte. - IBM SmartCloud
IBM SmartCloud Control Desk kombiniert Asset- und Service Management-Angebote, die Firmen das Management von Services ermöglichen, die über IT- und Nicht-IT-Anlagen geliefert werden. - HP Service Manager/Service Anywhere
Bei HP ist das IT Service Management eine Komponente eines integrierten Service & Portfolio Management. Dieses umfasst den gesamten Service-Lifecycle, vom Konfigurationsmanagement über Service Management, Projekt- und Portfoliomanagement bis hin zum Software-Asset-Management. - BMC Remedy ITSM
BMC Remedy ITSM ist in der Cloud ebenso wie als Lizenzsoftware verfügbar und richtet sich an Organisationen mit überdurchschnittlichem IT-Reifegrad. Für weniger Reife und manchmal auch kleinere Kunden gibt es die On-Premise-Lösung BMC Footprints und das auf Salesforce.com aufsetzende SaaS-Modell BMC Remedyforce. - ServiceNow
Der Überflieger: Obwohl schon viele Jahre am Markt, kommt die ITSM-Suite von ServiceNow erst jetzt so richtig auf. In der jüngsten Version stechen vor allem Features für Entscheider hervor - eine Visualisierungs-Funktion, die Investment-Entscheidungen aus allen Geschäftsbereichen priorisiert in einer Timeline darstellt. - Ivanti Service Desk/Fuse
Ivanti bietet mit "Fuse" als Teil der Total User Management Suite ein benutzerfreundliches Self Service-Portal an, das die Kluft zwischen IT und Usern überbrücken soll. Mit Hilfe des Portals könne die IT der Belegschaft unmittelbaren Zugriff auf Anwendungen, Helpdesk und weitere IT-Services anbieten. - TOPdesk
Der niederländische Anbieter TOPdesk bietet ein vollständig webbasiertes Einsteiger-ITSM-Tool gleichen Namens. Die Lösung lässt sich aber nur schwer mit einem breiten Satz an IT Operations Management-Funktionalitäten integrieren. - Efecte
Sicht auf die Benutzeroberfläche der Incident Management-Komponente des ITSM-Angebots von Efecte.
Lokalisierung unterschätzt
Poujol unterteilt den Markt in Schwergewichte, die ob ihrer Wucht tendenziell Best-in-Class-Ansprüche befriedigen: IBM, BMC Software und CA Technologies, das 2018 von Broadcom übernommen wurde, waren frher die wichtigsten Anbieter. Gartner ordnet in seinem im Oktober 2022 veröffentlichten Magic Quadrant ServiceNow, BMC, Atlassian sowie Ivanti in die höchste Kategorie der Marktführer ein; Cherwell taucht in der Übersicht gar nicht mehr auf, während Freshworks und ManageEngine als Herausforderer und EasyVista, Micro Focus, IFS und SysAid als Nischen-Player eingestuft werden.
Von ITSM zu ESM
Im Februar 2021 hat Research in Action (RIA) eine Studie zum ITSM-Markt veröffentlicht, die unter anderem beim Anbieter Efecte nach einer kurzen Registrierung kostenlos heruntergeladen werden kann. Für die Untersuchung wurden mehr als 10.000 IT- und Business-Führungskräfte befragt, um Einblicke in ihre Planungen, Investitionen und aktuelle Herausforderungen zu erhalten. 750 von ihnen stammen aus Deutschland. Wie die Marktforscher in ihrer Analyse schreiben, sehen sie seit Jahren eine Evolution vom ITSM hin zum Enterprise Service Management (ESM), da viele Unternehmen ihre Prozess-Modellierungsfähigkeiten zunehmend auf andere Geschäftsprozesse anwenden wollen.
Bei Großunternehmen in Deutschland sei diese Transformation zu ESM bereits bei 70 Prozent der Befragten abgeschlossen. Im Mittelstand sei das nur bei 42 Prozent jetzt beziehungsweise in den kommenden zwölf Monaten der Fall, schreibt Thomas Mendel, Geschäftsführer von Research in Motion. In einer Matrix zeigt er, welche ITSM- und ESM-Anbieter zu den "Marktführern" gehören. Aktuell sind es Serviceware, Omninet, Matrix42, Micro Focus, Efecte, Freshworks, Servicenow sowie Kyberna. Als "Herausforderer" stuft Mendel die Unternehmen Microsoft, IET Solutions, Manageengine sowie mehrere Open-Source-Lösungen ein. Dazu kommen als "Umsetzungsführer" Realtech, BMC und Deskcenter.
Auf den folgenden Seiten stellen wir eine Auswahl bedeutender ITSM-Tools ausführlich vor.