Green Deal braucht bessere Energiebilanz
Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Digitales in der europäischen Gemeinschaft, hatte im Dezember 2019 auf den enormen Energieverbrauch des Internets und die Folgen für den Klimawandel hingewiesen. Gerade mit Blick auf das Ziel, bis 2050 vollständige Klimaneutralität auf dem Kontinent zu erreichen, sei dies eine große Herausforderung. "Wir müssen also mit dem Green Deal Technologien entwickeln, um den Energieverbrauch zu minimieren und die Energieeffizienz zu verbessern", sagte die dänische Politikerin.
Gleichzeitig betonte Vestager allerdings, dass man den Kampf gegen den Klimawandel wohl nicht ohne die Hilfe der Digitalisierung gewinnen könne. Tatsächlich versprechen digitale Techniken wie Big Data und künstliche Intelligenz, dabei zu helfen, die großen Probleme unserer Zeit zu lösen – auch in Sachen Schutz der Umwelt. Beispielsweise lassen sich mit Hilfe der Digitalisierung Prozesse effizienter gestalten und der Ressourcenverbrauch in der Produktion verringern. IT hilft dabei, Logistikketten zu optimieren und damit den Kraftstoffverbrauch zu senken. Eine intelligente Supply Chain und Lagerhaltung sorgen dafür, dass weniger Lebensmittel als Abfall entsorgt werden müssen.
Auch die Agrarbranche ist ein gutes Beispiel dafür, wie IT-Technik ein nachhaltigeres Wirtschaften unterstützt. Mit Drohnen und intelligenten Bilderkennungs- und -auswertungsverfahren lassen sich beispielsweise Erkenntnisse über die Bodenbeschaffenheit und die potenziellen Erträge gewinnen. Landwirte können mit diesen Daten auf den Quadratmeter genau die dort benötigten Mengen an Dünger und Bewässerung errechnen und ausbringen. Das spart Ressourcen und schont die Umwelt.
Bei all den Effizienzgewinnen durch neue digitale Techniken dürfe man jedoch nicht die Gesamtbilanz aus den Augen verlieren, mahnt Borderstep-Forscher Hintemann. Als Beispiel nennt er vernetzte Geräte im Smart Home. So brächten vernetzte Heizkörperthermostate ein Einsparpotenzial bei den Energiekosten in Höhe von 20 bis 30 Prozent. Andererseits könnten Devices, die rund um die Uhr im Internet hingen und auf Meldungen warteten, die Stromrechnung auch deutlich in die Höhe treiben. Das führt Hintemann zufolge zu skurrilen Szenarien. So könnte eine intelligente Glühbirne mehr Energie für die Vernetzung benötigen als für das Licht, das sie erzeugt. Borderstep schätzt, dass es 2025 rund 1,7 Milliarden vernetzte Devices in Europa geben wird. Den durch die Vernetzung anfallenden Mehrbedarf an Energie taxieren die Forscher auf 70 Milliarden Kilowattstunden.
Klimakrise verschlimmbessert?
"Es kann auch technologische Antworten auf die Klimakrise geben – sofern nicht die IT mit ihrem enormen Energieverbrauch alles noch schlimmer macht", schrieb Ende Januar Christoph Meinel, Direktor am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, in einem Gastbeitrag für den "Spiegel". Die Annahme, nur weil die digitale Welt immateriell sei, sei sie auch klimaneutral, sei ein fataler Irrtum. Im Gegenteil: Mit all den zahllosen Rechnern und Geräten, den explodierenden Datenmengen und den immer weiter ausgreifenden Netzen sei der Energiebedarf immens.
Aber auch Meinel sieht die Chance, mit Hilfe der Digitalisierung Energie und Ressourcen einzusparen. "Wir werden auf sie also weder verzichten können noch wollen." Er plädiert dafür, die Anstrengungen in der Forschung drastisch zu verstärken, um digitale Techniken energieeffizienter und klimafreundlicher zu machen. Schließlich sei das in der Vergangenheit auch schon bei anderen Technologien gelungen. Meinel glaubt, dass sich mit Clean IT der Energie-Hunger der IT-Infrastrukturen um den Faktor 20 senken lässt.
Digitaltechnologien böten einen großen Hebel, müssten aber auch ihren Beitrag zur Schonung der natürlichen Ressourcen und zur Vermeidung von CO2 leisten, so Meinels Resümee. "Sonst schafft die Technik eines Tages mehr Probleme, als sie lösen kann."
Umweltsünde Elektroschrott
Neben dem Energieproblem hat die IT-Branche auch ein Müll-Problem. Rund 22,8 Millionen Smartphones wurden 2018 in Deutschland verkauft. Die Nutzungsdauer beträgt im Durchschnitt knapp zweieinhalb Jahre, haben Verbraucherschützer ermittelt. Dann werden die Geräte entsorgt oder landen in irgendeiner Schublade. Schätzungen zufolge schlummern etwa 124 Millionen Althandys in deutschen Haushalten. Bei einem Durchschnittsgewicht von 150 Gramm je Gerät ergibt das Müll mit einem Gewicht von 18.600 Tonnen – der im besten Fall irgendwann an regulären Sammelstellen oder im Handel abgegeben wird, oft aber einfach im Hausmüll landet.
2017 wurden in Deutschland fast 837.000 Tonnen Elektroschrott regulär eingesammelt – laut Umweltbundesamt eine Sammelquote von 45 Prozent. Seit Mitte 2016 gibt es hierzulande eine Rücknahmepflicht für bestimmte Händler. Außerdem können Geräte an kommunalen Sammelstellen wie zum Beispiel Wertstoffhöfen abgegeben werden. Damit will die Politik sicherstellen, das giftige Metalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber nicht frei in die Umwelt gelangen.
Allerdings monieren Umweltschützer, dass nach wie vor jedes Jahr hunderttausende Tonnen an Elektroschrott illegal auf riesigen Müllkippen in Ländern der dritten Welt landen. Das ist auch eine Verschwendung von Ressourcen: Gerade IT-Geräte enthalten wertvolle Metalle – eine Tonne Handys etwa 250 Gramm Gold. Das wären 4,65 Tonnen, die in deutschen Schubladen lagern.