Der Große Preis von Big Data 2015

IT in der Formel 1

19.11.2015
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Elmar Brümmer, Jahrgang 1963, schreibt am liebsten über das, was ihn bewegt: Menschen und Motoren. Seit zwei Jahrzehnten daher vor allem über Motorsport, vorzugsweise in Form von Reportagen, Portraits und Features, mit Vorliebe über Themen der Rennstrecke hinausreichend.  Seine Reportagen erscheinen in großen Tageszeitungen und Magazinen – zudem ist er Autor zahlreicher Bücher, zuletzt „Schön. Schnell. – Frauen und die Formel 1".

Microsoft, Prozessor-Power & Datenschutz

Der Siegeszug der IT in der Formel 1 nimmt während der ersten Turbo-Ära Anfang der 1980er Jahre ihren Lauf. Mit den immer feineren Abstimmungen für die Motoren rücken die Elektroniker - im Fahrerlager gerne "sparkys" genannt - auf die Pole Position. Perfektioniert wird das Zusammenspiel von dröhnenden Motoren und Informationstechnik dann über die Jahrtausendwende hinweg von zwei Deutschen: Dr. Udo Zucker entwickelte bei der Robert Bosch GmbH ein neuartiges Motorsteuergerät für den McLaren MP4/2, der Niki Lauda in der Saison 1984 zum Weltmeistertitel führte. Auch 1985 und 1986 war der McLaren-Turbobolide mit dem Bosch-Steuergerät das F1-Weltmeisterauto, diesmal mit Alain Prost hinter dem Steuer. Dr. Dieter Gundel ist bereits seit dem Jahr 2000 beim Scuderia Ferrari F1-Team Herr über die Elektronik der Rennwagen. Die fünf Weltmeistertitel, die Michael Schumacher für Ferrari in den Jahren 2001 bis 2005 einfuhr, sind also auch den Leistungen des - auch als "Elektronik-Wunderhirn" bekannten - Gundel zuzuschreiben.

So wie sich die Formel 1 selbst stets am Limit bewegt, verhält es sich auch mit der IT. Deren Bedeutung für das Geschehen in der Königsklasse des Motorsports steigt stetig. Dreh- und Angelpunkt im Rennwagen selbst ist die zentrale Steuereinheit ECU (Electronic Control Unit) - auch als "black box" bekannt. Wie praktisch jede Software in der Formel 1 kommt auch die Basisversion der ECU von Microsoft. Diese wird von jedem Team individuell angepasst, beziehungsweise umgeschrieben. Die Leistungsfähigkeit der 15 integrierten Prozessoren liegt bei insgesamt 2000 MIPS, also 2 Milliarden Befehlen pro Sekunde.

Lewis Hamilton im Gespräch mit einem Mercedes-Ingenieur.
Lewis Hamilton im Gespräch mit einem Mercedes-Ingenieur.
Foto: Daimler AG

Im rasenden Daten-Zirkus, dessen aggregierte Datenmengen sich von Jahr zu Jahr vervielfachen, gilt eine der größten Sorgen natürlich dem Aspekt der Datensicherheit. Dabei spielt die Angst vor externen Angriffen, beispielsweise in Form von Cyberattacken, keine große Rolle. Aber die Konkurrenz: Nicht auszudenken, wenn dieser die gesammelten Erkenntnisse in die Hände fallen würden. Mehrere verschiedene Zugangscodes und verschachtelte Firewalls sichern die Datenschätze der Rennställe. Details zu den Sicherheitsvorkehrungen geben die Teams natürlich nicht preis. Sicher scheint jedoch, dass die einzig funktionierende Form der "Werksspionage" das Abwerben von IT-Experten ist - was deren Marktwert auch schon mal in den siebenstelligen (Gehalts-)Bereich katapultieren kann.

IT-Kosten in der Formel 1

Eine detaillierte Aufschlüsselung der IT-Kosten eines Formel-1-Rennstalls ist aufgrund der restriktiven Informationslage nur schwer möglich. Sie dürften allerdings rund ein Drittel des Jahresetats eines F1-Teams auffressen - der im Bereich zwischen 100 und 400 Millionen Euro liegt. Lohnend ist diese Investition dennoch, denn wie im "normalen" Unternehmensumfeld können effiziente IT-Lösungen auch in der Formel 1 für Kosteneinsparungen sorgen. Zum Beispiel, wenn es um Testfahrten geht. Jeder einzelne Testkilometer, der in einem Formel-1-Wagen zurückgelegt wird, kostet im Schnitt 1000 Euro. Computersimulationen auf Basis von Big Data können also bereits für erhebliche Einsparungen sorgen. Schon in der Konstruktionsphase eines F1-Rennwagens spart beispielsweise die digitale Erprobung mit der CAD-Technologie ("computer-aided design") Kosten. Die teure Arbeit im Windkanal lässt sich dank der CFD-Technologie ("computational fluid dynamics") ebenfalls drastisch verkürzen - schließlich schaffen es nur noch erfolgversprechende Modelle in den Windkanal.

Ein Sauber-Rennwagen wird in den Windkanal gehievt, um seine Aerodynamik auf den Prüfstand zu stellen.
Ein Sauber-Rennwagen wird in den Windkanal gehievt, um seine Aerodynamik auf den Prüfstand zu stellen.
Foto: Sauber Motorsport AG

Würde der Automobilweltverband FIA das Datenvolumen nicht auf ein Maximum von 40 Teraflops innerhalb von acht Wochen beschränken - die Simulationen würden deutlich mehr als die Hälfte der Team-Budgets verschlingen. In der Folge würde das irgendwann ein erschreckendes Endzeit-Szenario für Motorsport-Fans heraufbeschwören: Wer braucht noch richtige Rennen, wenn Simulationen ungefährlicher, kostengünstiger und effizienter sind? (fm)