ARI Fleet Management verwaltet zwischen Nordamerika und Europa 1,2 Millionen Dinge mit Rädern - von LKWs von Telefongesellschaften über Firmenwägen bis hin zu Schienenwartungsfahrzeugen der Eisenbahn. Die in den Fahrzeugen angebrachten Telematik-Sensoren erfassen Daten alle drei bis 30 Sekunden. "Alle zwei Wochen erhalten wir das Äquivalent aller Daten, die wir in den vergangenen 20 Jahren gesammelt haben", berichtet Bill Powell, Director Enterprise Architecture bei der Company aus Mt. Laurel, New Jersey.
Dabei handelt es sich um ein breites Spektrum an Informationen: ARI kann etwa anhand seiner gyroskopischen Sensoren erkennen, ob Fahrer nach einem Stopp einen Kavaliersstart machen oder voll in die Eisen steigen, die Informationen der Motorsensoren geben darüber Aufschluss, ob die Maschine zu lange im Leerlauf läuft.
Eine der faszinierendsten und granularsten Möglichkeiten mit all diesen Terabytes an Daten ist der Vergleich zwischen der Position, wo die Tankkarte eines Unternehmens genutzt wurde (basierend auf den Geodaten der Tankstelle) und dem Ort, wo sich das Fahrzeug zu dieser Zeit befand. Beträgt die Differenz mehr als sechs Meter, kann ARI beweisen, dass jemand die Karte genutzt hat, um ein nicht autorisiertes Fahrzeug vollzutanken.
IoT-Daten: Auf den Kontext kommt es an
Wie das Beispiel aufzeigt, geht es beim Internet of Things (IoT) nicht nur um Sensoren und Daten, sondern, in welchem Kontext man sie nutzt. Dies macht IoT zu einer Herausforderung für IT-Führungskräfte, die über ihr Fachgebiet hinausgeht und neben IT auch betriebliche Abläufe und Geschäftsprozesse umfasst.
Langjährigen IT-Fachleuten muss man verzeihen, wenn sie ihrer Skepsis gegenüber der Reife von IoT freien Lauf lassen. Über Jahre hinweg haben sie von Sensoren gelesen, mit deren Hilfe Verkaufsautomaten melden, dass sie voll sind (und daher nicht aufgefüllt werden müssen), oder von RFID-unterstützten Supermarkt-Regalen, die bei der Inventarisierung helfen. Dabei handelt es sich zweifelsohne um interessante Entwicklungen, aber nicht um die Art von Fortschritt mit dem Potenzial, ein Business von Grund auf zu transformieren.
Diese Entwicklung scheint nun endlich im vollen Gang zu sein: In ihrem Ausblick vom Mai 2016 prognostizierten die Marktforscher von IDC, dass die weltweiten Ausgaben für IoT bis 2020 auf 1,46 Billionen Dollar ansteigen - von 692,6 Milliarden Dollar in 2015. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 16.1 Prozent. Parallel dazu soll die Anzahl der installierten IoT-Endpunkte (also die "Dinge" oder Sensoren) von 12,1 Milliarden auf über 30 Milliarden in 2020 klettern.
Laut Matthew Littlefield, President und Chefanalyst bei LNS Research, der in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit der Manufacturing Enterprise Solutions Association jeweils IoT-Umfrage vorgenommen hat, gerät das Thema zunehmend ins Radar von Fertigungsunternehmen. Hatten 2015 noch 44 Prozent der Umfrageteilnehmer erklärt, sie würden sich mit IoT nicht auskennen, fiel diese Zahl in 2016 auf 19 Prozent.
Vier Lektionen von IoT-Veteranen
Die Computerworld sprach mit einer Reihe von IoT-Veteranen, Unternehmen aus verschiedenen Bereichen wie Fertigung, Logistics, Smart Cities und Landwirtschaft. Fast alle berichten von Stolpersteinen auf dem Weg, erklärten jedoch auch, dass sie deutliche Erfolge mit ihren IoT-Investitionen erzielt hätten oder zumindest erwarten. Hier vier Lektionen, auf die Sie gefasst sein sollten.
Lektion Nummer 1: Seien Sie bereit für eine Sintflut an Daten
Powell von ARI Fleet Management räumt ein, dass die von seiner Company genutzte Technologie noch vor fünf Jahren sehr unreif gewesen sei, und sich in einigen Fällen auf GPS-Daten beschränkt habe. "Ursprünglich waren es nur Brotkrumen", erklärt er, "wir konnten auf einer Karte die Bewegungen eines Fahrzeugs in den vergangenen fünf Tagen sehen. Doch jetzt, nachdem alle 30 Sekunden Daten gesammelt werden, ist die Menge mehr wie der Strahl aus einem Feuerhydranten."
Aus Powells Sicht sind Daten daher vielleicht das größte Problem, mit dem CIOs zu kämpfen haben. "Unterschätzen Sie nicht die Menge an Informationen", warnt er. "Manche Menschen denken, wenn sie sämtliche verfügbaren Informationen sammeln, haben sie die Erleuchtung für das Business. Das ist nicht der Fall. So kann man vielleicht mit einer geringeren Menge an Information verfahren. Versucht man dasselbe mit Telematikdaten, ertrinkt man darin." Sein entsprechender Tipp: Die Business-Logik so nahe wie möglich in Richtung Sensor bringen.
Jon Dunsdon, CTO bei GE Aviation, stimmt Powell zu. Sein Unternehmen kontrolliert seit 20 Jahren die Daten von Düsentriebwerken. "Eine der Herausforderung ist, dass nur wenige Flugzeuge kontinuierlich Daten senden. Man macht die Anfangsanalyse an Bord und dann nach dem Landen werden die Daten gesendet", erklärt er. Vor zehn Jahren seien das noch 3,2 Kilobyte an Informationen gewesen, heute gingen Hunderte von Megabytes ein, wenn das Flugzeug landet.
Zur gleichen Zeit, wie GE Aviation Informationen vom Flugzeug sammelt, trägt die Company auch andere Daten zusammen. Ziel ist es, den Kunden - dazu gehören United Airlines und Southwest Airlines - Mehrwert zu bieten. "Wir betrachten Dinge wie Planungsdaten, Wetterinformationen, Flugverbotszeiten etc.", so Dunsdone. "Welche Auswirkungen auf die Planung hat es, wenn es in Chicago stürmt? Wie lassen sich Kosten und das Ausmaß der Störungen reduzieren?" Dunsdon verwendet einen Data Lake, um die Menge an Analyse unterzubringen und die Performance zu erhöhen, und empfiehlt anderen IT-Entscheidern, dasselbe zu tun.
Der Chemiegigant BASF unterhält in Ludwigshafen zwei Milliarden-Euro-teure Produktionsanlagen, genannt Steamcracker, mit der Größe mehrerer Fußballfelder. In den Crackern wird Rohbenzin in kürzere Moleküle wie Ethylen oder Propylen, die Grundbausteine für die weitere Produktion sind, aufgespalten. Die Anlagen sind üblicherweise rund um die Uhr in Betrieb und der Konzern nutzt Sensoren, um die mehrere Millionen Euro pro Stunde teuren Ausfallzeiten zu berechnen.
Vor dem Einsatz dieser Sensoren sei BASF bestenfalls ein paar Stunden im Voraus vor einem möglichen Ausfall gewarnt worden, so Wiebe van der Horst, Senior Vice President Process & Enterprise Architecture bei BASF (und CIO des Jahres 2014), aber dies habe sich nun geändert. "Wir arbeiteten mit Hilfe von verschiedenen Algorithmen an künstlichen Modellen, um eine Wechselbeziehung zwischen der Aktivität der Maschine und ihre Wartungsdaten herzustellen", erklärt van der Horst. Nachdem die Daten mit SAP Hana analysiert wurden, kann BASF potenzielle Ausfallzeiten bereits einige Wochen im Voraus erkennen. "Das sind wertvolle Erkenntnisse für uns", so der BASF-Manager. "Wir nehmen die Ergebnisse und wenden sie in anderen Fabriken weltweit an."
Ohne die Möglichkeit, unstrukturierte und strukturierte Daten zu kombinieren, wäre das Projekt gar nicht möglich gewesen. Und damit nicht genug: "Vor nicht allzu langer Zeit wäre es wirtschaftlich nicht tragbar gewesen, diese Art von Berechnungen und Analysen vorzunehmen", erklärt van der Horst.