Irritierende Management-Wechsel
Hewlett-Packard steckt seit vielen Jahren in einem Abwärtstrend, und auch Whitman, die im Herbst 2011 das Ruder übernahm, konnte die Talfahrt nicht grundsätzlich stoppen. Probleme gab es schon unter Carly Fiorina, die das Unternehmen am 9. Februar 2005 nach Querelen mit dem Verwaltungsrat wegen der angeblichen Weitergabe vertraulicher Informationen an die Presse verlassen musste.
Ersetzt wurde sie durch Mark Hurd, der sich zuvor bei NCR als konsequenter Sanierer einen Namen gemacht hatte. Mit ihm trat vorübergehend eine Besserung ein - unter anderem, weil Hurd tiefe Einschnitte beim Personal vornahm. Hurd wurde wegen einer Spesenrechnungsaffäre mit einer dem Unternehmen verbundenen Geschäftspartnerin abgelöst, was die Verunsicherung bei Mitarbeitern und Kunden nicht eben verringerte. Ursprünglich waren ihm in dieser Causa sexuelle Belästigungen vorgeworfen worden - eine Anschuldigung, die interne Untersuchungen jedoch nicht bestätigten. Es blieb bei der zweifelhaften Spesenabrechnung.
Auch mit Hurds Nachfolger Léo Apotheker trat keine Besserung ein. Apotheker war im Februar 2010 als SAP-Chef von der grauen Eminenz Hasso Plattner zu Fall gebracht worden. Auch bei HP erlebte er als CEO keine glückliche Zeit. In seiner Ägide kam erstmals der Plan auf,
das PC-Geschäft zu verkaufen. Bei HP zeigten sich selbst Topmanager geschockt, darunter der Chef der PC-Sparte Todd Bradley. Den informierte Apotheker anlässlich eines Abendessens erst ganz kurz vor der Bekanntgabe seiner Pläne.
Das Für und Wider der Veräußerungsabsichten beschäftigte das Unternehmen über die Maßen. Es führte intern zu Grabenkämpfen und extern zu großen Verunsicherungen bei Partnern und Kunden. Der etwas irrlichternde Apotheker, der erst am 1. November 2010 den Chefposten bei HP angetreten hatte, musste bereits am 22. September 2011 wieder das Feld räumen und Platz für Meg Whitman machen.
- Die Story von Hewlett-Packard
Hewlett-Packard (HP) durchlebt seit drei, vier Jahren sehr stürmische Zeiten. Das liegt nicht nur an Verschiebungen auf dem Markt und starkem Wettbewerb, sondern auch an der Sprunghaftigkeit sowie Fehlentscheidungen im Topmanagement und in der Unternehmensstrategie. Allerdings hat der Konzern seit seiner Gründung bereits erfolgreich eine respektable Metamorphose durchgemacht. - 1939: In der Garage fing alles an
In der mittlerweile wohl berühmtesten Garage der Welt findet Hewlett-Packard 1939 seinen Anfang. Damals gründen Bill Hewlett und David Packard ihr Unternehmen und schrauben neben ihren eigentlichen Jobs in der Garage gleich auf dem Grundstück in Palo Alto, auf dem sie wohnen, einen Tongenerator zusammen. Sie legen damit unbewusst den Grundstein für das Silicon Valley, die vielbeachtete Hightech-Region in Kalifornien. - Die Walt Disney Studios zählen zu den ersten Kunden ...
... und kaufen gleich acht Oszillatoren HP200B, um ein innovatives Tonsystem für den Film "Fantasia" zu entwickeln. - 1957: Der Gang an die Börse mit Messtechnik
1951 erfindet HP mit dem 524A ein Hochgeschwindigkeits-Frequenzmessgerät. Damit ist technisch die Grundlage für das Analysegeschäft gelegt. Fünf Jahre später baut das Unternehmen sein erstes Oszilloskop. 1957 geht HP an die Börse. Eine Aktie kostet 16 Dollar. (In Frankfurt wurde die HP-Aktie am 30. April 2013 für knapp 15,50 Euro gehandelt.) - 1959: Produktion in Deutschland
Die erste Produktion außerhalb der USA baut HP 1959 in Deutschland auf. Hier hat das amerikanische Unternehmen die meisten Kunden im europäischen Geschäft. Die Standortentscheidung für Baden-Württemberg ist angeblich eine Entscheidung gegen Bayern: In München soll ein Ministeriumsvertreter bei Gesprächen mit Bill Hewlett die bayerische Lebensart mit deftiger Brotzeit und Bier allzu sehr gelobt haben. Der Amerikaner war aber mehr an Produktivität als an Lebensgenuss interessiert und entschied sich deshalb für das als tüchtig und arbeitsam geltende Schwaben. - 1962: Böblingen verantwortet das Softwaregeschäft
Der nächste Umzug steht im Jahr 1962 an: Über 150 Mitarbeiter ziehen in das HP-eigene Werk in der Herrenberger Straße, an der noch heute der Sitz der deutschen Tochter liegt. Im Jahr 1963 wächst die technologische Bedeutung der deutschen GmbH: Böblingen baut eine Entwicklungsabteilung auf. - 1966: Marktpremiere des ersten HP-Computers
1967 zeigt HP Deutschland, dass das Unternehmen nicht nur technologisch an der Spitze stehen will und führt als internationaler Vorreiter flexible Arbeitszeiten ein. Stechuhren haben ausgedient, auch in der Produktion. In den USA führt HP ein solches Arbeitszeitmodell erst sechs Jahre später ein. - 1972: Der Taschenrechner hält Einzug
Mit dem HP-35 bringt Hewlett-Packard 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner der Welt auf den Markt, zwei Jahre später kommt der erste programmierbare Taschenrechner dazu, der HP 65. - 1977: Miniaturisierung mit dem HP-01
n der Elektronik treibt HP die Miniaturisierung voran und bringt 1977 eine Art Personal Digital Assistant fürs Handgelenk heraus: Die HP-01 trägt sich wie eine Armbanduhr, zeigt aber nicht nur die Uhrzeit an, sondern dient auch als Taschenrechner und Kalender. - 1980: Der erste Personal Computer HP 85
Im Jahr 1980 bringt HP seinen ersten Personal Computer auf den Markt, den HP 85. Mit kleinem Bildschirm und schmalem Druckwerk erinnert er noch stark an eine Schreibmaschine. Für die deutsche Tochtergesellschaft gewinnt das Softwaregeschäft an Bedeutung: Die GmbH übernimmt die Verantwortung für Entwicklung und Vermarktung von Anwendungssoftware im CAD/CAM-Bereich und behält sie auch bis zur Abspaltung des Geschäftsbereichs im Jahr 2000. - 1988: Die fetten Druckerjahre kommen
Ab 1988 beliefert Hewlett Packard mit seinem Tintenstrahldrucker HP DeskJet den Massenmarkt, ab 1991 auch mit einem Farbdrucker, dem DeskJet HP 500C. - 1993: Jörg Menno Harms prägt HP Deutschland
Im Jahr 1993 übernimmt Jörg Menno Harms den Vorsitz in der Geschäftsführung der HP GmbH. Bis heute ist er dem Unternehmen verbunden und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats inne. Die ersten x86-Server von HP kommen unter dem Namen ProLiant auf den Markt. - 1998: Jordana - der erste PDA
Mit dem HP Jornada PDA baut Hewlett-Packard 1998 seinen ersten echten Personal Digital Assistant. - 2001: Fusion mit PC-Hersteller Compaq
Eine weitere Änderung äußert sich 2001 in der Gründung von HP Services. Der Computerhersteller will stärker auch mit Dienstleistungen Geld verdienen und bietet jetzt Consulting, Outsourcing, Support und Solution Deployment Services an. Das Internet und elektronische Dienstleistungen bilden den Kern der neuen HP-Strategie. Nach dem Abschluss der Übernahme von Compaq geht auch in Deutschland das neue Unternehmen HP am 3. Mai an den Start. - 2004: Geschäftsfeld IT-Services wird ausgebaut
Das Unternehmen erweitert sein Angebot für Privatanwender um digitale Unterhaltungstechnik vom Fotodrucker bis zum Personal Media Drive. Im selben Jahr macht HP einen großen Schritt in Richtung Dienstleister und schließt zum 1. April 2004 die Akquisition von Triaton ab, dem von ThyssenKrupp ausgegründeten IT-Dienstleister des Stahlkonzerns. - 2005: HP feuert Fiorina und holt Mark Hurd
Der Verwaltungsrat entlässt 2005 die Konzernchefin Carleton Fiorina. Ihr Compaq-Deal bleibt umstritten. Ihr Versuch, Konkurrenten wie Dell im unteren und IBM im oberen Leistungsbereich des IT-Geschäfts anzugreifen, gilt als wenig erfolgreich. Ihr Nachfolger wird Mark Hurd, Chef der NCR Corporation. - 2008: EDS-Übernahme macht HP zum Servicegiganten
Mit dem Zukauf von einer ganzen Reihe an Unternehmen will HP sein Geschäft in den Bereichen Software und Services stärken. 2008 übernimmt HP schließlich für 13,9 Milliarden Dollar den IT-Dienstleister EDS, nach der Compaq-Übernahme der zweitgrößte Deal der Unternehmensgeschichte. EDS beschäftigte damals knapp 120.000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 21,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. HP wird damit im Dienstleistungsgeschäft zu einem absoluten Schwergewicht mit 210.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Milliarden Dollar. - 2009: HP kauft den Networking-Spezialisten 3Com
Seine Netzwerkkompetenz baut HP schließlich 2009 durch die Akquisition der 3Com Corporation aus. In Deutschland übernimmt zum 50-jährigen Bestehen der HP GmbH Volker Smid den Vorsitz in der Geschäftsführung. Er leitet bis heute die Deutschland-Tochter. - 2011: eBay-Chefin Meg Whitman übernimmt das Ruder
Der Verwaltungsrat ist gegen Apotheker und holt eBay-Chefin Meg Whitman. Seit dem 22. September 2011 ist sie CEO von HP. Sie geht einen anderen Weg, sieht das Hardwaregeschäft als wichtiges Standbein. Mittlerweile hat sie HP einen harten Sparkurs verordnet. Die Geschäftszahlen für 2012 waren noch katastrophal: Bei einem Umsatz 120,4 Milliarden Dollar machte HP einen Verlust von 12,7 Milliarden Dollar. - 2013: Das PC-Geschäft bricht ein
Unter Whitman will HP wieder in die technologische Offensive gehen. Neue Produkte rund um Cloud Computing, Big Data und Analytics sollen helfen, das Runder herumzureißen. Sie sollen das wegbrechende PC-Geschäft kompensieren helfen. HP ist zwar noch Marktführer, doch die PC-Verkäufe sind im ersten Quartal 2013 um fast 24 Prozent abgesackt. - 2014: Die Aufspaltung kommt
Anfang Oktober 2014 nimmt der einstige Branchenprimus Anlauf für den finalen Befreiungsschlag: Bis November 2015 soll der Konzern durch einen Aktiensplitt aufgeteilt werden in HP Inc. als Anbieter von Personal Computern und Drucker sowie in Hewlett-Packard Enterprise (HPE) mit Unternehmenslösungen für Infrastruktur, Software und Services. - 2015: Neues Enterprise-Logo
Im April stellt Hewlett-Packard Enterprise sein neues Logo vor.
Marktentwicklung aus den Augen verloren
Es waren wohl auch die internen Unruhen, die dazu führten, dass HP die Entwicklungen am Markt aus den Augen verlor. Das Unternehmen verpasste sowohl im Cloud-Geschäft als auch bei den sich rasant verbreitenden Smartphones und Tablets den Anschluss. Dabei hatte HP auch in dieser schwierigen Zeit - ganz in der Tradition des Ingenieurbetriebs - interessante Technologiekonzepte in seinem Portfolio: Die Memristor-Speichertechnik etwa, die seit Jahren auf den digitalen Reißbrettern
entwickelt wurde, nähert sich der Marktreife. Entwicklungen im 3D-Druck-Segment liefen praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, obwohl sich HP hier Großes versprach. Nicht wenige erwarten heute, dass diese Saat in der neuen HP Inc. aufgehen könnte.
Nach wie vor einfallsreich
Dass HP auch im Client-Segment gute Einfälle hat, beweist zudem das "Sprout"-Konzept des ersten - laut HP-Werbung - "immersiven" PCs. Bei diesem Rechner wartet Hewlett-Packard mit einer besonders innovativen Benutzerschnittstelle auf. Hier kann der Benutzer nicht nur mit seinen Fingern den berührungsempfindlichen Monitor bedienen, sondern auch auf einer sogenannten Touch Mat arbeiten. Dies ist ein Bedienfeld anstelle einer herkömmlichen Tastatur. Auf diese Touch Mat können von einer über dem Display angebrachte.
3D-Kamera und Projektionsmaschine 2D- und 3D-Objekte eingescannt, auf die Touch Mat projiziert und dort bearbeitet werden. Ob sich dieses revolutionäre Konzept am Markt in gewinnbringenden Stückzahlen umsetzen lässt, wird sich allerdings erst noch zeigen müssen. Es beweist aber, dass HP als Entwicklungs- und Ingenieurfirma lebendig ist. Allerdings sind dies keine strategischen, sondern lediglich Einzelentwicklungen.