Am Fachkräftemangel scheiden sich die Geister. Die Unternehmen beklagen ihn - in der ITK-Branche sogar besonders laut. Laut aktuellem Stimmungsindex des Branchenverbands Bitkom leiden 60 Prozent der IT-Firmen darunter, dass es zu wenige Informatiker gibt. Auf der anderen Seite zweifeln Gewerkschaften und Wissenschaftler daran, ob der Mangel wirklich so akut ist, wie ihn die Industrie darstellt.
IG-Metall-Chef Berthold Huber machte auf der Global-Engineering-Konferenz in Essen auf angebliche Widersprüche aufmerksam: "Nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip müssten eine steigende Nachfrage und ein sinkendes Angebot zu höheren Preisen führen, aber bei Ingenieuren und IT-Spezialisten stiegen die Einkommen unterdurchschnittlich", so Huber. Laut Gehaltsstudie der IG Metall seien die IT-Gehälter von 2010 auf 2011 nur um 1,5 Prozent gewachsen.
- Was Chefs verdienen
Leiter der Softwareentwicklung machten mit 92.400 Euro Kasse und gehörten neben Vertriebs- und Marketing-Chefs zu den am besten bezahlten Führungskräften in der IT. - Gemischte Bilanz für Berater
Auch hier haben Berater, die in tarifgebundenen Firmen arbeiten, die besseren Karten: Ihre Gehälter stiegen um durchschnittlich 4,3 Prozent an, während die Unternehmen ohne Tarifvertrag um 2,2 Prozent weniger zahlten als noch 2008. In allen Unternehmen wurden vor allem die Junior Berater (41.400 Euro) und normalen Berater (53.000) besser vergütet. Damit hat sich auch der Abstand zum Beratungsleiter verkürzt, dessen Einkommen bei knapp 91.000 Euro stagnierte. 2008 verdiente ein Beratungsleiter noch mehr als doppelt so viel wie ein durchschnittlicher Consultant. - Hardwareentwicklung: Hier sitzen die Gewinner
Vor zwei Jahren machte die IG Metall in ihrer Analyse noch einen zweistelligen Einbruch der Gehälter fest. Seitdem geht es in der Hardwareentwicklung aufwärts: In diesem Jahr gab es mit durchschnittlich sechs Prozent mehr Gehalt das größte Plus, die Gruppenleiter in der Hardwareentwicklung konnten sich sogar über satte 16 Prozent mehr freuen und kommen jetzt durchschnittlich auf 74.000 Euro. Junior-Entwickler beginnen bei knapp 41.000 Euro und können sich dann auf 55.000 Euro ( Hardwareentwickler) beziehungsweise 62.000 Euro ( Senior Entwickler) hocharbeiten. - Call-Center-Agents werden variabel bezahlt
Auch im Call-Center hält die variable Vergütung Einzug. Selbst Mitarbeiter an der Info-Hotline, die nur 14.000 Euro im Jahr verdienen, haben einen variablen Gehaltsbestandteil. Ein Kundenbetreuer beginnt bei knapp 23.000 Euro und kann sich bis auf 36.000 Euro (Kundenbetreuer) beziehungsweise knapp 61.000 Euro (Senior Kundenbetreuer) steigern. - Supporttechniker gehören zu den Verlierern
Auf ein Gehaltsplus von elf Prozent im Jahr 2008 folgte 2009 die Ernüchterung. Die Gehälter der Kundendienstmitarbeiter sanken um 1,4 Prozent, die der Supporttechniker sogar um 7,4 Prozent. Letztere dürfen mit 50.500 Euro rechnen, Einsteiger müssen sich mit knapp 34.000 Euro im Jahr begnügen. Lediglich die Kundendienstleiter bilden eine Ausnahme: Sie verdienten mit knapp 76.000 Euro sogar acht Prozent mehr als 2008. - Womit Fachinformatiker rechnen können
Wer ein Informatikstudium abgeschlossen hat, kann derzeit mit einem Jahresgehalt zwischen 38.000 und 45 0000 Euro rechnen, je nach Art des Abschlusses (Bachelor oder Master), Größe der Firma und Standort. Verglichen damit sind Fachinformatiker und Informatikkaufleute gut bezahlt. Sie erwartet nach Abschluss der dreijährigen Lehrzeit ein Einstiegsgehalt von 36 000 Euro im Jahr, IT-System-Kaufleute liegen bei 33 000 Euro und IT-System-Elektroniker bei 30 000 Euro.
Noch im Juli 2011 waren dem Gewerkschafter zufolge immer noch über 10.000 Ingenieure und Techniker arbeitslos gemeldet. Huber konzedierte, dass es in manchen Regionen und Berufen einen gewissen Mangel an Fachkräften gebe, aber eben nicht flächendeckend. Vor allem große Unternehmen wie Siemens oder Audi erhielten reichlich Bewerbungen von Ingenieuren. Die Forderung des Bitkom, die Zuwanderung von Fachkräften aus dem nichteuropäischen Ausland zu fördern und das Mindesteinkommen für die ausländischen IT-Profis von 66.000 auf 40.000 Euro zu senken, lehnt die IG Metall ab. Dazu Huber: "Die Arbeit wird nicht besser, wenn die Leute weniger verdienen." Die Engpässe auf dem IT-Arbeitsmarkt lassen sich nach Hubers Ansicht auch anders beheben: Zum einen sollten Unternehmen mehr Ausbildungsplätze schaffen und die eigenen Mitarbeiter weiterqualifizieren. Zum anderen sollten sie älteren und erwerbslosen IT-Spezialisten, aber auch Frauen bessere Chancen bieten.