Welchen Stellenwert die Smart Country Convention genießt, war auf einen Blick zu erkennen. Mehr als 15.000 Teilnehmer nahmen an dem Event teil, der vom 7. bis 9. November in Berlin stattfand. Darunter befand sich auch viel Polit-Prominenz wie Nancy Faeser, Cem Özdemir, Marco Buschmann und Klara Geywitz. Dass in Behörden und Unternehmen kein Weg mehr an der Digitalisierung vorbeiführt, scheint mittlerweile allen Verantwortlichen klar zu sein.
Eines der wichtigsten Themen auf der Smart Country Convention war die Digitale Souveränität, beziehungsweise die Frage, wie der öffentliche Sektor diese erzielen kann. Besonders viel Interesse zog dabei das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) auf sich, das sich auf dem Kongress erstmals einem breiten Publikum vorstellte. Die Gründung des neuen Zentrums geht auf einen Beschluss von Bund, Ländern und Kommunen zurück, die das Angebot sowie die Verwendung von Open-Source-Software in der Öffentlichen Verwaltung als Alternative zu den proprietären Lösungen von Microsoft und anderen Konzernen deutlich ausbauen wollen.
Ziel von ZenDiS ist es, in einer ersten Ausbaustufe, als zentrales Kompetenz- und Servicezentrum die öffentliche Hand und das Open-Source-Ökosystem zu verbinden. Das soll unter anderem dazu führen, dass die bereits bestehenden Open-Source-Lösungen leichter genutzt werden können sowie weitere Angebote hinzukommen.
"Die öffentliche Verwaltung soll frei zwischen IT-Lösungen, IT-Komponenten und Anbietern wählen können", erklärt ZenDiS-Geschäftsführer Andreas Reckert-Lodde. "Um diesen Weg für die öffentliche Hand zu erleichtern, begleiten wir den Wechsel hin zu Open-Source-Lösungen mit einem umfassenden Beratungs- und Serviceangebot." Reckert-Lodde zufolge reicht die Spanne dabei von der Bedarfsanalyse über die Beschaffung und Implementierung bis hin zu Personalschulungen.
Bundes-CIO will einseitige Abhängigkeiten reduzieren
Um Abhängigkeiten zu verhindern, liegt der Fokus auf Modularität, Austauschbarkeit und Interoperabilität. "Das Entscheidende ist, dass wir uns unabhängiger aufstellen und gleichzeitig viele Akteure mit einbeziehen", betonte Markus Richter, Staatssekretär und CIO des Bundes, bei der Vorstellung von ZenDiS auf der Smart Country Convention. Die wichtigste Säule sei dabei Open Source.
Zudem verwies Richter darauf, dass ZenDiS auch in anderen Ländern bereits auf großes Interesse stößt. Neben einer engen Kooperation zwischen den Bundesländern wird deshalb bereits an der Zusammenarbeit mit anderen Ländern wie Frankreich und Österreich gearbeitet.
Hier könne Deutschland sich als Front-Runner etablieren, so der Bundes-CIO. "Mit ZenDiS sind wir jetzt wesentliche Schritte vorangegangen. Wir haben zum Beispiel konkrete Produkte wie OpenDesk. Das ist ein ganz wichtiges Projekt, bei dem es darum geht, dass wir einseitige Abhängigkeiten reduzieren", erklärte Richter. "Ich finde es großartig, dass wir jetzt da stehen, wo wir sind."
Einheitliche und bedarfsgerechte Lösung
Aufgebaut und geleitet wird ZenDiS von Reckert-Lodde, der eine ambitionierte Agenda verfolgt. Die Zentrale am Standort Bochum soll in den nächsten Monaten stark wachsen. Und das Interesse ist groß. So sind bereits jetzt über 210 Bewerbungen eingegangen. Und auch die Bundesländer sehen das große Potenzial von ZenDiS.
"Alle Bundesländer haben grundsätzlich Interesse geäußert, Gesellschafter des ZenDiS zu werden", freut sich der ZenDiS-Geschäftsführer. Das gemeinsame Ziel sei es, verwaltungsübergreifend zu agieren. "Wir leiden derzeit noch daran, dass wir viele Verwaltungssilos haben", weiß Reckert-Lodde. Um dies zu ändern, wolle man bewusst mit Open-Source-Herstellern entwickeln. Mit dem Projekt OpenCode wurde bereits eine entsprechende Open-Source-Plattform aufgesetzt.
Neu und dennoch erprobt
Auf der anderen Seite gibt es mit OpenDesk nun einen modularen Arbeitsplatz, der wie bei den proprietären Lösungen der IT-Konzerne die notwendigen Basisfunktionen für den Arbeitsalltag in der Verwaltung abdeckt. Einer der großen Unterschiede ist jedoch, dass die einzelnen Komponenten etwa für die Cloud-Speicherung, Video-Konferenzen oder E-Mails und Kontakte von verschiedenen Open-Source-Lösungsanbietern wie Nextcloud, Jitsi und Open-Xchange stammen und bei Bedarf somit auswechselbar sind.
Neu sind die einzelnen Komponenten, die zu OpenDesk gehören, übrigens nicht. Der deutsche Open-Source-Spezialist Open-Xchange steckt beispielsweise hinter den E-Mail- und Kalendermodulen, die beim Internet-Provider 1&1 zur Anwendung kommen. Jitsi dürfte den meisten Deutschen spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie ebenfalls vertraut sein.
Das Neue bei OpenDesk ist vielmehr, dass man sich als Ministerium, Amt oder Behörde nicht selbst an ein Dutzend Software-Anbieter wenden muss, sondern dass man mit ZenDiS einen zentralen Ansprechpartner hat, der alles auf Bundes- und Landesebene entwickelt und koordiniert und der die Lösung auch anbietet sowie berät.
Bereits bei mehreren Einrichtungen im Einsatz
Mehrere Verwaltungen und Einrichtungen nutzen OpenDesk bereits "und sind damit sehr zufrieden", berichtet Reckert-Lodde. Dazu gehört neben dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) auch namhafte Institutionen wie der Deutsche Wetterdienst, das Technische Hilfswerk und das Robert Koch Institut.
Geht man nach dem Interesse, das ZenDiS und OpenDesk auf der Smart Country Convention auf sich zog, dürfte diese Liste schon bald deutlich länger werden. Das Ziel, die öffentliche Verwaltung in Deutschland digital unabhängig zu machen, rückt mit ZenDiS nun offenbar schneller näher, als es vor Kurzem noch möglich schien. (mb)