Nach einer langen Phase der Remote-Arbeit sollen viele Mitarbeiter nun - oder demnächst - ins Büro zurückkehren. Eine aktuelle Umfrage von Slack zeigt, dass dabei je nach Jobrolle nicht immer dieselben Regeln gelten.
"Beunruhigende Doppelmoral"
Im Rahmen der Umfrage des Collaboration-Software-Anbieters wurden mehr als 10.000 Knowledge Worker aus den USA, Australien, Frankreich, Deutschland, Japan und Großbritannien befragt. Ein Ergebnis: Angestellte ohne Führungsverantwortung arbeiten fast doppelt so häufig (35 Prozent) wie leitende Angestellte (19 Prozent) an fünf Tagen in der Woche aus dem Office. Diese Dichotomie bezeichnen die Studienautoren als "beunruhigende Doppelmoral", schließlich gab lediglich ein Fünftel (21 Prozent) innerhalb beider Gruppen an, dass die Rückkehr ins Büro ihre bevorzugte Wahl ist.
Während einige Unternehmen bei der Rückkehr ins Office auf Hybrid-Work-Strategien setzen, schlagen einige andere wie JP Morgan und Goldman Sachs eine härtere Gangart ein und verlangen vom Gros ihrer Mitarbeiter, wieder fünf Tage pro Woche zu pendeln. Das reflektiert sich auch in der Umfrage: Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten gab an, inzwischen wieder fünf Tage pro Woche im Büro zu arbeiten - laut den Studienverantwortlichen der höchste Wert seit der ersten Umfrage dieser Art im Juni 2020. Der Anteil derjenigen, die hybrid arbeiten, ist hingegen seit November 2021 von 50 Prozent auf 45 Prozent gesunken. Laut Slack hat die Diskrepanz zwischen leitenden und nicht-leitenden Mitarbeitern in Sachen Remote Work deutliche Auswirkungen: Die Work-Life-Balance-Werte bei letztgenannter Gruppe sind laut Umfrage um 40 Prozent niedriger, als die der Führungsebene, das Stress- und Angstniveau doppelt so hoch.
Für Analyst Jack Gold ist es keine Überraschung, dass leitende Angestellte mehr und besser flexibel arbeiten können: "Seien wir realistisch: Zwischen Führungskräften und durchschnittlichen Arbeitnehmern bestehen große Unterschiede. Führungskräfte können ab einem bestimmten Level ihre eigenen Regeln aufstellen. Durchschnittliche Arbeitnehmer müssen mit dem zurechtkommen, was ihre Vorgesetzten für ein gutes Arbeitsumfeld halten und haben wesentlich weniger Möglichkeiten, auf bestimmte Details Einfluss zu nehmen. Das ist vielleicht ungerecht, aber gängige Praxis in den meisten Unternehmen."
Fehlende Flexibilität ist Kündigungsgrund
Die Slack-Umfrage liefert auch Anhaltspunkte dafür, dass verschiedene Aspekte der Employee Experience mit der Rückkehr ins Büro gelitten haben, allen voran Produktivität, Konzentrationsfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit. "Die Frage ist, ob es sich dabei um eine vorübergehenden Effekt handelt, weil sich die Mitarbeiter eingewöhnen müssen oder um einen dauerhaften, weil sie ihre Remote-Freiheiten behalten wollen", analysiert Gold.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Arbeitnehmer, die über ihre Arbeitszeiten kaum oder gar nicht selbst bestimmen können, werden sich mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit im Jahr 2022 nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen (verglichen mit flexibler arbeitenden Kollegen). Dieser Effekt könnte Frauen, Minderheiten und berufstätige Eltern am stärksten treffen. Der Prozentsatz der Frauen, die an mindestens drei Tagen in der Woche flexibel arbeiten wollen, liegt bei 58 Prozent (Männer: 48 Prozent). Gleichzeitig wünschen sich 82 Prozent der berufstätigen Mütter flexible Arbeitsmöglichkeiten.
Die Umfrageautoren empfehlen Unternehmen, beziehungsweise deren Führungsebenen, sich genau zu überlegen, warum die Mitarbeiter im Büro anwesend sein müssen, und flexible Optionen für diejenigen anzubieten, die sie benötigen: "Erfolgreiche Unternehmen legen Kernzeiten für die Zusammenarbeit fest, zu denen die Mitarbeiter entweder im Büro oder online für die synchrone Zusammenarbeit anwesend sein müssen. Zudem richten sie asynchrone Collaboration-Methoden ein, um Termindruck und die Belastung zu verringern, ständig erreichbar sein zu müssen", heißt es im Umfragebericht. Die Unternehmen müssten an dieser Stelle experimentieren und analysieren, was funktioniert und was nicht: "Diejenigen, die abwarten und darauf schauen, was andere tun, werden Probleme bekommen." (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.