Vom Videoroom zur Webcam

Es muss nicht immer TelePresence sein

10.09.2014
Von 
Dr. Harald Karcher ist freier Autor in München. Er testet mobile Geräte vom Handy bis zum Laptop und mobile Netze von WLAN bis zu LTE.

Video für alle Mitarbeiter

Vier Dinge braucht der Mensch für UCC-Video-Meetings: 1. Rechner, Tablet oder Smartphone. 2. Headset oder Mikrofon und Lautsprecher. 3. Eine Kamera oder WebCam.4. Einen Audio-Video-Cloud-Service (Skype, Google Hangouts, Cisco WebEx, Microsoft Lync oder Citrix)GoToMeeting
Vier Dinge braucht der Mensch für UCC-Video-Meetings: 1. Rechner, Tablet oder Smartphone. 2. Headset oder Mikrofon und Lautsprecher. 3. Eine Kamera oder WebCam.4. Einen Audio-Video-Cloud-Service (Skype, Google Hangouts, Cisco WebEx, Microsoft Lync oder Citrix)GoToMeeting
Foto: Harald Karcher

Tele-Präsenz-Studios um die 300.000 Euro können selbst größere Firmen oft nur fürs obere Management anschaffen. Mittelständler, Kleinbetriebe, Home-Office-Worker, Freiberufler und Abertausende normaler Mitarbeiter in großen Firmen dürfen sich derweil auf Cloud-Video-Meeting-Dienste direkt für den Arbeitsplatz freuen: Dafür werden einfach nur vorhandene PCs und Laptops mit Mikrofon und WebCam nachgerüstet, sofern sie das nicht eh schon eingebaut haben.

Einige Cloud-Meeting-Dienste wie Microsoft Skype und Google Hangouts sind kostenlos. Profi-Angebote wie Cisco WebEx, Microsoft Lync und Citrix GoToMeeting kosten einige Dutzend Euro pro Monat und Gastgeber. Hinzu kommen Kosten für einen halbwegs schnellen PC oder Laptop, für eine gute WebCam und für ein Headset.

Auch diese kleine Variante der Audio-Video-Kommunikation per Cloud steht im Verdacht, die Produktivität der Mitarbeiter zu erhöhen. Sie erlaubt spontane Meetings, von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, ohne Stress, Reisekosten oder langer Anreise - ganz im Sinne einer guten Work-Life-Balance.

Im Vergleich zu eingesparten Reisezeiten und Reisekosten sind Material und Cloud-Abo-Kosten kaum der Rede wert. Ganz zu schweigen von der erhöhten Reaktions-Schnelligkeit, von virtuellen Teambildungen und von mehr Flexibilität in der Ansprache von Kunden, Partnern und Kollegen.

Die meisten Online-Video-Meeting-Dienste erfordern die einmalige Installation eines Plug-Ins auf dem lokalen Rechner. Danach ist die weitere Bedienung meist intuitiv einfach
Die meisten Online-Video-Meeting-Dienste erfordern die einmalige Installation eines Plug-Ins auf dem lokalen Rechner. Danach ist die weitere Bedienung meist intuitiv einfach
Foto: Harald Karcher

Von Unified Communications & Collaboration (UCC) spricht man, wenn Audio (meist Stimmen), Video (meist Gesichter) und Bildschirminhalte (Daten und Applikationen) direkt von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz in Echtzeit übertragen und geteilt werden. Beim Bildschirminhalt kann entweder der gesamte Desktop, oder nur der Inhalt eines bestimmten Programm-Fensters übertragen werden. Das UCC-Terminal kann ein stationärer PC mit Mikrofon und Webcam sein, neuerdings auch ein Smart-TV-Fernsehgerät mit Quad-Core-CPU samt Android, Kamera und Skype ab Werk, oder auch mobile Geräte wie Laptops, Tablets oder Smartphones mit scharfen Video-Displays.

Vorsicht Kamera! Wer oft Video-telefoniert, sollte nicht an WebCam und Beleuchtung sparen und sich am besten eine perfekte Video-Meeting-Ecke einrichten v.l.n.r. Georg Maikler von Yammer, Diana Heinrichs von Microsoft und der Autor.
Vorsicht Kamera! Wer oft Video-telefoniert, sollte nicht an WebCam und Beleuchtung sparen und sich am besten eine perfekte Video-Meeting-Ecke einrichten v.l.n.r. Georg Maikler von Yammer, Diana Heinrichs von Microsoft und der Autor.
Foto: Harald Karcher

Gastgeber und Moderator

CW-Redakteur Jürgen Hill erklärt dem fünf Kilometer entfernten Autor über Videokonferenz (oben) und Web-Collaboration (unten) in groben Zügen, wie das Layout der gedruckten Computerwoche entsteht.
CW-Redakteur Jürgen Hill erklärt dem fünf Kilometer entfernten Autor über Videokonferenz (oben) und Web-Collaboration (unten) in groben Zügen, wie das Layout der gedruckten Computerwoche entsteht.
Foto: Harald Karcher

Wie im echten Leben gibt es auch bei virtuellen UCC-Konferenzen einen Gastgeber, der zum Gespräch einlädt, und einen Moderator, der die Gäste begrüßt, das Meeting steuert, die Agenda einhält, und am Schluss abmoderiert. Je größer die virtuelle Gruppe, desto wichtiger ist eine gute Moderation für einen effektiven Verlauf.

Aufzeichnung aller Inhalte

Viele UCC-Cloud-Dienste bieten eine Aufzeichnungsoption für den Audiostream und für die übertragenen Bildschirminhalte. Der Videostream wird aber nicht von allen Diensten aufgezeichnet, weil dadurch gewaltige Datenmengen zusammen kommen. Außerdem wollen nicht alle Mitarbeiter für alle Ewigkeit in High-Definition aufgezeichnet werden.

Die 50 Minuten Mitschnitt der Audio- und Videoübertragung belegten knapp 70 MByte auf der lokalen Festplatte. Eine Video-Recording-Funktion haben wir im getesteten Citrix-System allerdings nicht gefunden
Die 50 Minuten Mitschnitt der Audio- und Videoübertragung belegten knapp 70 MByte auf der lokalen Festplatte. Eine Video-Recording-Funktion haben wir im getesteten Citrix-System allerdings nicht gefunden
Foto: Harald Karcher

Vorteile des Recordings sieht Anton Döschl von Cisco etwa bei Schulungen, die später aus der Konserve bei Bedarf am PC wiederholt werden können. So können verhinderte Teilnehmer verpasste Meetings später ganz oder in Auszügen am PC betrachten. Selbstverständlich muss das Recording vor Beginn der Konferenz aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre der Teilnehmer und aus Datenschutzgründen angekündigt werden. Zudem werde den Teilnehmern durch ein Symbol signalisiert, dass ein Recording stattfindet, so Döschl.

Dem Manager zufolge kann mit WebEx, aber auch mit der Cisco Telepresence-Lösung, jedes Meeting per Knopfdruck aufgezeichnet werden. Gespeichert werden alle Inhalte, wie Audio, Video und die geteilten Daten, sprich Präsentationen, Applikationen, Excel, Word, et cetera, was immer an Inhalten über Desktop-Sharing geteilt wird. Sprache braucht im Schnitt 30 MB Speicherplatz pro Stunde, 720p-Video dagegen 987 MB: Das ist das 33-Fache. Video ist ein Speicher- und Bandbreiten-Fresser.

Viel mehr als bunte Videobilder

So ein Web-Collaboration-Tool birgt große Rationalisierungs-Chancen, erhöhte Reaktionsfähigkeit, aber auch enorme Gefahren für die Datensicherheit in sich, wenn externe Mitarbeiter nach entsprechender Freigabe durch den Klick einer Maus auf interne Rechner in der Zentrale zugreifen können. Das ist viel mehr, als nur mal eine schöne, bunte Videokonferenz, bei der man sieht, wer gerade mal wieder wie schön geschminkt oder wie gut rasiert ist. Die auf den ersten Blick eher harmlos wirkende Collaboration-Komponente hat es in sich, denn wer von extern die Kontrolle über Maus und Tastatur eines internen Mitarbeiter-PCs bekommt, kann damit vielleicht viel Gutes, aber sicher auch viel Blödsinn anstellen.

Also Vorsicht bei dessen Einsatz! Das Web-Collaborating erfordert Mitarbeiter, die genau wissen, was sie tun, wenn sie externe Mitarbeiter ganz legal an ihre internen Rechner heran lassen. Dagegen ist das bunte Nur-Video-Conferencing geradezu harmlos: Da sieht man "nur" Gesichter, Wandkalender, Papierstapel und vielleicht ein paar Blümchen auf dem Sideboard, aber keine wirklich unternehmenskritischen Daten wie beim echten Web-Collaborating.