Frauenförderung und Digitalisierung

Es liegt nicht an den Frauen, sondern an den Strukturen

12.03.2019
Von 
Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
Mit der Förderung von Frauenkarrieren ist das so eine Sache: vielfach gewollt, wird sie dennoch unbemerkt ausgebremst. Denn Unternehmen sehen häufig den Zusammenhang zwischen Frauenkarrieren und ihren Veränderungsprozessen nicht.

Die Zahlen des Branchenverbandes BITKOM sowie das aktuelle Managerinnen-Barometer des DIW sprechen eine deutliche Sprache: gerade einmal sieben Prozent Frauen sitzen in den Führungsetagen der IT-Firmen. 28 Prozent sind in der gesamten IT-Branche beschäftigt, das sind ebenso viele, wie prozentual den Kontrollgremien der umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands angehören.

Häufig sind es immer noch die stereotypen Verhaltensweisen der Entscheider, die dem Erfolg von Frauenkarrieren im Weg stehen.
Häufig sind es immer noch die stereotypen Verhaltensweisen der Entscheider, die dem Erfolg von Frauenkarrieren im Weg stehen.
Foto: Pressmaster - shutterstock.com

In puncto Selbstverpflichtung für mehr Frauen in Führung dümpelt die deutsche Wirtschaft nun schon seit Jahrzehnten ohne nennenswerte Erfolge vor sich hin. Selbst die Tatsache, dass wohl kaum ein anderes Thema derzeit mehr Konjunktur zu haben scheint, als die Diskussion um Frauenkarrieren, ändert daran wenig.

"Entscheider müssen sich trauen, ihren Blick auf das Thema Frauen in Führung zu verändern und endlich stereotype Verhaltensweisen hinter sich lassen," weiß Barbara Lutz, Gründerin und Geschäftsführerin des Frauen-Karriere-Index. "Denn wer die Entwicklung von weiblichen Karrieren zum Steuerungsinstrument des Managements macht, profitiert von einer veränderten Unternehmenskultur. Und die ist schließlich für alle wichtig." Laut der Expertin, haben Unternehmen, die sich vornehmen, ihre Besetzungsprozesse transparent und fair für alle zu gestalten, schon einen ersten wichtigen Schritt getan.

Frauenförderung stellt den Status Quo in Frage

Eine Frau, die sich besonders gut den positiven Wechselwirkungen von Frauenkarrieren auf Unternehmenskultur und -struktur auskennt, ist Eva Faenger, Inclusion & Diversity Managerin bei Hewlett Packard Enterprise DACH und Russia. "Es geht um einen Veränderungsprozess, der sicherstellt, dass Frauen nicht nur in den Führungsetagen ankommen, sondern auch dortbleiben," macht sie deutlich.

Dass das nicht nur schnöde Theorie, sondern gelebte Praxis ist, stellt Faenger jedes Jahr wieder aufs Neue unter Beweis. Denn ihr Arbeitgeber rangiert nun schon zum sechsten Mal in Folge auf Platz eins der Top-Unternehmen im Frauen-Karriere-Index. Damit gelingt ihm, was andere bisher nur vor sich hertragen: Entwicklung von Frauenkarrieren zur Gestaltung der digitalen Transformation.

Denn gerade, wenn es um den digitalen Wandel geht, begreifen Entscheider diesen in erster Linie als technologische und fachliche Herausforderung. Initiativen für mehr Frauen in Führung oder Chancengleichheit hingegen, bleiben in diesem Zusammenhang meist unberücksichtigt. Ein Fehler, wie Faenger findet: „Das Fördern von Frauenkarrieren stellt den Status Quo in Frage, bricht mit tradierten Denkmustern, öffnet festgefahrene Strukturen und macht den Weg frei für die notwendigen Veränderungen.“

Denn häufig sind es immer noch die stereotypen Verhaltensweisen der Entscheider, die dem Erfolg von Frauenkarrieren im Weg stehen. Sei es durch die unbewusste Beförderung männlicher Ebenbilder der Vorgesetzten, oder aber durch die Annahme, einige wenige Frauen in Top-Positionen reichen aus, um als chancengerecht zu gelten.

Young Professionals profitieren von Frauenkarrieren

Wer dauerhaft so denkt und agiert, lässt langfristig aber nicht nur die weiblichen Talente außen vor. Schlimmer, diese Unternehmen laufen auch Gefahr, es sich mit der Generation Y zu verscherzen. Denn laut einer Erhebung des Frauen-Karriere-Index aus dem Jahr 2017 unter Personalentscheidern haben Frauen und Young Professionals ähnliche Vorstellungen davon, wie sie ihre Arbeit gestalten möchten. Beide Gruppen legen beispielsweise großen Wert auf flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien und eine Vertrauenskultur. Das zeigt: im Sog der Digitalisierung wird das bisher Unsichtbare sichtbar und relevant.

Diesen Zusammenhang sieht auch Maria Dietz, Verwaltungsrätin von GFT Technologies in Stuttgart. "Um ihre Veränderungsfähigkeit zu zeigen, setzen immer mehr Unternehmen auf Jobsharing, flexible Arbeitszeitmodelle und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sogar längere berufliche Auszeiten werden ermöglicht und zwar ohne dass Mitarbeiter ihrer Rückkehr einen Karriere-Knick hinnehmen müssen."

Die Unternehmerin weiß, wie wichtig eine chancengerechte und moderne Unternehmenskultur für den eigenen Betrieb ist, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Aus diesem Grund geht auch ihre Firma den Weg über die Veränderung von Unternehmensstrukturen.

Frauenförderung ist Strategiethema

Wer im Zuge eines digitalen Umbruchs Frauenkarrieren systematisch angehen möchte, braucht allerdings businessrelevante Messkriterien. "Denn jeder Entscheider wird sofort fragen, was haben wir davon und rechnet sich das auch," weiß Dietz. Und fügt hinzu: "Strukturen sollten allerdings nicht allein deshalb umgestaltet werden, damit die Statistik stimmt, sondern weil dies einen realen Mehrwert für das Unternehmen bringt."

Wer es also wirklich ernst meint mit den Frauen, sollte ihre Karriereentwicklung zum Strategiethema machen.

Ein Anbieter der ersten Stunde in diesem Kontext, ist das Forschungs- und Beratungshaus Frauen-Karriere-Index aus München. Es unterstützt nationale und internationale Unternehmen bei der Entwicklung einer modernen Arbeits- und Managementkultur über die Wirkungsmessung zwischen Frauenförderung, Arbeitsumgebung und Unternehmenskultur. Denn daran ist unter anderem erkennbar, wie es um die Voraussetzungen für eine systematische Karriere-Entwicklung für Frauen oder auch Young Professionals bestellt ist. "Anhand unserer Daten können wir erkennen, wie sich die weiblichen Karrieren im zeitlichen Verlauf tatsächlich entwickeln, wie stark die Unterstützung aus dem Top-Management wirklich ist und welche Maßnahmen Wirkung gezeigt haben," erläutert Gründerin und Geschäftsführerin Lutz.

Es geht nicht um Quoten oder Kita-Plätze

Da ihr Index seit 2012 bereits knapp 200 Unternehmen analysiert und bewertet hat, weiß sie, worauf es ankommt und welche strukturellen Veränderungen eine Rolle spielen. Laut der Expertin sitzen noch zu viele Entscheider dem Irrglauben auf, dass es für die Entwicklung von Frauen nur auf externe Faktoren wie Quotenerfüllung oder den Ausbau von Kita-Plätzen ankomme. Dem kann sie nur heftig widersprechen: "Ob eine Frau Karriere macht, hängt am Ende des Tages von den unternehmensinternen Faktoren ab. Die fördern oder behindern sie."

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