ERP-Lösungen spielen eine zentrale Rolle in den Unternehmen, und sie spielen diese Rolle insgesamt recht gut. So die Erfahrungen aus über 2500 Anwenderunternehmen - vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum -, die im Zuge der aktuellen Studie "ERP in der Praxis" durch die Analysten von Trovarit und die Wissenschaftler des FIR an der RWTH mittlerweile zum sechsten Mal seit 2004 befragt wurden. Die Bewertung von über 50 ERP-Lösungen zeigt im Vergleich zu 2010 leichte Verbesserungen der Anwenderzufriedenheit, insbesondere im Hinblick auf die Gesamtbeurteilung der Dienstleistungen von Implementierungs- beziehungsweise Wartungspartnern.
Von den servicebezogenen Aspekten werden nicht zuletzt auch die Beratung und das Engagement sowie der Support durch Berater bei ERP-Implementierungen und Release-Wechseln spürbar besser bewertet. Auch die ERP-Lösungen selbst schnitten insgesamt leicht verbessert ab, so dass die Anwender sowohl für die Software als auch die Dienstleistungen mittlerweile als Gesamtnote ein klares "Gut" vergeben.
Gewinner und Verlierer
Die Zufriedenheit im Allgemeinen darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ERP-Markt nicht nur Licht, sondern auch Schatten zeigt: Vergleicht man die verschiedenen Softwarelösungen und -anbieter, dann fällt das Zufriedenheitsurteil der Anwender sehr unterschiedlich aus. Auch offenbart der Zweijahresvergleich einige Auf- beziehungsweise Absteiger in puncto Anwenderzufriedenheit.
Datenbasis und Studienkonzept
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3437 Fragebögen angelegt;
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2518 Fragebögen vollständig und freigegeben (+ 22 Prozent);
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2159 Bewertungen nach Qualitätssicherung (ca. +13 Prozent im Vergleich zu 2010);
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insgesamt 193 ERP-Systeme erfasst;
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insgesamt 48 ERP-Systeme mit uneingeschränkt belastbarer Bewertung (acht mit eingeschränkt belastbarer Bewertung);
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die teilnehmenden Unternehmen weisen einen Schwerpunkt im Bereich mittelständischer Industrieunternehmen auf;
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die Teilnehmer stammen aus der DV (44 Prozent), Geschäftsführung (20 Prozent) sowie Finanzen/Controlling (15 Prozent);
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die Marktanalyse wurde von Ende März bis Anfang Juli 2012 als Online-Befragung vorgenommen;
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Trovarit initiiert die Studie gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Partner FIR an der RWTH Aachen sowie mit den Regionalpartnern 2BCS AG (St. Gallen) und ERP-Tuner (Wien) seit 2004 zum sechsten Mal. In diesem Jahr ist erstmals zusätzlich der niederländische Regionalpartner Praqmatique aus Zoetermeer an der Studie beteiligt.
Informationen zur Studie sowie eine kostenlose Zusammenfassung der Ergebnisse finden sich im Internet.
Lösungen für die "größeren Unternehmen"
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Gewinner: SAP ERP sowie x-trade bei den Branchenspezialisten (hier: Filialhandel).
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Schlusslichter: IFS Applications, Lawson M3.
Wie in den Vorjahren bewegt sich SAP ERP insgesamt stabil im Mittelfeld der Studie und ist damit führend unter den Lösungen für größere Unternehmen. Im Vergleich zu 2010 geben die SAP-Anwender bessere Noten im Hinblick auf das "Schulungs- und Informationsangebot" (+0,483) sowie den "Support bei Updates/Release-Wechseln" (+0,388). Auch bezüglich der in der Vergangenheit viel kritisierten "Eignung für den Mittelstand" (+0,298) bescheinigen die Anwender Verbesserungen, wobei mit einer aktuellen Bewertung von 3,6 immer noch Luft nach oben besteht. Offenbar honorieren die Kunden SAPs Strategie, die Modernisierung der Software statt mittels seltener, großer Release-Sprünge durch kleinere, aber dafür häufigere Verbesserungsschritte ("Enhancement Packages") voranzutreiben.
Anbieter verbessern Support
Bei der Lösung x-trade handelt es sich um eine hoch spezialisierte Branchenlösung, die vor allem bei größeren Unternehmen aus dem Bereich Filialhandel im Einsatz ist. Hersteller Maxxess betreut heute insgesamt etwa 30 Kunden aus der Branche. Durch die hohe Spezialisierung in Verbindung mit einer besonders intensiven Betreuung des überschaubaren Kundenkreises erzielt die Lösung im Vergleich überdurchschnittliche Zufriedenheitswerte.
Im Segment der Schwergewichte positiv entwickelt hat sich zuletzt Infor ERP LN: Von einem schwachen Niveau 2010 ausgehend, hat sich die Qualität des Service offenbar deutlich verbessert. Dies gilt insbesondere für alle Aspekte des Betriebs-Supports, aus dem eine klar verbesserte Betreuung durch die Account-Manager (+0,501), durch die Hotline (+0,465) sowie im Rahmen von Updates und Release-Wechseln (+0,407) herausragen. Infor hat zuletzt die Betreuung vieler LN-Kunden selbst übernommen. Gleichzeitig scheint die Organisation des Anbieters nach personellen Umwälzungen bis Ende 2010 langsam zur Ruhe zu kommen.
Ähnlich verhält es sich offenbar mit Infor ERP Xpert. Die auf anspruchsvolle Automobil- und Zulieferprozesse spezialisierte Lösung verzeichnet 2012 in nahezu allen Aspekten verbesserte Noten. Allerdings hatte die Lösung im Jahr 2010 auch ausgesprochen schwach abgeschnitten. Hervorzuheben sind deutliche Verbesserungen im Bereich der Beratung (+0,535), der Anwenderschulung (+0,440) und des Customizing (+0,465) sowie im Hinblick auf den Support bei Updates und Release-Wechseln (+0,680). Die Verbesserungen bei der Software betreffen insbesondere die Schnittstellen (+0,456), die Ergonomie (+0,444) sowie die Performance (0,422). Damit hat Infor ERP Xpert wieder Anschluss im Segment der Lösungen für größere Unternehmen gefunden.
- SaaS-fähige ERP-Angebote
Aus Sicht der Anwender stellen sich die Rahmenbedingungen von SaaS-fähigen ERP-Angeboten folgendermaßen dar: - Zugriffsmöglichkeiten
Das System wird ohne Aufbau von Infrastruktur - quasi aus der Steckdose - bezogen: Notwendig sind ein Rechner mit einem Internet-Browser sowie eine entsprechende Verbindung, eine Installation ist nicht notwendig. Für den Einsatz in einer Büroumgebung ist das eine funktionierende Konstellation. Zu klären sind Offline-Arbeitsmöglichkeiten, beispielsweise die Zugriffsmöglichkeiten mobiler Mitarbeiter. - Datenschutz und Datensicherheit
Die Applikation bietet hohe Standards mit entsprechender Zertifizierung in Bezug auf Datensicherheit, Performance und Verfügbarkeit: Entsprechende Service-Level-Agreements und Zertifizierungen erreichen in der Regel eine sehr gute Verfügbarkeit und meistens auch einen besseren Schutzlevel als Server, die in kleinen und mittelständischen Unternehmen installiert sind. Zusätzlich garantiert der Anbieter auch Backup- und Recovery-Szenarien. Anwender müssen klären, welche gesetzlichen Grundlagen gegebenenfalls die Verwendung ihrer ERP- oder Kundendaten einschränken und welcher Gesetzgebung der Anbieter unterliegt. In diesem Bereich sollten Unternehmen nicht leichtfertig agieren, sondern sich mit dem Thema Datenschutz und Datensicherheit eingehend beschäftigen. - Pay-per-Use
Die Bezahlung erfolgt periodisch nach diversen "Pay-per-Use"-Modellen: In der Regel bestimmen die Komponenten Laufzeit, Anzahl der Nutzer und Funktionsumfang den Preis. Eine echte verbrauchsabhängige Abrechnung ist das zwar noch nicht, doch diese Modelle sind kalkulierbar und schützen vor bösen Überraschungen. Es sind keine Anfangsinvestitionen für Software und gegebenenfalls Hardware nötig. Entsprechend wird die Liquidität geschont. - Einfach konfigurierbar
Das System kann sehr einfach, in der Regel ohne IT-Fachwissen oder Beratungs-Know-how, konfiguriert werden: Dies hat allerdings den Nachteil, dass Anwender sich im Rahmen der Herstellervorgaben bewegen müssen und so manche geliebte Eigenart ihrer Abläufe aufgeben müssen. - Usability
Die Systemoberfläche ist sehr einfach und intuitiv und kann (weitgehend) ohne Schulung erlernt und bedient werden - Erweiterbarkeit
Die Systemfunktionalität kann durch eine weitgehend nicht reglementierte und unabhängig agierende Entwickler-Community erweitert werden: Erweiterungen werden in der Regel über entsprechende Systemmarktplätze bereitgestellt. SAP bietet mit Entwicklungswerkzeugen Partnern die Möglichkeit, kleine Ergänzungen, aber auch Branchen-Templates nach einem Zertifizierungsprozess zur Verfügung zu stellen.