Jedes zweite Unternehmen ohne Zukunft

Eine neue Rolle für die IT

10.02.2016
Von 
Jannis Moutafis ist freier Journalist in München mit den Schwerpunkten Cloud Computing, Cloud-basierte Business-Anwendungen und IT-gestützte Arbeitsprozesse.

Reformierte IT

Für die meisten Unternehmen bedeutet eine solche Umstellung auch eine Veränderung ihrer gesamten Firmenkultur - und die ist alles andere als einfach. "In all unseren Gesprächen mit Kunden stellt sich heraus, dass die kulturellen und organisatorischen Fragen die Hauptherausforderungen sind", sagt Dan Bieler, Analyst bei Forrester Research. Denn natürlich beträfen solche Maßnahmen nicht allein die IT-Organisation, sondern die gesamte Firmenstruktur. "Wir sehen, dass wenig Firmen dazu bereit sind, die Anreize für die Mitarbeiter wirklich zu überdenken. Wann steigt man auf, wann werden Boni ausgezahlt, etc. Da wird noch zu sehr in traditionellen Schablonen gedacht." Bieler schätzt, dass die mangelnde Bereitschaft, sich auf die Kulturrevolution der digitalen Transformation einzulassen, der Hälfte der Unternehmen in diesem Bereich die Zukunft kosten könnte.

Der kooperative Ansatz einer reformierten IT setzt oft voraus, dass IT- und Fachbereichsmitarbeiter auch räumlich zusammengelegt werden. "Bei den Interviews für die Studie sagten zwei der befragten Manager, dass die engere Kooperation allein über elektronische Kommunikation nicht so recht klappen wollte", berichtet der Analyst Tony Lock von Freeform Dynamics. "Die persönliche Interaktion zwischen den Leuten, wenn sie beispielsweise gemeinsam an der Kaffeetheke stehen, macht die Interaktion viel effektiver."

Strukturelle Maßnahmen fallen Unternehmen nicht leicht weil es oft dabei Verlustängste gibt - in einer Zeit stagnierender IT-Budgets dürfte das auch bei IT-Organisationen nicht anders sein. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Je weiter ein Unternehmen im Sachen digitale Transformation gekommen ist, desto mehr wird insgesamt in IT investiert, sagt die Studie von Freeform Dynamics. Nur ist dann das Budget anders strukturiert, es wird ein wesentlich größerer Teil für die Weiterentwicklung von Anwendungen ausgegeben als für den Betrieb.

Je weiter rein Unternehmen in Sachen Digitalisierung vorangekommen ist, desto mehr werden die in Richtung Entwicklung umgeschichtet, steigen aber auch insgesamt.
Je weiter rein Unternehmen in Sachen Digitalisierung vorangekommen ist, desto mehr werden die in Richtung Entwicklung umgeschichtet, steigen aber auch insgesamt.
Foto: Freeform Dynamics, CA

Für Studienautor Tony Lock ist deswegen auch die Angst vor Jobverlust nur bedingt ein Thema. "Die Welt baut immer mehr auf IT. Deswegen wächst auch insgesamt die Anzahl der Jobs, obwohl zugleich die Produktivität pro IT-Mitarbeiter steigt. Insbesondere in Unternehmen, die DevOps machen, wächst die Anzahl der Jobs. Was sich verändert, ist das Profil der Leute."

Strukturen und Bewertungen

Unternehmen forcieren oft ihr Engagement in Richtung Digitalisierung durch die Schaffung neuer Instanzen, die sich um Digitalisierungsthemen kümmern sollen, wie dem Chief Digital Officer. Geraten dadurch nicht die Berichtslinien durcheinander, vor allem für die IT-Mitarbeiter in Wanken? "Wir sehen immer mehr CDOs neben dem CIO", sagt Andreas Gerst, CTO bei CA Deutschland. "Viele Neuentwicklungen passieren unter der Aufsicht des CIO und der CDO ist eine Art Brücke zwischen Business und IT. Ich erwarte, dass diese Position jetzt häufiger besetzt wird und dass immer mehr IT-Leute für diese Instanz tätig sein werden."

Doch allein die Tätigkeit für eine neue Instanz beantwortet nicht die Frage, wer für die IT-Mitarbeiter verantwortlich ist, die beispielsweise in den Fachbereichen eingebettet sind. "Ich erwarte, dass IT-Leute weiterhin an IT-Leute berichten werden", sagt Tony Lock. "Ich glaube aber, dass die Beziehung zu den Fachbereichen und zum CDO auf lange Sicht eine engere sein wird und dass die Zahl der Mitarbeiter, die IT und Business zusammenbringen, ansteigen wird."

Der wohl schwierigste Teil bei einer solchen Umstrukturierung dürfte die richtige Bewertung der Arbeit einer IT-Organisation sein. Eine hauptsächlich auf den Betrieb fokussierte IT ist es gewohnt, primär als Kostenstelle gesehen zu werden. Ihre Effektivität wird in Größen wie Kosten pro Arbeitsplatz, Ausfallzeiten oder Reaktionsfähigkeit bei Fehlern gemessen. Wenn aber die Budgets immer mehr in Richtung Entwicklung umgeschichtet werden, wie lässt sich die Qualität einer IT-Organisation am besten messen?