Reformierte IT
Für die meisten Unternehmen bedeutet eine solche Umstellung auch eine Veränderung ihrer gesamten Firmenkultur - und die ist alles andere als einfach. "In all unseren Gesprächen mit Kunden stellt sich heraus, dass die kulturellen und organisatorischen Fragen die Hauptherausforderungen sind", sagt Dan Bieler, Analyst bei Forrester Research. Denn natürlich beträfen solche Maßnahmen nicht allein die IT-Organisation, sondern die gesamte Firmenstruktur. "Wir sehen, dass wenig Firmen dazu bereit sind, die Anreize für die Mitarbeiter wirklich zu überdenken. Wann steigt man auf, wann werden Boni ausgezahlt, etc. Da wird noch zu sehr in traditionellen Schablonen gedacht." Bieler schätzt, dass die mangelnde Bereitschaft, sich auf die Kulturrevolution der digitalen Transformation einzulassen, der Hälfte der Unternehmen in diesem Bereich die Zukunft kosten könnte.
- 9 Wege zur Digitalisierung
Eine neue Studie zum Thema Digitalisierung identifiziert neun Handlungsfelder in denen Unternehmen tätig werden müssen, um die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben und Digitale Exzellenz zu erlangen. - Digital Leadership
Die digitale Transformation muss von der Unternehmensspitze priorisiert und vorangetrieben werden. - Digital Empowerment
Die Qualifizierung von Mitarbeitern für die digitale Transformation sollte unternehmensweit von statten gehen. - Customer & Partner Engagement
Kunden und Partner sind die treibenden Kräfte der digitalen Transformation. Das Ziel für Unternehmen ist es folglich, deren Erwartungen und Anforderungen zu verstehen und diesen möglichst schnell gerecht zu werden. - Business Model Innovation
Digitale Exzellenz erfordert die fortlaufende Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle auf Digitalisierungspotenziale und -notwendigkeiten. Unternehmen sollten neue digitale Geschäftsmodelle aktiv entwickeln. - Digital Platform Management
Im digitalen Raum haben verschiedene Plattformen eine zentrale Rolle übernommen. Unternehmen müssen auf diesen Plattformen präsent sein, Einfluss auf sie nehmen oder sogar selbst eine Plattform entwickeln und betreiben. - IT Architecture Transformation
Veraltete IT-Architekturen müssen komplett überarbeitet und erneuert werden. Die auf Stabilität und Sicherheit ausgelegten Backend-Systeme sollten so optimiert werden, dass sie die Frontend-Systeme in ihrer schnellen Weiterentwicklung unterstützen können. - Process Digitisation & Automation
In der klassischen IT-Disziplin der Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung erfordert Digitale Exzellenz ein permanentes IT-Engagement. - Data-driven Agility
Digitale Exzellenz erfordert die stetige Auswertung von entstehenden Daten. Diese sollten anschließend in die steuernden Prozesse zurückgeführt werden, wo sie unmittelbar für die Weiterentwicklung und Gestaltung des digitalen Angebotes zur Verfügung stehen. - Digital Security & Compliance
Digitale Exzellenz ist nur zu erreichen und aufrechtzuerhalten wenn Systeme und Prozesse kontinuierlich in Bezug auf Sicherheit und Compliance überprüft und weiterentwickelt werden.
Der kooperative Ansatz einer reformierten IT setzt oft voraus, dass IT- und Fachbereichsmitarbeiter auch räumlich zusammengelegt werden. "Bei den Interviews für die Studie sagten zwei der befragten Manager, dass die engere Kooperation allein über elektronische Kommunikation nicht so recht klappen wollte", berichtet der Analyst Tony Lock von Freeform Dynamics. "Die persönliche Interaktion zwischen den Leuten, wenn sie beispielsweise gemeinsam an der Kaffeetheke stehen, macht die Interaktion viel effektiver."
Strukturelle Maßnahmen fallen Unternehmen nicht leicht weil es oft dabei Verlustängste gibt - in einer Zeit stagnierender IT-Budgets dürfte das auch bei IT-Organisationen nicht anders sein. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Je weiter ein Unternehmen im Sachen digitale Transformation gekommen ist, desto mehr wird insgesamt in IT investiert, sagt die Studie von Freeform Dynamics. Nur ist dann das Budget anders strukturiert, es wird ein wesentlich größerer Teil für die Weiterentwicklung von Anwendungen ausgegeben als für den Betrieb.
Für Studienautor Tony Lock ist deswegen auch die Angst vor Jobverlust nur bedingt ein Thema. "Die Welt baut immer mehr auf IT. Deswegen wächst auch insgesamt die Anzahl der Jobs, obwohl zugleich die Produktivität pro IT-Mitarbeiter steigt. Insbesondere in Unternehmen, die DevOps machen, wächst die Anzahl der Jobs. Was sich verändert, ist das Profil der Leute."
Strukturen und Bewertungen
Unternehmen forcieren oft ihr Engagement in Richtung Digitalisierung durch die Schaffung neuer Instanzen, die sich um Digitalisierungsthemen kümmern sollen, wie dem Chief Digital Officer. Geraten dadurch nicht die Berichtslinien durcheinander, vor allem für die IT-Mitarbeiter in Wanken? "Wir sehen immer mehr CDOs neben dem CIO", sagt Andreas Gerst, CTO bei CA Deutschland. "Viele Neuentwicklungen passieren unter der Aufsicht des CIO und der CDO ist eine Art Brücke zwischen Business und IT. Ich erwarte, dass diese Position jetzt häufiger besetzt wird und dass immer mehr IT-Leute für diese Instanz tätig sein werden."
Doch allein die Tätigkeit für eine neue Instanz beantwortet nicht die Frage, wer für die IT-Mitarbeiter verantwortlich ist, die beispielsweise in den Fachbereichen eingebettet sind. "Ich erwarte, dass IT-Leute weiterhin an IT-Leute berichten werden", sagt Tony Lock. "Ich glaube aber, dass die Beziehung zu den Fachbereichen und zum CDO auf lange Sicht eine engere sein wird und dass die Zahl der Mitarbeiter, die IT und Business zusammenbringen, ansteigen wird."
Der wohl schwierigste Teil bei einer solchen Umstrukturierung dürfte die richtige Bewertung der Arbeit einer IT-Organisation sein. Eine hauptsächlich auf den Betrieb fokussierte IT ist es gewohnt, primär als Kostenstelle gesehen zu werden. Ihre Effektivität wird in Größen wie Kosten pro Arbeitsplatz, Ausfallzeiten oder Reaktionsfähigkeit bei Fehlern gemessen. Wenn aber die Budgets immer mehr in Richtung Entwicklung umgeschichtet werden, wie lässt sich die Qualität einer IT-Organisation am besten messen?