Die IT als Innovationstreiber – welche Unternehmensleitung würde nicht gerne auf eine solche Ressource zurückgreifen können. Doch gerade jetzt, da praktisch jede Branche von der Digitalisierung erfasst wird und Informationstechnologie als Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit gesehen wird, fühlen sich viele Business-Verantwortliche von ihrer IT im Stich gelassen. Laut einer Studie des US-basierten BPI Network sieht nur die Hälfte der befragten Firmenlenker seine IT-Organisation auf einen guten Weg, ein strategisch wertvoller Partner auf dem Weg zur Digitalisierung zu werden. Der Rest stellt seiner IT diesbezüglich ein schlechtes Zeugnis aus (10 Prozent) oder gesteht ihr lediglich "Fortschritte" zu (44 Prozent).
Dass Unternehmen zunehmend "eine neue Rolle" von ihrer IT erwarten, bekommt letztere schon seit einiger Zeit zu spüren. Laut Studie drückt sich das häufig auch darin aus, dass Investitionen in die IT-Infrastruktur in Verzug kommen. Die Unternehmensführung wisse in der Regel, dass die Ressourcen in Richtung einer hybriden Cloud-Infrastruktur angepasst und zugleich die Kosten für den IT-Betrieb reduziert werden müssen. Was ihr aber fehlt, ist ein Gesamtplan, wie das Unternehmen als Ganzes und insbesondere die Fachabteilungen mit einer neu aufgestellten IT-Infrastruktur arbeiten sollen und wie die Mitwirkung der IT genau aussehen soll.
Die Crux dabei ist, dass die neue Rolle selten von der Geschäftsleitung konkret beschrieben werden kann außer über eine Reihe von Anforderungen wie "innovativer", "konstruktiver" oder "schneller". Nur: Welche konkreten Maßnahmen führen zu diesem Ziel?
"Die grundsätzliche Aufgabe der IT ist zu digitalisieren, das war früher auch nicht anders", sagt Thomas Heimann, beim Beratungshaus Capgemini zuständig für Application Services. Doch in Zeiten der digitalen Transformation und der disruptiven Geschäftsmodelle gewinne der Begriff "Digitalisierung" eine neue Brisanz. Heimann empfiehlt, sich an Unternehmen zu orientieren, die sich mit dem Thema digitale Transformation gezwungenermaßen viel früher auseinandersetzen mussten. Meist sind das B2C-Unternehmen, etwa im Handel oder in der der Musikindustrie.
Neue Kompetenzen
Ein Schlüssel zu einer Rollenveränderung bei der IT scheint nach Ansicht vieler Experten in der intensiveren Kooperation zwischen IT und den Fachbereichen zu liegen, die zunächst strukturelle Veränderungen auf beiden Seiten voraussetzt. "Was wir wahrnehmen ist, dass Unternehmen in Branchen, die diese disruptive Geschäftsmodelle schon haben, die Fachbereiche und die IT näher zusammen sind und dass dort die Fachbereiche in der IT einen Vertrauenspartner sehen", sagt Heimann. Neue Lösungen würden gemeinsam diskutiert und geschaffen, die IT übernimmt die Verantwortung für den IT-Teil. Ob sie hierfür auf externe Ressourcen zugreift oder nicht, sei ihr selbst überlassen.
Das zeigt auch eine neue Studie von Freeform Dynamics im Auftrag von CA mit dem Titel "Lessons from Digital Disrupters". Die weltweite Studie nimmt die Strukturen und Arbeitsweisen von Unternehmen unter die Lupe, die in Sachen Digitalisierung weit vorn liegen. Ein gemeinsames Merkmal all dieser Firmen ist die Einbettung von IT-Mitarbeitern innerhalb der Fachbereiche und die Bildung von Teams, die gemeinsam an IT-gestützten Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen arbeiten.
In der Freeform-Studie gibt es drei weitere Merkmale, die die Arbeit einer reformierten IT charakterisieren:
Die Fokussierung auf Software als Plattform für die geschäftliche Weiterentwicklung des Unternehmens.
Die Adaption von agilen Methoden und DevOps für die Entwicklung und der Auslieferung von Anwendungen.
Die forcierte Entwicklung von Schnittstellen zwischen den eigenen Anwendungen sowie um die externe Entwicklergemeinde einzubinden.
- Sopra Steria über Digitalisierung
Dass deutsche Unternehmen in puncto Digitalisierung zu langsam sind, bestätigen der Berater Sopra Steria und die Universität Hamburg in der gemeinsamen Studie "Digitale Exzellenz – eine Bestandsaufnahme zur Digitalisierung deutscher Unternehmen und Behörden". Deren Grundlage sind Gespräche mit 17 Experten (meist CIOs und Digitalisierungsverantwortliche) sowie eine zusätzliche quantitative Befragung von 90 Entscheidern. - Zehn Disziplinen
Die Berater identifizieren zehn Punkte einer digitalen Exzellenz. Diese ordnen sie in vier Kategorien ein. - Selbsteinschätzung
Die Befragten schätzen den Grad der Digitalisierung ihres Unternehmens sehr unterschiedlich ein. - Leadership
Selbst Unternehmen, die sich einen hohen Grad an digitaler Exzellenz zuschreiben, stellen ihrer Führung kein gutes Zeugnis aus. - Digitale Kanäle
Nicht alle Unternehmen messen die Nutzung digitaler Kanäle. - IT-Architektur
Wenig Zweifel bestehen am Änderungsbedarf bei der IT-Architektur. - Stand der Belegschaft
Erst wenige Unternehmen sehen ihre Belegschaft gut auf die Digitalisierung vorbereitet.
All das setzt jedoch voraus, dass sich die gesamte Arbeitsweise der IT innerhalb des Unternehmens ändert, und das ist keine kleine Aufgabe. "Es braucht eine Bereitschaft für radikales Handeln", mahnt Dr. Thomas Endres, Vorsitzender des CIO-Verbands VOICE. Man müsse im Kleinen wie im Großen Dinge hinterfragen, die sich bisher bewährt hatten. Ziel der Übung sei, durch das Einfließen von IT-Know-how in alle Unternehmensbereiche als Unternehmen völlig neue Kompetenzen aufzubauen. "IT wird langfristig zu einer Metakompetenz", sagt Endres. "Es gibt Kompetenzen im Kerngeschäft, auf die man bauen sollte. Wenn diese mit digitaler Kompetenz kombiniert werden, entstehen komplett neue Kompetenzen."