Manche Zusammenhänge werden erst auf den zweiten Blick so richtig brisant. Beispielsweise die Tatsache, dass zwar die Hälfte aller erfolgreichen Uni-Absolventen und Berufseinsteiger weiblich ist, davon aber nur rund sieben Prozent überhaupt auf der Vorstandsetage ankommen (McKinsey-Studie über Women in Workplace). Grob gesagt gehen die jungen Frauen, die in der Ausbildung noch mit geballter Personaler-Power an technische Berufe herangeführt wurden, im Berufsleben sofort wieder verloren.
"Wir suchen ja Frauen, aber wir finden keine"
Die Gründe sind hinlänglich bekannt. Da es für Mütter in Elternzeit keine akzeptable Job- oder gar Führungs-Perspektive mehr gibt, wenden sie sich "hauptberuflich" dem Nachwuchs zu und schlingern damit unwillkürlich in die Teilzeitfalle (laut Hans-Böckler-Stiftung seit 2006 ganze 46 Prozent). Zeitlich reduzierte Arbeitszeit ist mit einer Führungs- oder Expertenkarriere - für die man bereits angetreten ist - quasi unvereinbar. Das fand auch das Wissenschaftliche Zentrum für Sozialforschung (WZB) in seiner nicht repräsentativen Erhebung 2019 heraus. Demnach wurden von weiblichen und männlichen Befragten mangelnde Karriereeffekte sowie das berufliche Fortkommen kritisiert, sobald sie sich auf eine reduzierte Arbeitszeit einließen.
Diese Entwicklung, die Frauen zuhauf ins Karriere-Aus befördert, ist nicht nur gesellschaftlich höchst bedenklich. Vor allem stellt die sukzessive "Entwertung" weiblicher Qualifikation Firmen vor immense ökonomische Herausforderungen. Man braucht kein Mathematiker zu sein, um zu begreifen, dass vor allem hochqualifizierte Mütter, die am Anfang ihrer Karriere aus dem Berufsleben wieder aussteigen, kaum auf adäquater Position wieder Fuß fassen werden - geschweige denn die Karriereleiter hochklettern. Kaum ein Personalentscheider dürfte eine Akademikerin nach längerer Abwesenheit durch Elternzeit auf eine leitende Position hieven. In der Konsequenz werden diese Besetzungen nach wie vor mit männlichen Nachwuchskräften durchgeführt. Und es erklingt der Satz "Wir suchen ja Frauen, aber wir finden keine".
Über Jahre hinweg betrachtet bedeutet dies folgendes: Wenn mit der Geburt des ersten Kindes auf allen Unternehmensebenen der Frauenanteil konsequent schwindet, bleibt zur Erfüllung der geforderten Quote in der Top-Etage (jeweils eine Frau in Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern) nicht mehr viel übrig. Darüber hinaus leiden ebenfalls die Markt-Performance sowie das Image des Unternehmens. Diversität ist nicht gewährleistet, das kann sich die deutsche Volkswirtschaft aber nicht leisten.
Vorteil durch weibliche Tandems
Daher sollten dringend alternative Arbeitsmodelle auf die Agenda der Personal- und Fachbereichsentscheider, die die Teilzeitpräferenzen der Frauen mit dem Vollzeit-Anspruch der Unternehmen vereinbaren. Das Frankfurter Startup Twise hat genau für dieses Problem eine Lösung entwickelt: Dort setzt man klar auf weibliche Tandems, die sich eine Führungsaufgabe teilen. Nach diesem Modell bereitet sich schon die schwangere Führungskraft gemeinsam mit einer erfahrenen Managerin auf eine realistische Arbeitsteilung für die Dauer der Elternzeit vor und bietet so eine simple Lösung der Überbrückung - ohne operative Lücken. Für den Arbeitgeber hätte die weibliche Doppelspitze auf lange Sicht einen entscheidenden Vorteil: Die Talente-Pipeline könnte ab dem mittleren Management bis in die oberen Führungsetagen systematisch stabilisiert werden. Alles andere wäre an der Arbeitsrealität vorbeigeplant.
Aber bis diese Praxis sich in der Breite durchsetzt, müssen viele Entscheider zunächst einmal verstehen, welche strategische Chance für die Personal- beziehungsweise Karriereplanung in der "Ressource" hochqualifizierter Mütter schlummert. Wenn dann Führungsentwicklung für Mütter Teil des Managementanspruchs wird, werden Firmen nicht nur mühelos ihre Quotenziele erreichen. Sondern zudem in fortschrittlichen Unternehmenskulturen ganz neue Produktivitätsimpulse setzen. (mp)