Elektronischer Brief

Ein weiter Weg für E-Postbrief, De-Mail & Co.

05.07.2011
Von Gerhard Kafka

E-Postbrief mit heißer Nadel gestrickt?

Die Deutsche Post - ursprünglich mit im Boot der De-Mail-Provider - hat im Juli 2010 ein eigenes Produkt, den E-Postbrief, auf den Markt gebracht. Die Lösung wurde sowohl von der Stiftung Warentest als auch von der Wirtschaftswoche als nicht fertig beurteilt. Außerdem zettelte die Post einen Kampf mit den designierten De-Mail-Service-Providern an, indem sie den Mitbewerbern Telekom und United Internet den Zugang zu dem bewährten Post-Ident-Verfahren verwehrte. Dieses Vorgehen stufte das Landgericht Köln jedoch kürzlich als rechtswidrig ein.

Der E-Brief gilt als teuer und mängelbehaftet. Die Kritik lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • In der aufwändigen Werbekampagne suggeriert die Post, dass der E-Postbrief "Verbindlich, vertraulich und verlässlich" sei. Von den Details in Sachen Sicherheitsvorkehrungen ist aber wenig zu hören. Dass die Post einen Hackerwettbewerb ausgelobt hat, um ihre Systeme zu testen, suggeriert, dass eine gewisse Unsicherheit in der Security-Strategie besteht.

  • Die Sicherheit und das Briefgeheimnis müssen in Frage gestellt werden, weil der Provider sowohl in Besitz der Nachricht als auch des dazugehörendem Schlüssels ist.

  • Ein hybrider E-Postbrief kann bis zu vier Tage unterwegs sein. Das gilt für Briefe, die freitags abgeschickt werden, da die Post derzeit montags nicht zustellt.

  • Der E-Postbrief ist eine deutsche Insellösung (wie De-Mail auch) und wird international nicht akzeptiert werden.

  • Der E-Postbrief erfüllt nicht die existierenden Normen des Weltpostvereins, der EU und des DIN.

Was erwarten die Anwender?

Der technische Wandel hat zu einer Veränderung der Märkte geführt. Mit der Ausbreitung des Internets, E-Commerce und der Digitalisierung haben sich die Kommunikationsanforderungen der Kunden geändert. Sie erwarten, dass bei einer Abwicklung von Geschäften im Internet auch die dazugehörige Kommunikation möglichst medienbruchfrei läuft. Das stößt eine Reihe von technischen Entwicklungen an, die den physischen Brief mit der elektronischen Welt verbinden.

Der rein physische Brief wird in der konvergenten Medienwelt durch hybride Lösungen und vollelektronische Kommunikationsalternativen auf der Empfänger- oder Versenderseite abgelöst. Folge ist das Zusammenwachsen physischer und elektronischer Kommunikation und damit das Entstehen multimedialer Multi-Channel-Lösungen, die sich exakt auf den Kundenbedarf ausrichten. Der physische Brief bekommt also künftig digitale Geschwister.

De-Mail soll die Kommunikation, gerade mit offiziellen Stellen, erleichtern.
De-Mail soll die Kommunikation, gerade mit offiziellen Stellen, erleichtern.
Foto: BSI

Anwender wollen Wahlmöglichkeiten, was die Zustellung angeht. Sie wollen selbst keine Infrastruktur aufbauen und vorhalten, sondern einfach einen Dienst aus dem Internet nutzen. Intelligente digitale Post wird künftig als "Cloud-Service" angeboten werden. Die Anforderungen an vertrauliche postalische Leistungen (etwa das Briefgeheimnis) und Zustellungsqualität erfordern eine Cloud, der man vertrauen kann und auf die man sich verlassen kann. Diese neue Cloud-Technologie birgt aber auch Risiken, die es zu beherrschen gilt. Doch die Zukunftschancen überwiegen, wie der Fokus der Deutschen Post auf ihren E-Postbrief eindrucksvoll unterstreicht.

Beim Brief in der Cloud geht es jedoch nicht um die Elektronifizierung traditioneller physischer Mail-Dienste. Vielmehr können komplett neue Mail-Dienste geschaffen werden wie zum Beispiel:

  • personalisierte physisch/digitale Mail-Dienste: Der Versand eines Briefs wird digital avisiert und der Empfänger entscheidet, in welcher Form, auf welchem Gerät oder zu welchem Zeitpunkt er das Dokument erhalten will. Beispiel hierfür ist ein Angebot der Siemens Postal Automation.

  • Mail mit Response-Kanal: Nachrichten, die einen Rückkanal für die Kommunikation integrieren, erlauben einen geführten Dialog im Gegensatz zum Brief- oder Mail-Austausch.

  • E-Commerce-Angebote: Transaktionsorientierte digitale Mail-Dienste könnten nutzergerecht zum Einsatz kommen, um Kauf und Rechnungsstellung von Produkten und Services effizient abzuwickeln.

  • Multi-Provider-Angebote: Physische Post ist heute Multiprovider-fähig. Sonst käme ein im Ausland aufgegebener Brief in Deutschland nicht an. Digitale Post muss unbedingt auch im Multi-Provider-Betrieb funktionieren - und das nicht nur national sondern auch international.

  • Standort- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit: In den Bereichen Forschung, Entwicklung und Produktion gewinnt an Bedeutung. Insbesondere die Abstimmung von Entwicklungsergebnissen in Bereichen wie CAE/CAD könnte zeit- und kostensparend erfolgen. (hv/sh)