Datenschutz pur bei der PinG Jahrestagung

DSGVO - Der neue Goldstandard

06.02.2019
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Horst Greifeneder ist Inhaber des Büros für Datenschutz & Datensicherheit und Veranstalter des jährlichen OÖ-Datenschutztages. Der erfahrene Datenschutzexperte berät und unterstützt als externer Datenschutzbeauftragter sowohl national als auch international tätige Unternehmen bei der Planung und Implementierung von praxisnahen Datenschutz Management Systemen sowie technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten.

Interessen als rechtmässige Verarbeitungsgrundlage

Prof. Dr. Dieter Kugelmann, der rheinland-pfälzische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, widmete sich in seinen Ausführungen dem Art 6 (f) DSGVO zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung. Kugelmann warnte ausdrücklich davor, die berechtigten Interessen des Verantwortlichen zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten als eine Art von Auffangtatbestand für die vielfältigen Verarbeitungsabsichten der Wirtschaft zu betrachten. Vielmehr bedürfe es in jedem Einzelfall einer ausreichenden Begründung und sorgfältigen Abwägung von berechtigten Interessen der Verantwortlichen oder Dritten gegenüber den Interessen oder Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Personen.

Sebastian Schulz vom Bundesverband für E-Commerce und Versandhandel betonte, dass der freie Verkehr von personenbezogenen Daten mit dem Schutz von natürlichen Personen bei der Verarbeitung gleichrangig sei. Datenschutzrecht sei ein Abwägungsrecht und "ein super Grundrecht, aber kein Supergrundrecht" Theorie und geübte Praxis würden sich gerade bei der Interessensabwägung nach Art 6 (f) DSGVO häufig voneinander unterscheiden und der Einsatz eines systematischen Modells, wie das 3x5-Modell von Herfurth, sei zur Erzielung nachvollziehbarer Ergebnisse unbedingt empfehlenswert.

Künstliche Intelligenz und Datenschutzrecht im Internet und in der Telekommunikation

Prof. Dr, Johannes Caspar, Datenschutzbeauftragter von Hamburg, erörterte in seinem Grundsatzreferat die absehbaren Folgen des zunehmenden Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung. Algorithmen und maschinelles Lernen würden vermehrt zu automatisierten Verfahren und Entscheidungen mit unmittelbarer Wirkung auf die Grundrechte der Betroffenen führen. Notwendig sei in diesem Zusammenhang eine sachgerechte Adaption der DSGVO und eine digitale Charta der Grundrechte.

Rechtanwalt Dr. Simon Assion von der Kanzlei Bird&Bird thematisierte in seinem Vortrag die Rechtslage für das Internet- und Telekommunikations-Datenschutzrecht. Datenschutzregeln in diesen Bereichen würden seit 25. Mai 2018 durch die DSGVO verdrängt und seien in der Folge größtenteils unwirksam. Das verbleibende nationale Recht hätte dann nur noch Inselcharakter und werde auf die ePrivacy-Richtlinie und das Fernmeldegeheimnis reduziert. Dessen ungeachtet blieben aber Rechtspflichten zur Verarbeitung bestehen.

Etwaige Nebenwirkungen der DSGVO

Fragen zum Sinn und Zweck des Datenschutzes und zur Bedeutung einer (nicht geführten) Grundsatzdebatte für die Praxis stellte Dr. Winfried Weil, Referent im Bundesministerium des Innern, in seinem Vortrag. Das zentrale "Schutzgut des Datenschutzrechts sei vollkommen unklar und hoch umstritten".
Als häufig angeführte Schutzgüter der DSGVO benennt er die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen, den freien Verkehr personenbezogener Daten und den Binnenmarkt. Die Vielfalt der nicht eindeutig festgelegten Schutzzwecke führe in der Folge zur Überforderung bei Verantwortlichen und zu Enttäuschungen beim Betroffenen.

Beobachtete Verhaltensänderungen aufgrund veränderter Anreize konstatierte Per Meyerdierks von Google Deutschland als mögliche Nebenwirkungen der DSGVO. Anhand der deutlich angwachsenen Wortmenge in den Datenschutzgesetzen, des gestiegenem Bußgeldrahmens und erweiterten, räumlichen Anwendungsbereichs der DSGVO diagnostizierte er eine mögliche Überdosierung des europäischen Datenschutzrechts. In der Folge bemerke man unter anderem bei Verantwortlichen einen Trend zur Einwilligung als Erlaubnistatbestand, eine neue Ernüchterung und Bescheidenheit in Datenschutzangelegenheiten bei deutschen Unternehmen und Datenschutzbeauftragten sowie vermehrt, vorsorglich aktivierte Datenschutzeinstellungen mit erhöhten Usability-Kosten.