Bitkom-Studie

Digitalisierung braucht mehr Mut und neue Ideen

20.03.2017
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Die Digitalisierung ist in Unternehmen und Gesellschaft angekommen, will eine Bitkom-Studie glauben machen. Doch im Räderwerk des digitalen Wandels knirscht noch immer viel Sand. Wirklich neue Ideen sind Mangelware und viele Menschen haben nach wie vor Angst vor den anstehenden Veränderungen.
Bitkom-Präsident Thorsten Dirks forderte auf der CeBIT, die Chancen der Digitalisierung jetzt zu nutzen.
Bitkom-Präsident Thorsten Dirks forderte auf der CeBIT, die Chancen der Digitalisierung jetzt zu nutzen.
Foto: Deutsche Messe AG

Die Digitalisierung ist in den Unternehmen angekommen - so lautet das Fazit des Branchenverbands Bitkom zum Auftakt der diesjährigen CeBIT. Neun von zehn Geschäftsführern und Vorständen in Unternehmen ab 20 Mitarbeitern würden die Digitalisierung eher als Chancen sehen, hieß es unter Berufung auf eine eigene Studie des ITK-Verbands. Nur sieben Prozent würden den digitalen Wandel vor allem als Risiko einstufen.

Damit habe sich die digitalisierungsfreundliche Stimmung verglichen mit dem Vorjahr noch einmal leicht gesteigert, so das Fazit des IT-Lobbyverbands. Zudem würden sich deutlich mehr Unternehmen mit der Digitalisierung beschäftigen. Mittlerweile gebe es in drei Viertel aller Unternehmen eine eigene Digital-Strategie, vor zwei Jahren habe der Anteil erst bei 63 Prozent gelegen.

Digitalisierung - Prozesse optimieren und Effizienz steigern

Nur noch jedes zweite Unternehmen (55 Prozent) hält die digitale Transformation für eine große Herausforderung - vor zwei Jahren waren es noch 70 Prozent gewesen.
Nur noch jedes zweite Unternehmen (55 Prozent) hält die digitale Transformation für eine große Herausforderung - vor zwei Jahren waren es noch 70 Prozent gewesen.
Foto: Bitkom

Entsprechend gelassen gingen die Unternehmen mit der Digitalisierung um, hieß es in einer offiziellen Mitteilung des Bitkom. Nur noch jeder Zweite (55 Prozent) halte demnach die digitale Transformation für eine große Herausforderung für das eigene Unternehmen, vor zwei Jahren seien es noch 70 Prozent gewesen. Nur noch elf Prozent glaubten, dass die Digitalisierung die Existenz des eigenen Unternehmens gefährdet. Vor zwei Jahren habe der Anteil mit 19 Prozent noch fast doppelt so hoch gelegen. "Die Digitalisierung ist in den Unternehmen angekommen und wird praktisch angegangen", konstatierte Bitkom-Präsident Thorsten Dirks. "Sie wird nicht mehr als außerordentliche Herausforderung wahrgenommen, sondern als eine unternehmerische Aufgabe wie andere auch."

Es gibt allerdings durchaus noch Handlungsbedarf. So liegt Dirks zufolge der Digitalisierungsfokus deutscher Unternehmen vornehmlich darauf, bestehende Prozesse zu verbessern und die Effizienz zu steigern. Lediglich 39 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, im Zuge der Digitalisierung neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Das ist sogar ein Prozentpunkt weniger als in der vorangegangenen Umfrage aus dem Jahr 2016. In anderen Märkten wie beispielsweise den USA oder in Asien würden die Unternehmen dagegen verstärkt neue Produkte und Services sowie neue Geschäftsmodelle entwickeln, warnte Dirks.

"Die Digitalisierung ist kein Selbstläufer"

Mittlerweile gibt es in drei Viertel aller Unternehmen eine eigene Digital-Strategie, vor zwei Jahren waren es erst bei 63 Prozent.
Mittlerweile gibt es in drei Viertel aller Unternehmen eine eigene Digital-Strategie, vor zwei Jahren waren es erst bei 63 Prozent.
Foto: Bitkom

Der Bitkom-Präsident mahnte eindrücklich, die Digitalisierung sei kein Selbstläufer. Zwar habe man in Europa und in Deutschland eine gute Ausgangsposition. "Doch die erste Halbzeit haben wir verloren", stellte Dirks unter Verweis auf die großen Internet-Plattformen aus den USA und Asien fest. Seine klare Ansage lautet denn auch: "Die zweite Halbzeit dürfen wir nicht verlieren." Hier gehe es schließlich um den digitalen Wandel in den Leitindustrien wie beispielsweise dem Maschinenbau sowie der Automobilindustrie. "Es liegt an uns, was wir daraus machen", sagte Dirks. "Wir müssen die Chance jetzt nutzen."

Damit dies gelingt, gilt es aus Sicht des Bitkom, vor allem die Menschen mitzunehmen. "Es geht nicht nur um die Digitalisierung der Wirtschaft", machte Dirks klar, "sondern vor allem auch um die Digitalisierung der Gesellschaft. Dabei müssen allerdings noch etliche Vorbehalte aus dem Weg geräumt werden. Auch wenn der Bitkom darauf verweist, dass eine Mehrheit der Deutschen die Digitalisierung als Chance begreift und im Zuge des digitalen Wandels mit wachsendem Wohlstand rechnet, ordnet doch immerhin ein Drittel der über 1000 befragten Bürgerinnen und Bürger die Digitalisierung als Gefahr ein und rechnet mit einem geringeren Wohlstand.

Kein Job-Killer, aber ein Job-Veränderer

Während die Unternehmen in anderen Märkten wie den USA oder Asien neue Produkte und Services sowie neue Geschäftsmodelle entwickeln, halten sich die Deutschen eher zurück.
Während die Unternehmen in anderen Märkten wie den USA oder Asien neue Produkte und Services sowie neue Geschäftsmodelle entwickeln, halten sich die Deutschen eher zurück.
Foto: Bitkom

Der Bitkom räumt ein, dass es durchaus Ängste im Zusammenhang mit der Digitalisierung gibt. Diese würden jedoch geringer, je konkreter sie für die Befragten zu fassen sind. Demnach hätten 56 Prozent der Befragten angegeben, die Digitalisierung gefährde Arbeitsplätze in Deutschland, aber nur elf Prozent der Erwerbstätigen würden ihren eigenen Arbeitsplatz bedroht sehen. Fast jeder zweite Deutsche (45 Prozent) glaube, dass die Digitalisierung die Existenz von Unternehmen in Deutschland bedroht - aber nur jeder Vierte (26 Prozent) sorge sich um seinen eigenen Arbeitgeber.

"Die Digitalisierung ist kein Jobkiller", beteuerte denn auch Bitkom-Präsident Dirks. Am Ende werde es mehr Arbeitsplätze geben, verspricht der IT-Funktionär, allerdings würden diese anders aussehen. Der Bitkom-Präsident macht keinen Hehl daraus, dass es einen Umbruch in der Arbeitswelt geben wird - beispielsweise durch die Automatisierung in vielen Bereichen. Man werde viele Menschen nicht in die neue digitale Welt mitnehmen können. Dirks zufolge seien daher dringend eine gesellschaftliche Diskussion sowie eine Anpassung der Sozialsysteme erforderlich.