Die Digitalstrategie im Überblick
Diese sechs Felder der Digitalisierungsstrategie sind keine in sich abgeschlossenen Bereiche. Sie greifen stark ineinander, und es ist eine sorgfältige Choreografie erforderlich, um die Strategie umzusetzen. Daten unterstützen die Bewertung von Innovationen, welche die Kundenbedürfnisse besser befriedigen, woraus wiederum ein neues, erfolgreicheres Geschäftsmodell entsteht. Viele gewohnte Dinge werden in Frage gestellt, etwa schon dadurch, dass Daten abteilungsübergreifend ausgewertet werden müssen.
Schnell stößt man bei der Entwicklung der Digitalisierungsstrategie auch an kulturelle oder organisatorische Schranken. Deshalb ist es notwendig, schon im Prozess der Strategieentwicklung die Begrenzungen transparent zu machen, um sie bei der Umsetzung der Strategie nicht als dauerhafte Fesseln mitzuschleppen.
Die digitale Strategie ist der Ausgangspunkt für die digitale Transformation - ein Veränderungsprozess, der die Unternehmen vor ein ganzes Bündel an Herausforderungen stellt. Neue Fähigkeiten und Zusammenarbeitsmodelle entstehen und tragen der extremen Beschleunigung Rechnung. Abteilungsgrenzen verschwimmen, komplexere Aufgabenstellungen sind zu bewältigen, neue Führungsmodelle entstehen. Elfenbeintürme mit langfristiger Forschung und Innovation verlieren an Bedeutung, weil die Zeithorizonte sich extrem verkürzen. Stattdessen werden agile Arbeitsprinzipien immer wichtiger. Nicht selten sichern sie das Überleben von etablierten Unternehmen, weil diese sich erst dadurch - ähnlich wie in Darwins Theorie - schnell an veränderte Bedingungen anpassen können: Survival of the fittest.
Es überrascht nicht, dass diese Veränderungen auch eine neue Art Manager erfordern. Der Begriff des Digital Leadership beschreibt diesen Typus des agilen Managers, der mit netzwerkartigen Wissenskulturen ständig Neues schaffen kann und der die (nicht nur) digitalen Bedürfnisse seiner Kunden und Mitarbeiter kennt. Er wird eine Kultur von Finger-pointing und Schuldzuweisung in eine Kultur des Experimentierens und Lernens verwandeln.
- Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle. - Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen. - Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf. - Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle". - Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen. - Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung. - Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise. - Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein. - Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.
Der agile Manager fordert seine Mitarbeiter dazu auf, regelmäßig gewohnte Dinge im Unternehmen in Frage zu stellen. Nur wer eine gute, lebendige und fortwährend angepasste digitale Strategie hat, wird langfristig wettbewerbsfähig bleiben und nachhaltig Kunden für sich gewinnen. Die bloße Entwicklung einer Strategie reicht deshalb nicht aus. Letztlich kommt es darauf an, in die Digitalstrategie einen Prozess einzubauen, der für ihre regelmäßige Bewertung und Neuausrichtung sorgt. (bw)
Literaturnachweise
The Digital Transformation Playbook: Rethink Your Business for the Digital Age, David L. Rogers, 2016.
Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator, Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger, Michaela Csik, 2013.