Digitale Transformation

Die sechs Punkte einer guten Digitalisierungsstrategie

21.04.2020
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Dietmar Matzke ist Management Consultant bei Cassini Consulting. An der TU München studierte er Informatik. Seit über 15 Jahren arbeitete er immer sehr nah am Produkt, darum hat er sich als Berater auf das Produktmanagement fokussiert. Er verbindet die effektiven Methoden des Produktmanagements mit den agilen Methoden der Produktentwicklung – für eine kurze Time-to-Market.

Durch Daten über den Kunden lernen

Digitale Vorhaben leben davon, Daten in großen Mengen auszuwerten. So lassen sich Erkenntnisse über das Kundenverhalten, aber auch über interne Prozesse gewinnen, um damit Produkte zu verbessern oder ganze Geschäftsmodelle zu steuern. Der Wert der Daten und ihrer Analyse ist vielen Unternehmen heute noch nicht klar. Ungeheure Schätze schlummern in den Datenbanken und Servern der Unternehmen, ohne genutzt zu werden.

Dabei darf man nicht nur die im eigenen Unternehmen gesammelten Daten betrachten - auch Daten, die die Partner ermitteln, können wertvoll sein. Wenn nicht wertvoller, weil vielleicht nur der Partner den direkten Kontakt zum Kunden hält. Es ist deshalb sinnvoll, für Verträge mit Partnern Klauseln darüber zu entwickeln, welche Daten ausgetauscht werden sollen. Zudem lässt sich die Datenbasis auch durch öffentlich zugängliche Datenquellen ergänzen. Datengetriebene Prozesse ermöglichen akkurate Empfehlungen, klare Segmentierungen der Kundengruppen und Hilfen bei der Entscheidung für ein komplexes Produkt - und eröffnen so einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen oder einen Nutzen für seinen Kunden.

Eine Digitalstrategie muss daher eine klare Aussage zur Datenstrategie enthalten. Dazu gehört es, vorhandene Daten zu bewerten und einen Ausblick auf Daten zu geben, die in Zukunft erhoben, genutzt und gegebenenfalls monetarisiert werden können.

Die Wettbewerbsstrategie neu ausrichten

Die Digitalisierung erlaubt völlig neue Geschäftsmodelle. Etwa solche, die sich durch Netzwerkeffekte - meist durch das Internet ermöglicht - ergeben. Plattformmodelle gestatten es beispielsweise, mehrseitige Märkte durch Vermittlungsdienstleistungen zu bedienen. Monetarisiert wird hier nur noch die kluge Zusammenführung von zwei oder mehreren Marktteilnehmern.

Lesetipp: Die Plattform-Strategie von ZF Friedrichshafen

Aber auch Freemium-Modelle, bei denen das Basisprodukt kostenlos ist, sind dank verringerter Grenzkosten (die Kosten für die Replikation eines Produkts) möglich geworden. Viele weitere Muster für Geschäftsmodelle können in der Digitalisierung eine Rolle spielen.

Die neuen Geschäftsmodelle erfordern es auch, die Wettbewerbsstrategie zu überdenken. Während sich die Welt früher leicht in schwarz oder weiß einordnen ließ - also in Konkurrent oder Partner -, ist sie heute bunt. Die Wettbewerber eines Unternehmens können in einigen Bereichen tatsächlich Konkurrenten sein, während sie in anderen Bereichen vielleicht kooperieren. Wenn ein Markt für einen Anbieter zu klein und deshalb wirtschaftlich uninteressant ist, kann sich dies durch die Partnerschaft mit einem Wettbewerber ändern. Frei nach dem Motto: "growing the pie" im ersten Schritt und "dividing the pie" im Zweiten.

Die digitale Strategie für die Geschäftsmodelle berücksichtigt die bestehende Wertschöpfungskette - und ergänzt sie. Die Potenziale der Wettbewerbskooperationen werden neu ausgerichtet. Dabei gilt es, auch bisher undenkbare Situationen zu beleuchten.

Sich des kulturellen Wandels im Unternehmen bewusst sein

Neue Geschäftsmodelle, Innovationen, die Altes über den Haufen werfen, die Wertverschiebung hin zu einem Data Driven Business, ein anderes Verhältnis zum Kunden: All dies rüttelt üblicherweise an fast allen Grundfesten eines Unternehmens. Zudem lässt eine digitale Transformation nicht viel Zeit, sich auf Veränderungen einzustellen. Während in einem Startup alle von Beginn an wissen, wie sie mit den Herausforderungen der Digitalisierung umzugehen haben, bedeutet die digitale Transformation für ein etabliertes Unternehmen große Umwälzungen. Die Strategie muss diese Auswirkungen auf die Mitarbeiter und den erforderlichen Kulturwandel einbeziehen. Auch neue Mitarbeiter und die Anforderungen an die Personalentwicklung sind einzuplanen. Zum kulturellen Wandel, durch den eine digitale Transformation erfolgreich wird, gehören die folgenden Aspekte:

  • Agile Prinzipien von der Entwicklung bis ins Management: Die Anpassung an veränderte Marktbedingungen, Kundenbedürfnisse, Regularien und Wettbewerbsangebote erfordert Schnelligkeit im Handeln. Aktionismus allerdings hilft hier nicht weiter, sondern führt ins Verderben. Es gilt, agile Prinzipien zu etablieren, um Veränderungen Rechnung zu tragen und bewegliche Ziele erreichen zu können.

  • Positive Fehlerkultur: Fehler zuzulassen und aus ihnen zu lernen, ist die Grundlage für eine Kultur der Neugier, und es sorgt für den Innovationsgeist, der in der Digitalisierung nötig ist.

  • Bereichsübergreifende Zusammenarbeit von Wissensarbeitern: Die digitale Transformation macht es auf vielen Ebenen erforderlich, äußerst komplexe Probleme zu lösen. Vielen Experten haben sich daran zu beteiligen, und es ist notwendig, deren Zusammenarbeit effizient und effektiv zu gestalten.

  • "Co-Opetition" - mal Freund, mal Feind: Der Begriff beschreibt die Dualität von Kooperation und Konkurrenz. Immer öfter werden Partnerschaften mit Konkurrenten notwendig, und Netzwerke etablieren sich. In gewissen Aspekten arbeitet man zusammen, in anderen konkurriert man weiter. Die Arbeitsteilung zwischen dem eigenen und den Partnerunternehmen zu gestalten, ist deshalb ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Wandels.

Die kulturelle Neuausrichtung des Unternehmens darf in dessen Strategie für eine digitale Transformation nicht fehlen. Der Kulturwandel betrifft viele, wenn nicht alle Mitarbeiter des Unternehmens, und es wird nötig sein, etliche Gewohnheiten zu verändern. Die kulturelle Neuausrichtung wird darum viel Zeit und Fingerspitzengefühl erfordern.