Für Carolin und Heiko Lüdemann gleicht das Vorstellungsgespräch mitunter einem Judokampf: Schwierige Fragen bringen Bewerber in die Klemme, aus der sie sich am besten auf sympathische und charmante Weise befreien sollten. Die Lüdemanns arbeiten als Karriereexperten und Trainer und geben ihre Erfahrungen aus zahlreichen Coachings in ihrem Buch "Fangfragen in Vorstellungsgespräch souverän meistern" weiter.
Ihr Tenor: Bewerber sollen sich vorher auf das Gespräch nicht nur gut vorbereiten, sondern dann auch den Mut für außergewöhnliche Antworten aufbringen und so punkten. Hier acht typische (Fang-) Fragen und Tipps für die besseren Antworten.
Warum wollen Sie das Unternehmen, für das Sie arbeiten, verlassen?
Sie sollten nie schlecht über ihren bisherigen Arbeitgeber sprechen. Erwecken Sie nicht den Eindruck, dass Sie wechseln müssen. Wenn Sie etwa zugeben, dass Sie mit dem Führungsstil bei ihrem bisherigen Arbeitgeber unzufrieden sind, könnte ihr Gesprächspartner denken, dass Sie mit Vorgesetzten Probleme haben oder Fehler bei anderen suchen.
Außergewöhnliche Antwort: "Ich schätze meinen Arbeitgeber und bin dankbar für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. In den vergangenen Monaten hat sich aber herausgestellt, dass meine internen Entwicklungsmöglichkeiten begrenzt sind, und deshalb möchte ich mich neu orientieren. Das ist zwar schade, aber ich lasse deshalb meinen Kopf nicht hängen. Ich möchte meine Stärken und mein Können in einem anderen Umfeld einsetzen."
Wie stehen Sie zu Überstunden?
Sagen Sie nicht, dass Sie daran gewöhnt sind und dass Sie auch in ihrem letzten Job immer wieder Überstunden gemacht haben. Das könnte heißen, dass sie entweder mit ihrer Zeit nicht zu recht kommen oder für ihren Job auf Privatleben verzichten können. Beides wäre schlecht und letzteres auch unglaubwürdig.
Außergewöhnliche Antwort: "Grundsätzlich bin ich bestrebt, meine Aufgaben in der vorgegebenen Zeit zu erledigen. Das Prozedere im Vorfeld sauber zu planen und Prioritäten zu erkennen sind dafür wichtige Voraussetzungen. (Pause) Wissen Sie, ich suche eine Herausforderung, bei der ich mich einbringen und entwickeln kann, und so, wie es sich anhört, bieten Sie mir hier eine sehr interessante Aufgabe an. Ich weiß aber auch, dass man nicht jeden Arbeitstag von neun bis 17 Uhr im Voraus planen kann und deshalb flexibel sein muss. Ich habe mich im Vorfeld mit meiner Frau (Mann, Freund, etc) über diese Aufgabe unterhalten und uns ist beiden klar, dass eine wirkliche Herausforderung im Beruf genauso wichtig ist wie gute Beziehungen und sinnvoll gestaltete Freizeit."
Warum haben Sie so lange studiert?
Wer ohne erkennbaren und nachvollziehbaren Grund lange studiert hat, wird oft als wenig zielstrebig und zu wenig motiviert angesehen. Prüfen Sie, ob Sie der überdurchschnittlich langen Studiendauer nicht etwas Positives abgewinnen können. Ein gutes Argument ist es, wenn man sich den Unterhalt für das Studium selbst finanzieren musste.
Warum waren Sie in den letzten zehn Jahren in der gleichen Position im gleichen Unternehmen beschäftigt?
Hintergrund dieser Frage ist, ob es keine Entwicklungsmöglichkeiten für den Bewerber gab und warum er bei Beförderungen vielleicht übergangen worden ist. Der Bewerber sollte seine Entwicklungsfähigkeit aufzeigen und mit Beispielen belegen, wie sich seine Aufgabengebiet im Laufe der Jahre verändert beziehungsweise erweitert hat.
Warum haben Sie Ihre letzte Stelle verloren?
Der Grund, warum man arbeitslos wurde, spielt immer noch eine Rolle. Akzeptiert sind Wirtschaftliche Gründe wie Konkurs, Umstrukturierung und Rationalisierung. Gab es Probleme mit dem früheren Arbeitgeber oder Kollegen beziehungsweise hatte die Kündigung einen verhaltensbedingten Grund, sieht die Sache anders aus. Der Tipp der Karrierecoaches lautet: "Bleiben Sie bei der Wahrheit. Halten Sie Ihre Schilderungen kurz und sachlich. Und sprechen Sie keinesfalls schlecht über Ihren alten Arbeitgeber und Kollegen."
Lügen im Bewerbungsgespräch oder im Lebenslauf sollten übrigens tunlichst vermieden werden, denn einem gewieften Personalprofi entgeht selten etwas:
- Lügen im Lebenslauf
Papier ist geduldig, Personaler nicht. Wer seinen Lebenslauf frisiert, hat meist keine Chance auf den Job. - Auf den jungen Bill Gates ...
... sollte man sich lieber nicht beziehen, wenn man seine PC-Kenntnisse beweisen will. Ein Bewerber behauptete, er arbeite seit 1970 mit Microsoft Windows. - Internationalität ist bei Personalern gefragt
Wer aber behauptet, zwei verschiedene Praktika zur gleichen Zeit in zwei Ländern absolviert zu haben, hat schlechte Karten. - Der glücklichste Tag im Leben ...
... hat nichts in einer Bewerbung zu suchen. Entsprechend überrascht war ein Personaler, als er das Hochzeitsfoto des Bewerbes auf dem Lebenslauf sah. - Gefälschte Diplome ...
... gibt es wahrscheinlich genug. Wenn dann das gefälschte Zertifikat noch einen Rechtschreibfehler enthält, fliegt der Täter schnell auf. - Treffpunkt Aufzug
Personalmanager müssen nicht Aufzug fahren, um zu wissen, wer im Unternehmen arbeitet. Pech für den Bewerber, der fälschlicherweise angibt, in der Firma gearbeitet zu haben, in der zum selben Zeitraum auch der Personaler beschäftigt war. - Wer einmal im Gefängnis sitzt ...
... und nachher diese Zeit als "Stellensuche" deklariert, hat keine Chance auf einen Wiedereinstieg.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Diese Frage ist offiziell nicht zulässig, aber wird häufig gestellt. Geben Sie ein, zwei Aktivitäten an und wählen Sie diese sorgfältig aus. Also keine unfallträchtigen Sportarten oder Aktivitäten wie Motorradfahren. Die Hobbys sollten nicht im Widerspruch zum Job stehen und auch nicht so zeitaufwändig sein, dass Sie etwa keinerlei Überstunden oder Geschäftsreisen machen könnten. Pluspunkte kann man mit Freizeitbeschäftigungen sammeln, die der Regeneration und der Pflege sozialer Kontakte dienen.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Wer hier antwortet, dass er sich über Kritik freut und Sie gern annimmt, stellt sich als Musterschüler dar und ist wenig glaubwürdig.
Außergewöhnliche Antwort: "Grundsätzlich freut mich Kritik nicht besonders, schließlich bedeutet sie ja, dass etwas besser hätte laufen können. Ich habe aber gelernt, dass Kritik sehr hilfreich und lehrreich ist und dadurch künftige Fehler vermieden werden können. (Pause) Vielleicht sollte man das Wort Kritik gegen Feedback tauschen. Jeder braucht die Information, ob die Dinge in Ordnung sind und ob in Zukunft etwas anders getan werden muss."
Kritikfähigkeit gehört übrigens mit zu den wichtigsten Soft Skills, auf die Personaler achten. Weitere wichtige weiche Fähigkeiten sind:
- 1. Kommunikative Kompetenz
Ihre Kommunikationsfähigkeit hilft Ihnen, Konsens herzustellen und Verständnis für Ihre Ziele und Wünsche zu erzeugen. - 2. Selbstbewusstsein
Selbstbewusst bedeutet unter anderem, sich selbst bewusst wahrzunehmen, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen. - 3. Einfühlungsvermögen
Wer empathisch ist, kann andere leichter von seiner Sache überzeugen. - 4. Teamfähigkeit
In jeder Stellenanzeige ist Teamfähigkeit gefordert. Teamfähig zu sein bedeutet unter anderem, seine Rolle im Team zu erkennen und sich entsprechend der an diese geknüpften Erwartungen zu verhalten. - 5. Kritikfähigkeit
Kritikfähig zu sein bedeutet nicht nur, Kritik zu üben (fair, sachlich), sondern auch Kritik annehmen, reflektieren und entsprechend umsetzen zu können. Besonders in Teams, Projekten und in Führungssituationen spielt der Umgang mit Kritik eine entscheidende Rolle. - 6. Analytische Kompetenz
Wenn Sie Ihre analytischen Fähigkeiten trainieren, sind Sie in der Lage, Situationen rasch zu erfassen und entsprechend schnell zu reagieren. - 7. Vertrauenswürdigkeit
Vertrauen ist die Erwartung, sich in kritischen Situationen auf den anderen verlassen zu können. - 8. Selbstdisziplin/Selbstbeherrschung
Wer sich nicht selbst beherrscht, bleibt immer Knecht. Nur wer sich selbst im Griff hat, kann andere überzeugen. - 9. Neugierde
Neugierde ist die Voraussetzung für Kreativität. - 10. Konfliktfähigkeit
Nur wenn Sie andere Auffassungen akzeptieren können und sich offen mit Ihren Mitmenschen auseinander setzen, leben Sie ein selbstbestimmtes Leben. - 11. Durchsetzungsvermögen
Sich angemessen durchzusetzen bedeutet zu überzeugen, statt zu überreden - oder zu zwingen. Überzeugt folgen Ihnen andere gern auf Ihrem Weg. - Mehr zum Thema Soft Skills ...
... finden Interessierte im gleichnamigen Buch von Gabriele Peters-Kühlinger und Friedel John - erschienen bei Haufe im praktischen "TaschenGuide"-Format (passt in jede Hosentasche).