Die Kämpferin
Überweisungen prüfen, Kreditanträge bearbeiten, für die Berufsschule lernen: Wer, wie Selina Piening, eine Banklehre antritt, hat gut zu tun. Eigentlich. Doch während ihre Arbeitskollegen von der Stadtsparkasse München am Wochenende zum Tegernsee rausfuhren oder ins Kino gingen, hieß es für die damals 18-Jährige am Samstag ab ins Einrichtungshaus zum Möbelverkaufen. Und sonntags bügeln - zehn Stunden, in einer Reinigung. "Ich wollte meiner Mutter nicht länger auf der Tasche liegen, ich wollte unabhängig sein", erklärt Piening im Rückblick ihr für einen Lehrling ungewöhnliches Arbeitspensum. Dafür opferte sie ihre Freizeit - jahrelang.
"Dieser ungeheure Durchhaltewillen zieht sich durch Selina Pienings gesamte Biografie", sagt Personalberater Heiner Thorborg über die Karriere der heute 39-Jährigen, die mittlerweile als Vertriebsdirektorin bei der Privatbank Edmond de Rothschild arbeitet.
Piening kam 1974 in München zur Welt. Doch ihre alleinerziehende Mutter, die als Gastarbeiterin nach Deutschland gekommen war und in der Produktion bei Siemens arbeitete, hatte keine Zeit, sich um ihr Baby zu kümmern, gab es zur Oma nach Istanbul. Dort wuchs das Mädchen auf. Großmutter und Enkelin halfen sich gegenseitig. Ihr Talent für Zahlen zeigt sich früh: Schon mit elf Jahren machte Piening die Steuererklärung der Oma. "Wenn man mit einem alten Menschen lebt", so Pienings lapidare Erklärung, "übernimmt man früh Verantwortung."
Bis heute verlässt Piening sich am liebsten auf sich selbst. Ihr ganzes Leben hat sie für diese Unabhängigkeit gearbeitet - auch weil sie von Kindheit an mit Frauen umgeben war, für die diese Haltung selbstverständlich ist. Ihre Großmutter kümmert sich größtenteils alleine um die Enkelin, Pienings Mutter arbeitet Vollzeit in Deutschland, bringt Selinas kleinen Bruder ohne Mann durch. War der Fernseher kaputt, baute Selinas Mutter ihn eigenhändig auseinander, nahm Teile mit zur Arbeit und lötete sie dort. "Für mich war es selbstverständlich, dass eine Frau alles kann", sagt Piening.
Als Selina 15 ist, stirbt ihre Oma. Sie zieht nach München zu ihrer Mutter - ein Neustart. Sie kennt niemanden, auch innerhalb der Familie nicht, spricht kein Deutsch - ist dennoch voller Euphorie und Tatendrang. "Ich hatte ja keine Ahnung, wie viele Präpositionen und unregelmäßige Verben es im Deutschen gibt." Und das ist gut so: Piening besucht eine Realschule, hat zweimal pro Woche nachmittags Deutschunterricht und liest unentwegt laut aus der Zeitung vor, um zu prüfen, ob es sich wie bei den Nachrichtensprechern anhört. In nur drei Jahren lernt sie die Sprache so gut, dass sie eine Lehre als Bankkauffrau beginnen kann.
Drei Jahre kein Urlaub
Doch das ist ihr nicht genug. Piening absolviert ein Studium zur Finanzwirtin, arbeitet währenddessen als Anlageberaterin für vermögende Privatleute, steigt schließlich in den Vertrieb von Fonds ein. Erst bei DWS, dann bei Axa und heute bei der Privatbank Edmond de Rothschild. Seit 2011 ist sie dort mit dem Aufbau und der Leitung des Vertriebs in Deutschland betraut. Zwischen 2006 und 2009 sattelt sie neben dem Job ein zweites Studium drauf. Drei Jahre ackert sie jede freie Minute für den Abschluss als Finanzanalystin. Kein Urlaub, kaum ein entspanntes Wochenende.
Wozu das alles? Unterstützung vom damaligen Arbeitgeber gibt es nicht, die Qualifikation sei für ihren Job nicht nötig. Doch Piening will sich von der Konkurrenz abheben, freut sich auf das Fachgesimpel mit den Analysten. "Ich stelle mir immer vor, wie mein Ziel sehr konkret aussieht, und das treibt mich an", sagt Piening.
"Sie weiß, dass eine Herausforderung an ihre Grenzen geht, nimmt sie aber dennoch an", sagt Adam Lessing, Pienings Chef während ihrer Zeit bei der Axa. "Auch um zu sehen, ob ihre Grenzen nicht vielleicht doch noch etwas weiter liegen." Im Gegenzug erwartet Piening hohen Einsatz auch von anderen. "Wer glaubt, alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen, ist selbst schuld", sagt die Deutsche mit den türkischen Wurzeln. Sie ist sich sicher, dass in Deutschland für Frauen und Migranten alles möglich ist - solange man genügend Ehrgeiz mitbringt. Trotz dieser vermeintlichen Härte kommt Piening bei Kunden und Mitarbeitern gut an. "Sie ist keine Lehnstuhl-Chefin, die Befehle gibt, selbst aber um 17 Uhr nach Hause geht", sagt Lessing.
Ihre Disziplin wirkt niemals verbissen, ihre Bestimmtheit immer freundlich. Und ihr Styling fällt auf in der Welt der grauen Anzüge: hohe Absätze, perfekt manikürte Nägel, stets geschminkte Lippen. "Selina Piening geht genau den richtigen Weg", sagt Personalberater Thorborg. "Sie ist selbstbewusst, charmant und authentisch." Auch deshalb sieht er die Vertriebsdirektorin noch nicht am Ende ihrer Karriere. Die Prognose des erfahrenen Headhunters: "Sie kann es in den Vorstand einer kleineren Privatbank schaffen."
- Frauen in der IT
Frauen in der IT sind selten und um so mehr gefragt. Die Mischung bringt den Erfolg. Wir haben sieben Managerinnen bei Avanade zu ihren Erfahrungen befragt. - Petra Kaltenbach-Martin
"Während meines Studiums zum Diplom Wirtschafts-Ingenieur war ich die einzige Frau, später beim Master of Science in Manufacturing Management waren wir zwei Frauen. Ich war meine Berufslaufzeit lang immer in der absoluten Minderheit. Dies ist für mich der 'Normalzustand'. Ich habe mein Dasein als Frau in der Männerwelt allerdings nie als etwas Besonderes gesehen. Jede Person ist ein Individuum und so begegne ich jeder Person auch individuell. Ich glaube, Frauen sind meist kommunikativer, wollen sich mehr austauschen, suchen eher Kompromisse, ziehen mehr Leute in die Entscheidung mit ein und ja, sie reden manchmal eher 'zwischen den Zeilen'. Letztendlich ist jede Person am erfolgreichsten und authentischsten, wenn sie einfach nur sie selbst ist." - Annette Rust
"In einer gelebten Unternehmenskultur wie der bei Avanade kann man problemlos seine Frau stehen. Hier zählt nicht nur 'get the best people for the job' – wir wissen, dass gemischte Teams erfolgreicher und innovativer sind und es wirtschaftlich dringend erforderlich ist, das Potenzial von Frauen für diese Branche zu erschließen. Wenn man dann noch mit Passion dabei ist, sich auf Inhalte konzentriert und gemeinsame Ziele hat, stehen einem alle Gestaltungs(frei)räume offen - die Philosophie der Diversity eines offenen und global agierenden Unternehmens ist dabei sehr hilfreich und sicherlich entscheidend." - Patricia Dold
"Es ist schön, nach über 20 Jahren in der IT-Branche an dem Punkt zu sein, dass die weiblichen Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation, Integration, Kooperation nun im Zeitalter der Collaboration zu wichtigen Erfolgskriterien für die Unternehmen geworden sind." - Yasmine Limberger
"Frauen unterschätzen oft ihre eigentlichen Talente und treten manchmal zu bescheiden auf. Das gilt auch in der IT-Branche. Dennoch habe ich hier die Erfahrung gemacht, dass die männlichen IT-Experten die Leistung und Expertise von Frauen als gleichberechtigt anerkennen und Machtkämpfe nur selten auftreten. Frauen sollten selbstbewusst auftreten und ihre 'typisch weiblichen Talente' richtig einsetzen, dann haben sie gerade in der IT gute Chancen, sich in Teams erfolgreich zu platzieren." - Prachi Kumar
"Vielfalt ist enorm wichtig, um Geschäftserfolge zu erzielen. Als Frau im Avanade Management-Team sehe ich, dass dies fester Bestandteil der DNA unseres Unternehmens ist – und dies bestätigt meine Überzeugung, dass wir auf dem richtigen Weg zum Erfolg sind." - Rabea Reitmeier
"Avanade ist in einer Branche tätig, in der viele Aufgaben eher technischer Natur sind und die traditionell männerdominiert ist. Auf den ersten Blick schreckt dies vielleicht erst einmal eine Reihe von Frauen ab. Auf den zweiten Blick benötigt man auch bei IT-Projekten Skills wie Organisationstalent, Kommunikationsstärke und Change Management-Verständnis – alles weibliche Stärken. Bei Avanade zählt auf jeden Fall das persönliche Engagement, daher können Männer wie Frauen hier gleichermaßen Karriere machen." - Kerstin Leibling
"Ich habe bislang nur positive Erfahrungen gemacht: Männer finden es häufig sehr positiv, wenn es eine Frau im Team gibt. Ich selbst bin bislang immer sehr fair behandelt worden und die Erwartungen waren die gleichen wie bei meinen männlichen Team-Kollegen. Ich bin der Meinung, dass frau ihr Glück selbst in der Hand hat und sich nicht selbst im Wege stehen sollte – die Männer tun dies bestimmt nicht."