IT muss mehr sein als eine Hotline
Über Digitalisierung nachzudenken, heißt, ganze Geschäftsmodelle in Frage zu stellen. In welche Richtung sich die Veränderungen insgesamt bewegen müssen, ist indes nicht eindeutig zu beantworten. Es gibt leider keinen Königsweg. Die Frage muss eher branchenspezifisch betrachtet werden. Dennoch gilt: Handeln ist besser als Abwarten, da es sonst zu spät sein könnte.
Viele unterschätzen den Umbruch
Wenn heute ganze Geschäftsprozesse digitalisiert sind, dann betrifft das vor allem Verwaltungsaufgaben. Rund 60 Prozent der von uns Befragten haben diese überwiegend oder ganz digitalisiert. Gilt es indes, Prozesse zu optimieren, Kosten zu senken und agiler zu werden, werden Chancen vergeben. Nur 38 Prozent der Umfrageteilnehmer investieren in den Online-Vertrieb. Auch hier liegen die Branchen Medien, IT und Elektronik vorne. Schlusslichter bilden Versicherungen, Automobil- und Gesundheitsunternehmen.
Hinzu kommt: Die IT-Abteilung wird in vielen Unternehmen nur als "Hotline" zur Problembehebung verstanden. Übersehen wird das Potenzial als Datenquelle und innovative Steuerungseinheit im Wertschöpfungsprozess. Die Bedeutung der IT-Abteilung sollte weit über die Problembehebung im Umgang mit Hard- und Software hinausreichen. Unternehmensleitungen sollten die vorhandenen Daten vielmehr verwenden, um die Chancen zur Rationalisierung und Steuerung des gesamten Wertschöpfungsapparats zu nutzen.
Zu langsam und ignorant
Innovationen sind essenziell für Unternehmen. Das wissen die Entscheider, entsprechend klar fallen oft die Zukunftsstrategien aus. Das ist gut, aber dennoch: Das Innovationstempo in deutschen Unternehmen ist zu gering. Hiesige Firmen sind zudem eher Optimierer als Pioniere. Sie reagieren und adaptieren, das macht sie langsam. Und gibt es doch eine neue Idee, scheitern Unternehmen an der schnellen Umsetzung. Die Hälfte der von uns befragten Firmen können Neuheiten nicht zügig durchsetzen. Schade, denn Innovationen müssen schnell Marktreife erlangen, um Akzeptanz zu finden.
Wichtiger Input geht verloren
Hinzu kommt: Die meisten Unternehmen ignorieren wichtige Ideengeber. Sie binden ihre Kunden und Geschäftspartner nicht ein. Damit geht wichtiger Input verloren, Chancen zur Effizienzsteigerung der Einkaufs- oder Vertriebsprozesse bleiben ungenutzt. Dabei könnte an dieser Stelle auch die Kundenbindung gesteigert werden und damit auch die Akzeptanz für Neuerungen schneller einsetzen. Hier muss sich also noch vieles verbessern. Einige Unternehmen haben zwar schon versucht, Abhilfe zu schaffen - mehr als die Hälfte greifen etwa auf Ideen und Anregungen ihrer eigenen Mitarbeiter zurück, übernehmen innovative Ansätze von anderen Branchen und kooperieren mit Forschungsinstituten. Doch das sind eher klassische Ansätze.
Nur zurückhaltend genutzt
Auf der Höhe der Zeit wären eher Maßnahmen wie Big-Data-Auswertungen oder der Einsatz von speziellen Social-Media-Analysen - diese Möglichkeiten werden bislang in Deutschland aber nur sehr zurückhaltend genutzt. Besonders schwach sind hier wieder die Bereiche Energieunternehmen, Finanzdienstleister und der Lebensmitteleinzelhandel. Das ist problematisch, denn besonders hier handelt es sich um Sektoren, die unter starkem Wettbewerbsdruck stehen.
Was wir in Deutschland brauchen, ist der Mut und der unbedingte Wille zur Veränderung. Unternehmer müssen sich klarmachen: Durch die Digitalisierung ist eine branchenübergreifende Wettbewerbsdynamik entstanden. Das Kundenverhalten hat sich grundlegend verändert, die Produktionszyklen sind kürzer geworden, der Innovationsdruck steigt immens. Hier nicht schnell zu reagieren, kann mittelfristig großen wirtschaftlichen Schaden anrichten.
Denken out-of-the-Box
Unternehmen müssen also ihre Geschäftsmodelle von Grund auf in Frage stellen - und sollten darin eine große Chance sehen. Dazu muss in erster Linie ausreichend Digitalkompetenz in der Firma selbst aufgebaut werden. Zudem müssen Unternehmen insgesamt mehr "out-of-the-Box" denken. Denn alleine mit der Implementierung von Standardprozessen werden die notwendigen Innovationen kaum erreicht. Vor allem aber sollte die Bereitschaft da sein, vorgefasste Meinungen zu ändern, um den Pioniergeist im Unternehmen zu wecken beziehungsweise zu erweitern. Das gilt für alle Mitarbeiter, vor allem aber für die Führung. (jm)