Kunde online - Anbieter nicht
Der Kunde ist König - oder? Dann sollten deutsche Unternehmen ihm entschlossen dorthin folgen, wo er längst ist: ins Internet. Sehr viele Menschen haben ihr Konsumverhalten verändert und kaufen heute am liebsten im Internet. Nur noch 40 Prozent bevorzugen den Gang ins reale Geschäft. Auch andere Innovationen und Technologien kommen bei vielen Kunden gut an. Gleichzeitig steigen die Ansprüche der Konsumenten an ihre Lieferanten. Sie erwarten beispielsweise detaillierte Produktinformationen online. Zudem wollen sie mitbestimmen, mit anderen Kunden diskutieren und Erfahrungsberichte veröffentlichen.
Eine riesige - bislang in Deutschland aber verpasste - Chance. Zwar haben etwa 70 Prozent der befragten Unternehmen mittlerweile einen digitalen Kundenservice, um für Kunden schneller erreichbar zu sein. Allerdings setzen nur 35 Prozent der Befragten auf den Ausbau etwa des digitalen Vertriebs. Auch nur knapp die Hälfte analysiert Nutzerprofile und -daten, um die Kundenansprache zu verbessern. Auch Plattformen für interaktive Kundenbeziehungen werden stark vernachlässigt. Die zurzeit aktivsten Unternehmen kommen auch diesmal aus den Branchen Medien und Telekommunikation. Besonders zurückhaltend sind hier vor allem Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Energie sowie Maschinen- und Anlagenbau.
Fatal für die zukünftige Entwicklung dieser Branchen. Denn klassische Strukturen müssen durch digitale Kommunikations- und Vertriebswege ergänzt werden - durch einen "Multi-Channel Approach".
Dazu gehören die technischen Möglichkeiten einer präzisen Kundenanalyse, die stärker als bisher genutzt werden sollten, um Zielgruppen besser anzusprechen und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Unternehmen könnten zum Beispiel schneller und gezielter agieren und reagieren, wenn sie zur Verfügung stehende Daten über Kunden wirtschaftlich intelligent nutzen würden.
Innovative Unternehmen binden ihre Kunden in den Entstehungsprozess ein und lassen sich dabei helfen, Prozesse zu optimieren. Die Kundenbeziehung wird dadurch intensiver, die Lösungen werden effizienter. Der Vorteil für den Konsumenten liegt vor allem in der individuellen Betreuung und der Transparenz der Dienstleistung.
Die Digitalisierung beschränkt sich jedoch bei Weitem nicht auf den E-Commerce. Sie bietet vernetzte Tools im gesamten Wertschöpfungsprozess, von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bis hin zum anschließenden Kundenservice. Unternehmen können die Kundenakzeptanz und -bindung verbessern sowie die Leistungsfähigkeit im eigenen Unternehmen und im Partnetzwerk optimieren.
Vorbilder sind hier die US-Riesen Google, Apple und Amazon. Wie es nicht funktioniert, hat dagegen der deutsche Versandhändler Quelle gezeigt. Das deutsche Traditionsunternehmen, das jahrzehntelang erfolgreich war, hat zu spät auf die veränderte Wettbewerbssituation reagiert. Andere Unternehmen haben sich im Online-Handel schnell abgesetzt. Das bedeutete bekanntermaßen das Aus für Quelle.
Besonders auffällig ins Hintertreffen geraten sind außerdem deutsche Unternehmen im schienengebundenen Verkehr sowie in der Energieerzeugung und -verteilung. Hier liegt bislang ein riesiger Markt brach, den die Digitalisierung eigentlich bieten würde - den diese Unternehmen aber nicht nutzen.
Aber auch insgesamt haben viele Unternehmen in Deutschland dringenden Nachhol- und Optimierungsbedarf. Zwar haben einige wenige Branchen sich bereits recht gut angepasst, aber insgesamt gilt: In Sachen Digitalisierung und Vernetzung sind die Konsumenten hierzulande bislang noch deutlich fortschrittlicher als die meisten Wirtschaftsunternehmen.