Das Vorzimmer? Mehr Bollwerk als Büro. Der Schreibtisch? Aus Eichenholz. Und die Mitarbeiter? Irgendwo da hinten. "Sorry, so werde ich nicht arbeiten", stellt der neue C-Level-Manager klar. Als Peter Schütt, Leader Collaboration & Talent Solutions Strategy bei IBM, diese Geschichte erzählt, lacht die Runde auf. Die Runde sind elf Experten, die sich zu einer Diskussion über den Arbeitsplatz der Zukunft in die Redaktion der COMPUTERWOCHE trafen.
Das skizzierte Unternehmen repräsentiert damit einen Scherenhebel der weit geöffneten Schere, die alle Diskussionsteilnehmer auf dem Markt sehen. Da gibt es die innovationsfreudigen Startups ebenso wie die "staubigen Büros" in hierarchischen Unternehmen. Letztere werden sich verändern müssen, für erstere ist Wandel sowieso Normalität. "Change" ist eines der Stichworte in der Runde, denn "den" Arbeitsplatz der Zukunft gibt es nicht. "Schon wie die Welt 2025 aussehen wird, wissen wir heute noch nicht", sagt Christoph Kull, Country Manager DACH bei Workday.
Kontroverse um Standardisierung
Nicht einig sind sich die Teilnehmer in Sachen Standardisierung. Thomas Gierich, Head of International Solution Sales bei T-Systems, erklärt: "Die Technologie wird künftig keine Rolle mehr spielen. Es wird um Services gehen, und die müssen standardisiert angeboten werden." 85 bis 90 Prozent der Unternehmens-IT kommen in Zukunft aus der Cloud, schätzt Gierich. Eine These, der Manfred Stetz widerspricht. Der CTO von United Planet sieht einen Trend zur hochgradigen Individualisierung. Er begründet das mit dem Internet of Things (IoT), das brandneue Maschinen ebenso abdecken muss wie 25 Jahre altes Gerät.
Für Ricky Ryssel von CSC widerspricht sich das nicht unbedingt. Der Director Central & Eastern Europe Global Infrastructure Services erklärt: "Standardisierung ist ‘in’, und zwar bezogen auf die Modul-Ebene." Seiner Erfahrung nach will der Kunde nicht mehr alles aus einer Hand. Das kann Knuth Molzen bestätigen: "Die Kunden wollen Spezialisten für die jeweiligen Fachgebiete", sagt der Senior Director Client Computing Devices Germany bei Fujitsu. Und Lutz Emmelmann, Senior Manager Kommunikation & Marketing bei BWI, erklärt: "Es muss eine Standard-Infrastruktur geben, aber die Lösungen sind individuell."
Doch die Technik ist nur ein Teil des "Dreiklangs aus Technologie, Kultur und wechselnden Tätigkeiten", beschreibt Kull den Arbeitsplatz der Zukunft. Molzen sieht die Unternehmen gefordert, Arbeitsplätze nach bestimmten Profilen zu gestalten. So haben zum Beispiel "Vielleser" andere Bedürfnisse als "Knowledge-Worker", die ein Display in der Tischplatte brauchen. Hier hakt Hans-Jürgen Jobst von Avaya ein. Der Senior Marketing Manager Unified Communications & Collaboration nennt das Stichwort Customizing: "Jeder Anwender muss seine Anwendungen customisen können." Ralf Lommel, General Manager Continental Europe bei Kronos, berichtet: "Kunden von mir haben schon Mitarbeiter verloren, weil diese mit der technologischen Ausstattung am Arbeitsplatz nicht zufrieden waren."
"Die IT-Abteilung weiß am wenigsten, wie die Leute arbeiten wollen!"
Markus Zenker von Atos warnt davor, der IT-Abteilung den Arbeitsplatz der Zukunft zu überlassen. Sie darf den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben, sagt der Director Portfolio Management Managed Services. Denn: "Die IT-Abteilung weiß am wenigsten, wie die Leute arbeiten wollen!" Woraus Jobst schlussfolgert: "Deswegen muss die IT ja auch den Dialog mit den Fachabteilungen suchen!" T-Systems-Manager Gierich wiederum proklamiert: "50 Prozent der Mitarbeiter sind gar nicht in der Lage, zu entscheiden, wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen soll." Daher geht es für ihn nicht ohne Change-Management. Wichtig dabei: Die Firmenleitung darf nie von einem "IT-Projekt" sprechen. Sondern von einem Unternehmensprojekt - Firmenkultur eben.
Arbeitsplatz der Zukunft ist Firmenkultur
Die Informationstechnologie ist das Eine. Neben Bits und Bytes gibt es die ganz handfeste Realität des Betons. Den starken Einfluss der Gebäude auf die Kommunikationskultur schildert Thomas Kneissl-Singer von der Datev. Der Abteilungsleiter Sales Operations arbeitet in einem typischen Büro "mit langen Fluren und geschlossenen Türen". Ganz anders der IT-Campus, den die Datev ihren Informatikern gebaut hat. Viel Luft, viel Licht, eine offene Architektur. "Dort kann man beobachten, wie zwanglos der gepiercte, tätowierte Azubi mit dem gestandenen Entwickler redet", schmunzelt Kneissl-Singer.
Nicht die vorhandenen Mitarbeiter vergessen
Und schon ist die Diskussion bei der Demografie angekommen. Avaya-Manager Jobst fordert, der Arbeitsplatz der Zukunft müsse generationsübergreifend sein, schließlich sind in den Unternehmen mittlerweile vier Generationen tätig. Er betont: "Auch Babyboomer können posten!" Zustimmung aus der ganzen Runde - allerdings widerspricht auch keiner, als der 38-jährige Molzen feststellt, dass "Silberrücken" und "Sechzehnender" dann doch ganz anders ticken als Millennials. Und Vertreter der jungen Generation merken sehr schnell, ob eine Firmenkultur zu ihnen passt oder nicht, beobachtet BWI-Manager Emmelmann. Das Thema berührt also auch Fragen der Personalführung. Bei allem Interesse an künftigen, jungen Mitarbeitern mahnt jedoch Kronos-Manager Lommel: "Viele Firmen vergessen, dass sie bereits gute Mitarbeiter haben!"
Wie also können Entscheider in Sachen Arbeitsplatz der Zukunft konkret vorgehen? Für CSC-Manager Ryssel geht es zunächst darum, die richtigen Fragen zu stellen. "Wie tickt das Unternehmen jetzt? Wie will es sich verändern? Darauf müssen unsere Lösungen abzielen", sagt er.
IBM-Mann Schütt zeigt sich überzeugt, dass die IT künftig noch eine ganz neue Rolle spielen wird. Er spricht von einer "Flexibilität des Sensemaking": Was sinnvoll ist, sollte möglich sein. Schütt denkt dabei zum Beispiel an das Thema Augmented Intelligence, kognitive Hilfssysteme, die den Menschen bei seinen Tätigkeiten unterstützen. "Sie haben ja auch gut reden mit Watson", murmelt jemand in der Runde. Doch T-Systems-Manager Gierich denkt etwas anderes. "Der Arbeitsplatz der Zukunft wird mehr Stellen ab- als aufbauen", mutmaßt er und nennt als Beispiel Call Center, in denen Automaten Menschen ersetzen. Bevor die Diskussion ausufert, einigt sich die Runde darauf, diese gesellschaftspolitische Herausforderung nicht auszudiskutieren.
Zurück von der Augmented Intelligence zum Alltag der CIOs. Wie erleben die Gesprächsteilnehmer IT-Entscheider in der Frage des zukünftigen Arbeitsplatzes? Ganz prosaisch, jedenfalls nach der Erfahrung von Fujitsu-Manager Molzen. "Egal, mit welchem CIO sie in diesem Land reden", sagt er, "als Erstes geht es immer um die Basis-Infrastruktur!"
Zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft 4.0 führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multiclient-Studie unter IT-Entscheidern durch. Die Studie soll zeigen, wie deutsche Manager das Thema Arbeitsplatz der Zukunft in ihren Unternehmen angehen. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, dann hilft Ihnen Frau Jessica Schmitz-Nellen (jschmitz-nellen@idg.de, Telefon: 089 36086 745) gerne weiter. Informationen zur Studie Arbeitsplatz der Zukunft finden Sie auch hier zum Download.