Low-Code Day 2023

"Der größte Paradigmenwechsel"

10.10.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Der Mittelstand ergreift die Low-Code-Chance

Auffällig in Hannover war auch die große Resonanz, die das Thema Low-Code bereits im Mittelstand und in bestimmten Industrien hat. Neben Branchenriesen wie Oracle und Outsystems zeigten sich hier viele Low-Code-Anbieter aus dem deutschsprachigen Raum, ihre Stände waren genauso stark frequentiert wie die der Platzhirsche. Ungewöhnlich großen Andrang gab es etwa auf den Ständen von Vision X aus Wien, sowie von Simplifier, Necara und engomo zu beobachten.

Generell zeigte sich in der Niedersachsen-Hauptstadt, dass sich europäische und deutsche Low-Code-Anbieter nicht verstecken müssen. Da die Technologie- und Methodenvielfalt groß ist und die Projekte besonders eng entlang der Kundenbedürfnisse umgesetzt werden müssen, scheint die Dominanz der Großkonzerne weniger stark ausgeprägt zu sein als bei konventionellen, zielgruppenneutralen Entwicklungssystemen.

Was zeichnet einen Low-Code-Developer aus?

Auch die Wissenschaft war in Hannover präsent: Fraunhofer FOKUS stellte ein umfassendes Low-Code-Canvas zum Thema 'Gestaltungsaspekte von Low-Code-Plattformen' vor. Und die Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) wertete die Erkenntnisse aus mehr als zehn wissenschaftlichen Studien zum Einsatz von Low-Code Plattformen aus und gab so einen guten und umfassenden Überblick.

In den Diskussionen an den Ständen kreisten die Expertengespräche auffällig oft um das neue Rollenverständnis, das den Low-Code Developer auszeichnen müsse: Gefragt sind demnach Universalisten, nicht Spezialisten. Sie sollten - anders als klassische Software-Entwickler - eher offen und zugewandt als introvertiert sein. Ein breites Fach- und IT-Wissen ist wichtiger als Tiefenkenntnisse, da technisch schwierige Aufgaben von der Low-Code-Plattform übernommen werden. Wozu sollte man etwa seine Teams in Frontend- und Backend-Entwickler aufteilen, wenn die Plattform sich selbst organisiert und "weiß", was auf dem Server und auf dem Client abzuarbeiten ist?

Low-Code stellt bisherige Methoden und Rollen in Frage

Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die abschließende Podiumsdiskussion, in der die Teilnehmer sich alle Mühe gaben, deutlich zu machen, dass der Low-Code-Ansatz Verwaltung und Wirtschaft schneller in die digitale Zukunft führen kann. Die Technologie sei zudem die vielleicht einzig realistische Antwort auf den allgegenwärtigen Fachkräftemangel.

An der Roundtable-Diskussion auf dem Low-Code Day 2023 in Hannover nahmen teil (v.l.n.r.): Markus Bernhart von Necara, Niedersachsens CIO Horst Baier, Jan Berger von Themis Foresight, Karsten Noack von Scopeland, René Ebert vom Verband SIBB, Gregor Lietz von LCSI und Mark Sewtz von Oracle.
An der Roundtable-Diskussion auf dem Low-Code Day 2023 in Hannover nahmen teil (v.l.n.r.): Markus Bernhart von Necara, Niedersachsens CIO Horst Baier, Jan Berger von Themis Foresight, Karsten Noack von Scopeland, René Ebert vom Verband SIBB, Gregor Lietz von LCSI und Mark Sewtz von Oracle.
Foto: Roundtable-Diskussion auf dem Low-Code Day 2023 in Hannover

Für viele überraschend kam auch das klare Bekenntnis von Mark Sewtz, Senior Director of Software Development bei Oracle: Er betonte, welch überragenden Stellenwert die hauseigene Low-Code-Plattform APEX inzwischen für das Unternehmen habe und wie konsequent sich Oracle auf Low-Code umstelle. Eine ähnliche Ankündigung war vorher so ähnlich auch von SAP zu hören gewesen.

"Low-Code stellt nicht nur die bisherige Entwicklungsmethodik in Frage, sondern auch alles drum herum: das Rollenverständnis der beteiligten Mitarbeiter, das Berufsbild von Softwareentwicklern, die Organisationsstrukturen im IT-Bereich und viele Aspekte des Anforderungs-, Projekt- und Qualitätsmanagements", sagte Karsten Noack, Vorstandsvorsitzender der Low-Code Association e.V., in seiner Keynote. Es handele sich um den größten und umfassendsten Paradigmenwechsel in der Softwareentwicklung seit Jahrzehnten. (hv)