Digitalisierung – die große Chance der HR

Der CHRO läuft CDO und CIO den Rang ab

09.01.2017
Von 
Marc Wagner ist Future-Work-Evangelist und ein ausgewiesener Experte rund um die Themen Future Work, New Work und Innovationskultur. Er ist Senior Partner und Global Head of Transformation, Peoplemanagement & Integral Business bei Detecon International, einer auf digitale Transformation spezialisierten Managementberatung. Seit mehr als 20 Jahren begleitet er Unternehmen bei der Gestaltung der digitalen Transformation. Er ist Autor diverser Publikationen und Studien rund um New Work und Innovationskultur.

HR muss Arbeitskultur mitgestalten

Das sollte ein Weckruf für den Bereich HR sein. Denn wer, wenn nicht die Personalabteilung sollte für das konsequente Management von Talenten und die Schaffung der beschriebenen Kultur verantwortlich sein? Das heißt, HR wird dann nicht nur für das Talent Management verantwortlich sein, sondern die Arbeitskultur des Unternehmens aktiv mitgestalten, sei es durch Coaching von Mitarbeitern und Führungskräften bei der zunehmenden Digitalisierung, die Entwicklung agiler Organisationsformen oder die Beratung der Geschäftsleitung bei der Schaffung einer innovationsfördernden und gleichzeitig produktiven Arbeitskultur. Mit anderen Worten: HR als Mitgestalter der digitalen Transformation in Unternehmen und Hüter des größten Schatzes in Unternehmen des 21. Jahrhunderts: der Talente.

Von daher bietet sich für Personaler jetzt die historische Chance, sich endlich als strategischer Partner des Business zu positionieren (Dave Ulrich beschreibt dies als zentrale Rolle). Doch welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? HR-Vertreter und andere sollten sich folgenden Fragen stellen, um die digitale Transformation in Unternehmen mit anzuführen.

1. Haben wir die richtigen Skills an Bord?

Personaler müssen in der Lage sein, die vielbeschworene digitale Transformation aktiv mit zu managen. Das bedeutet, dass HR-Bereiche zukünftig IT-Skills gepaart mit hochgradig analytischen Fähigkeiten und Projektmanagement-Know-how mitbringen müssen. Klassische HR-Kompetenzen wie zum Beispiel Arbeitsrecht, Psychologie oder Compensation & Benefit werden dabei nicht verschwinden, allerdings klar an Bedeutung verlieren. Außerdem werden operative HR-Prozesse zukünftig nahezu vollständig automatisiert beziehungsweise durch Bots übernommen. Denn auch hier gilt es, eine Befreiung von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten zu erreichen.

Lazlo Bock von Google hat die für den HR-Bereich erforderlichen Fähigkeiten sehr plakativ in drei Gruppen aufgeteilt:

• Ein Drittel Advanced Analytics (z.B. Statistik),

• ein Drittel traditionelle HR-Fachkenntnisse und

• ein Drittel strategischer Beratungshintergrund (Business Sense, Problemlösung).

2. Inwieweit sind die HR-Produkte bereits digitalisiert?

Jedes Unternehmen muss hinterfragen, ob es die Digitalisierung im Bereich HR schon aktiv vorantreibt und ob es bereits konsequent die Möglichkeiten ausschöpft, die moderne Technik im HR-Sektor bietet. Das bezieht sich nicht nur auf eine konsequente Automatisierung von HR-Kernprozessen wie zum Beispiel Payroll, Recruiting oder Zeugnismanagement, sondern insbesondere auf die Nutzung von Analytics und Big-Data-Anwendungen. Das sind Themen, die in Deutschland aufgrund der Mitbestimmung gerne hintangestellt werden. Absolut vertane Chancen allerdings, da eine konsequente Nutzung der in der Firma vorhandenen Mitarbeiter-Datenbasis dazu beiträgt, die Arbeitsbedingungen an die individuellen Bedürfnisse anzupassen sowie etwaige gesundheitliche Belastungen zu beseitigen. People-Analytics-Lösungen im Healtcare-Bereich oder Lösungen wie die von "humanize", mit der die Kommunikation in Betrieben optimiert werden kann, findet man bisher primär im amerikanischen Raum. Ebenso werden die Potenziale wenig genutzt, die durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (Machine Learning) wie zum Beispiel Watson entstehen. Zudem befreit die Digitalisierung nicht wertschöpfender HR-Prozesse von operativem Ballast. Dadurch werden Routinetätigkeiten automatisiert und der Fokus auf wertschöpfende Aktivitäten gelenkt.

3. Sind Sie bereits Anführer der New-Work Future-Work Bewegung im Unternehmen?

Dank zunehmender Digitalisierung und damit einhergehender Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen (Zeit, Ort, Art) bietet sich die Chance, die Wünsche der Mitarbeiter nach sinnstiftender, wertschöpfender Arbeit und einer stärkeren Individualisierung mit den Wünschen des Unternehmens nach hoher Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit in Einklang zu bringen. Eine entsprechende Arbeitskultur, bei der Agilität, Flexibilität, Individualität und demokratische Führungsstrukturen im Zentrum stehen, wird gerne unter dem Begriff "New Work" zusammengefasst. Vielfach werden diese Themen noch isoliert von einzelnen Funktionen wie beispielsweise Immobilien, Finance, IT und Strategie vorangetrieben. Die HR sollte hier die Chance nutzen, eine Klammer zu bilden und Gestalter einer neuen, innovativen Arbeitskultur zu werden.

Erfolgreiche beziehungsweise ermutigende Beispiele gibt es ja bereits. Im Ausland zum Beispiel Airbnb, wo sich der HR-Bereich um Mark Levy neu aufgestellt und dem "Employee Experience" (im Sinne von Mitarbeiter sind unsere wichtigsten Kunden) verschrieben hat. Oder Netflix, dessen HR-Personal fast 80 Prozent der Zeit mit Interviews und dem Coaching von Talenten verbringt. Aber auch in Deutschland gibt es Vorbilder, wie den Bereich "Digital & Innovation" der Deutschen Telekom, der die Digitalisierung der Arbeitskultur vorantreibt und wichtige Impulse für eine Innovationskultur liefert. Alles Beispiele, die einen Gedankenanstoß zur weiteren Diskussion geben können.

Fazit

Der HR bieten sich dank Digitalisierung enorme Chancen, und der Chief Human Resources Officer - kurz CHRO - wird in Zukunft sehr viel häufiger den Ton im Unternehmen angeben - nämlich als Gestalter der digitalen Transformation und Hüter des wichtigsten Gutes: der größten Talente. Dies bedarf an vielen Stellen eines massiven Wandels der HR-Funktionen. (pg)