HR muss Arbeitskultur mitgestalten
Das sollte ein Weckruf für den Bereich HR sein. Denn wer, wenn nicht die Personalabteilung sollte für das konsequente Management von Talenten und die Schaffung der beschriebenen Kultur verantwortlich sein? Das heißt, HR wird dann nicht nur für das Talent Management verantwortlich sein, sondern die Arbeitskultur des Unternehmens aktiv mitgestalten, sei es durch Coaching von Mitarbeitern und Führungskräften bei der zunehmenden Digitalisierung, die Entwicklung agiler Organisationsformen oder die Beratung der Geschäftsleitung bei der Schaffung einer innovationsfördernden und gleichzeitig produktiven Arbeitskultur. Mit anderen Worten: HR als Mitgestalter der digitalen Transformation in Unternehmen und Hüter des größten Schatzes in Unternehmen des 21. Jahrhunderts: der Talente.
Von daher bietet sich für Personaler jetzt die historische Chance, sich endlich als strategischer Partner des Business zu positionieren (Dave Ulrich beschreibt dies als zentrale Rolle). Doch welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden? HR-Vertreter und andere sollten sich folgenden Fragen stellen, um die digitale Transformation in Unternehmen mit anzuführen.
1. Haben wir die richtigen Skills an Bord?
Personaler müssen in der Lage sein, die vielbeschworene digitale Transformation aktiv mit zu managen. Das bedeutet, dass HR-Bereiche zukünftig IT-Skills gepaart mit hochgradig analytischen Fähigkeiten und Projektmanagement-Know-how mitbringen müssen. Klassische HR-Kompetenzen wie zum Beispiel Arbeitsrecht, Psychologie oder Compensation & Benefit werden dabei nicht verschwinden, allerdings klar an Bedeutung verlieren. Außerdem werden operative HR-Prozesse zukünftig nahezu vollständig automatisiert beziehungsweise durch Bots übernommen. Denn auch hier gilt es, eine Befreiung von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten zu erreichen.
Lazlo Bock von Google hat die für den HR-Bereich erforderlichen Fähigkeiten sehr plakativ in drei Gruppen aufgeteilt:
• Ein Drittel Advanced Analytics (z.B. Statistik),
• ein Drittel traditionelle HR-Fachkenntnisse und
• ein Drittel strategischer Beratungshintergrund (Business Sense, Problemlösung).
- 1. Kommunikation
Von vielen als "weicher " Faktor belächelt, sollte die Fähigkeit, mit anderen Menschen verbal zu interagieren, auch im "harten" IT-Geschäft nicht vernachlässigt werden. Die Welt im Datenzentrum verändert sich noch rascher als anderswo. Hier eine strukturierte Umgebung aufrechtzuerhalten erfordert Kommunikation - nicht nur mit dem Business, sondern auch innerhalb der IT-Organisation. - 2. Service-Management
Viele Unternehmen beziehen bereits Teile ihrer IT-Services aus der Cloud. Diese Auslagerung verlangt von den IT-Verantwortlichen ein Umdenken in Sachen Service-Management. Sie müssen das komplexe Zusammenspiel von Kapazität und Nachfrage in einer nicht länger fest umrissenen Infrastruktur im Griff haben. - 3. Unified Computing
Das "Unified Computing System" von Cisco, die "Blade System Matrix" von HP und die Cloud-Computing-Strategie von IBM stehen laut Rockwell Bonecutter, Data-Center-Experte bei Accenture, beispielhaft für einen Trend, der auch noch die kommenden Jahre kennzeichnen werde. - 4. Projekt-Management
Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden die Unternehmen auch ihre verschobenen IT-Projekte in Angriff nehmen. Aber sie werden darauf achten, dass sich die Investitionen am Ende auch auszahlen. Deshalb sind die Fähigkeiten zur Business-Analyse und zum effizienten Projekt-Management gefragt. - 5. Ressourcen-Management
In einen Zusammenhang mit dem Thema Green IT gehört die Beherrschung der Wechselwirkungen zwischen IT- und Facilities-Management. Keine Kapazitätsplanung kommt heute ohne eine Betrachtung des Energieverbrauchs und der Wärmeabstrahlung aus. IT-Teams brauchen also dringend jemanden, der diese Faktoren auf dem Schirm hat und in der Lage ist, dieselbe Sprache wie die Facilities-Experten zu sprechen, also einen "Ressourcen-Manager". Auch der Data-Center-Chef selbst darf diese Aspekte nicht aus den Augen verlieren. - 6. Engineering
Die Leute, die heute am verweifeltsten gesucht werden, sind, so Pricewaterhouse-Coopers, Mechanik- und Elektro-Ingenieure, die sich mit modernem IT-Equipment auskennen. Heutige Rechenzentrumskonzepte, beispielsweise virtualisierte Server, unterscheiden sich auch hinsichtlich der Elektrik und Kühlsysteme fundamental von denen der vergangenen Jahre. - 7. Netzwerk-Know-how
Wenn ein Rechenzentrum ohne Menschen vor Ort auskommt (die Stichworte heißen hier "lights out" und "remote"), dann nur, weil es über ein Netz gesteuert wird. Folgerichtig braucht ein IT-Manager moderner Prägung ein solides Wissen hinsichtlich Netzkonfigurationen, - hardware, und -schwachstellen. Zudem sollte er Mitarbeiter einstellen, die über solches Know-how verfügen. - 8. Finanzanalyse
Gerade in einer Wirtschaftskrise wird von einem IT-Verantwortlichen wirtschaftliches Denken verlangt. Er muss beispielsweise in der Lage sein, die Applikationen nach ihrer Bedeutung für das Business zu priorisieren und auf dieser Basis zu entscheiden, welche Lösung einen eigenen Server benötigt und welche beispielsweise in die Cloud ausgelagert werden kann. - 9. Green IT
Mögen manche auch die Augen verdrehen - kein Unternehmen kommt an dem Mandat für eine "nachhaltige" Technologie vorbei. - 10. Virtualisierung
Die Basistechnik für eine moderne IT-Infrastruktur ist eine Trumpfkarte für den, der sich mit ihr auskennt. Die Unternehmen packen immer mehr IT-Komponenten in flexible, leicht zu wartende und günstig zu betreibende, sprich: virtualisierte Umgebungen.
2. Inwieweit sind die HR-Produkte bereits digitalisiert?
Jedes Unternehmen muss hinterfragen, ob es die Digitalisierung im Bereich HR schon aktiv vorantreibt und ob es bereits konsequent die Möglichkeiten ausschöpft, die moderne Technik im HR-Sektor bietet. Das bezieht sich nicht nur auf eine konsequente Automatisierung von HR-Kernprozessen wie zum Beispiel Payroll, Recruiting oder Zeugnismanagement, sondern insbesondere auf die Nutzung von Analytics und Big-Data-Anwendungen. Das sind Themen, die in Deutschland aufgrund der Mitbestimmung gerne hintangestellt werden. Absolut vertane Chancen allerdings, da eine konsequente Nutzung der in der Firma vorhandenen Mitarbeiter-Datenbasis dazu beiträgt, die Arbeitsbedingungen an die individuellen Bedürfnisse anzupassen sowie etwaige gesundheitliche Belastungen zu beseitigen. People-Analytics-Lösungen im Healtcare-Bereich oder Lösungen wie die von "humanize", mit der die Kommunikation in Betrieben optimiert werden kann, findet man bisher primär im amerikanischen Raum. Ebenso werden die Potenziale wenig genutzt, die durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (Machine Learning) wie zum Beispiel Watson entstehen. Zudem befreit die Digitalisierung nicht wertschöpfender HR-Prozesse von operativem Ballast. Dadurch werden Routinetätigkeiten automatisiert und der Fokus auf wertschöpfende Aktivitäten gelenkt.
3. Sind Sie bereits Anführer der New-Work Future-Work Bewegung im Unternehmen?
Dank zunehmender Digitalisierung und damit einhergehender Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen (Zeit, Ort, Art) bietet sich die Chance, die Wünsche der Mitarbeiter nach sinnstiftender, wertschöpfender Arbeit und einer stärkeren Individualisierung mit den Wünschen des Unternehmens nach hoher Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit in Einklang zu bringen. Eine entsprechende Arbeitskultur, bei der Agilität, Flexibilität, Individualität und demokratische Führungsstrukturen im Zentrum stehen, wird gerne unter dem Begriff "New Work" zusammengefasst. Vielfach werden diese Themen noch isoliert von einzelnen Funktionen wie beispielsweise Immobilien, Finance, IT und Strategie vorangetrieben. Die HR sollte hier die Chance nutzen, eine Klammer zu bilden und Gestalter einer neuen, innovativen Arbeitskultur zu werden.
Erfolgreiche beziehungsweise ermutigende Beispiele gibt es ja bereits. Im Ausland zum Beispiel Airbnb, wo sich der HR-Bereich um Mark Levy neu aufgestellt und dem "Employee Experience" (im Sinne von Mitarbeiter sind unsere wichtigsten Kunden) verschrieben hat. Oder Netflix, dessen HR-Personal fast 80 Prozent der Zeit mit Interviews und dem Coaching von Talenten verbringt. Aber auch in Deutschland gibt es Vorbilder, wie den Bereich "Digital & Innovation" der Deutschen Telekom, der die Digitalisierung der Arbeitskultur vorantreibt und wichtige Impulse für eine Innovationskultur liefert. Alles Beispiele, die einen Gedankenanstoß zur weiteren Diskussion geben können.
Fazit
Der HR bieten sich dank Digitalisierung enorme Chancen, und der Chief Human Resources Officer - kurz CHRO - wird in Zukunft sehr viel häufiger den Ton im Unternehmen angeben - nämlich als Gestalter der digitalen Transformation und Hüter des wichtigsten Gutes: der größten Talente. Dies bedarf an vielen Stellen eines massiven Wandels der HR-Funktionen. (pg)