Sind Sie ein Personaler?
Falls ja, werden Sie in vielen deutschen Unternehmen - speziell in Großkonzernen - eher mitleidig betrachtet. Es wird vielfach als Abstieg in der Karriere angesehen, wenn zum Beispiel ein Wechsel von einer Funktion in den Bereichen Finance oder Controlling in den Bereich Human Resources (HR) erfolgt. "Was hast du denn falsch gemacht", war die Reaktion auf die Veränderung einer Kollegin aus dem Marketing in das Personalwesen.
Zweifellos hat sich in den letzten Jahren der Stellenwert der HR und gleichzeitig die des Personalvorstands in vielen Betrieben eher verschlechtert als verbessert. Teilweise gibt es nur noch einen "Arbeitsdirektor", der hauptsächlich dafür zuständig ist, die Anforderungen an die Mitbestimmungen zu bedienen, das heißt Betriebsrat und Gewerkschaften. Mir ist kein CEO eines Dax-30-Konzerns bekannt, der zuvor eine HR-Rolle innehatte.
Die Dominanz des CFO brökelt
Wer regiert hingegen aktuell in Konzernen und Unternehmen in Deutschland? Die Finanzer! Spitzfindige Controller und Finanzexperten sind in Zeiten einer maximalen Kapitalmarktorientierung und "Zahlenlastigkeit" die absoluten Herrscher. Die Devise heißt, alles in Key Performance Indicators (KPI), Scorecards und Dashboards zu packen. Jede Investition und jedes Projekt ist mit Business Cases zu hinterlegen. Und bei Restrukturierungsprojekten zählen die Wirkungen von Opex und Capex viel mehr als Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenorientierung oder der Stolz aufs Unternehmen. Beobachtet man die letzten zehn Jahre, waren allen voran große Unternehmen durch ein konsequentes Management der "Bottomline" geprägt, kurz der Kostensituation. Das Ergebnis wurde durch verstärkte Effizienz verbessert und nicht durch neue, innovative Produkte, die auf die Topline, sprich den Umsatz wirken.
In diesem Umfeld kommt der HR primär eine verwaltende Funktion zu. Es dominiert die Interaktion mit dem Sozialpartner, die Begleitung von Restrukturierungen (im Sinne von Management von Überhang) sowie eine möglichst effiziente Abwicklung von operativen HR-Prozessen, wie zum Beispiel Arbeitsvertragsthemen, Gehaltsabrechnung oder Performance-Management. Das vielfach eingeführte Drei-Säulen-Modell von Dave Ulrich wird dabei häufig nicht wirklich gelebt - die "HR-Business-Partner", die das Geschäft strategisch und auf Augenhöhe begleiten sollen, gehen entweder in operativem Tagesgeschäft unter oder haben wenig Bezug zum tatsächlichen Business. HR als Partner auf Augenhöhe ist oft ein hehrer Wunsch statt Wirklichkeit.
Gleichzeitig gewinnt eine andere CXO-Gattung an Bedeutung, nämlich die des Chief Information Officer (CIO) und des Chief Digital Officer (CDO), weil wir in einer Zeit leben, in der alles mit einem "4.0" versehen wird und es in vielen Unternehmen nur noch ein Ziel gibt: "Macht bitte alles digital!". Die Folge: Viele ICT-Experten verlassen plötzlich ihr Schattendasein und steigen vom Nerd-Status zu wahren Herrschern in Unternehmen auf, weil ihre Kompetenz in vielen noch in der analogen Welt lebenden Unternehmen überlebensnotwendig wird. In Zeiten, in denen das Softwareunternehmen Tesla klassischen Autobauern den Rang abläuft, Google, Facebook & WeChat (China) den Kommunikationsmarkt dominieren, und klassische Medienkonzerne von einer Netflix in die Bedeutungslosigkeit verdrängt werden, ist digitales Know-how der größte Schatz, gerade in deutschen Konzernen.
- Wie Sie Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern
Die Analysten von IDC geben Tipps, wie die Digtialisierungsstrategie von CDO und CIO in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten geplant werden sollte. Der Fokus richtet sich dabei auf den Faktor Mensch, denn nur mit motivierten Mitarbeitern wird die digitale Transformation ein Erfolg. - Tipp 1: Prozesse überprüfen
Schritt 1 - kurzfristige Maßnahmen: Durchleuchten Sie die aktuellen Digitalisierungsinitiativen. In welchem Maß erfordern diese Projekte Veränderungen an den organisatorischen Abläufen, den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen? - Tipp 2: Bedenken der Mitarbeiter sondieren
Schritt 2 - kurzfristige Maßnahmen: Besprechen Sie gemeinsam mit den Abteilungsleitern, welche Bedenken die Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen haben könnten. - Tipp 3: Sorgen der Mitarbeiter adressieren
Schritt 3 - kurzfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie die möglichen Sorgen der Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen durch Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden können. - Tipp 4: Fokusgruppen bilden
Schritt 1 - mittelfristige Maßnahmen: Führen Sie für künftige Digitalisierungsinitiativen, die organisatorische Veränderungen zur Folge haben, Fokusgruppen oder Interviews mit Mitarbeitern ein, um deren Bedenken kennenzulernen. - Tipp 5: Kommunikationsstratiegie ausarbeiten
Schritt 2 - mittelfristige Maßnahmen: Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie die interne Kommunikation für künftige Rollouts eine Kommunikationsstrategie gestalten kann, um diese Bedenken zu adressieren. - Tipp 6: Mitarbeiter motivieren
Schritt 3 - mittelfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie Sie durch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess deren Engagement im Vorfeld des Rollouts gewinnen können. - Tipp 7: Mitarbeiter schulen
Schritt 1 - langfristige Maßnahmen (12 bis 24 Monate): Bauen Sie ein gutes Verhältnis zur internen Kommunikation und zur Personalabteilung auf. Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie diese Abteilungen mit Kommunikation und Mitarbeitertraining die menschliche Komponente der digitalen Transformation flankieren können. - Tipp 8: Budget prüfen
Schritt 2 - langfristige Maßnahmen: Identifizieren Sie mögliche Auswirkungen dieser menschlichen Komponente innerhalb der digitalen Transformation auf das Budget. Suchen Sie Unterstützung bei der Rechtfertigung zusätzlicher Mittel, um die Akzeptanz der Mitarbeiter im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts effektiv sicherzustellen.
IT-Konzerne prägen Prozesse und Organisation
Programmierer und insbesondere Data Analysts (das Berufsbild gab es vor wenigen Jahren noch gar nicht) erzielen Traumgehälter und zählen zu einer hart umworbenen und gleichzeitig knappen Spezies. Der ITK-Bereich wird plötzlich zur wichtigsten Abteilung im Unternehmen - die Zeiten sind vorbei, als sich IT-Systeme liebevoll designten Unternehmensprozessen und Organisationen (BPM) anpassten. IT-Konzerne wie zum Beispiel SAP geben mit ihren Softwarelösungen längst vor, wie Prozesse und Organisationen gestaltet werden müssen, um aufwendige und kostspielige "Customizing-Orgien" zu vermeiden.
Talente statt IT machen den Unterschied
Stellt sich die Frage: Werden Digitalkompetenz, Programmiererfahrung und IT-Hintergrund künftig das Profil eines Vorstands prägen und der CDO zum neuen Herrscher? So scheint es, wenn man sich die Tech Stars ansieht - von Marc Zuckerberg bis hin zu Hasso Plattner. Die ITler dominieren heute Champions und werden in nicht allzu ferner Zukunft die Chefsessel von Unternehmen und Konzernen bevölkern, das heißt, den Finanzern den Rang ablaufen.
Wagen wir einen Blick zehn Jahre in die Zukunft. In welchem Unternehmensumfeld werden wir uns dann bewegen? Viele der langwierigen IT-Einführungen für Business-Funktionen und Operations werden dann abgeschlossen sein. Unternehmen werden, ganz nach dem Paradigma des digitalen Zeitalters "The winner takes it all" (vgl. Second Maschine Age), auf die jeweils beste IT-Lösung zurückgreifen. Prozesse und Arbeitsabläufe in Betrieben werden sich immer stärker angleichen, denn letztlich diktiert die IT Organisation und Prozesse und nicht umgekehrt. Gleichzeitig werden überragende digitale Produkte und insbesondere innovative, disruptive Lösungen und Services über Erfolg und Misserfolg bestimmen.
Hier an der Spitze zu stehen ist nur möglich, wenn es gelingt, die größten Talente zu gewinnen und sie zu halten. Diese Personen werden sich nicht nur durch hervorragende technische Fähigkeiten, sondern insbesondere durch ein hohes Maß an sozialer Intelligenz und Kreativität auszeichnen. Alles Fähigkeiten, die im Unternehmen konsequent gefördert und ausgebaut werden müssen, zum Beispiel durch Training und Coaching oder durch ein kreativitätsförderndes und inspirierendes Arbeitsumfeld sowie agile Arbeitsstrukturen. Das heißt, eine Innovationskultur, die ein "Sich laufend neu erfinden" ermöglicht, wird den Unterschied machen. In diesem Ambiente werden diese Talente äußerst anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben und dank KI und Automatisierung unglaublich produktiv sein.