Cloud bedeutet Transformation
CW: Sie nannten Cloud Computing als strategisches Thema für IBM. Sehen Sie sich eher als Cloud-Enabler, der beispielsweise für den Kunden Cloud- und On-Premise-Umgebungen integriert? Oder treten Sie als Cloud-Anbieter auf, der Infrastruktur und Software aus der Cloud bereitstellt?
Koederitz: Cloud bedeutet Transformation. Da gibt es verschiedene Entwicklungsstufen. Wir arbeiten beispielsweise mit Unternehmen zusammen, die zunächst in Private Clouds investieren. Dort sehen wir uns als Partner oder Enabler. Wir beraten auch, welche Art von Workload sich auf einer Cloud-Plattform betreiben lässt. Die Idee ist ja, mit Cloud Computing möglichst zu standardisieren, zu automatisieren und letztlich ein Betreibermodell zu haben bis hin zum Selbstbedienungsmodus.
Wir stehen erst am Beginn der strategischen und systematischen Erschließung dieser neuen Technik. Bisher wurden Piloterfahrungen in den verschiedenen Anwendungsbereichen von Cloud gesammelt. Im Markt haben sich dabei sehr unterschiedliche Anforderungen herauskristallisiert. Aber mit unserem breiten Portfolio können wir da schon einen Großteil des Markts bedienen. In diesem Zusammenhang werden wir sicherlich Themen wie Mobilität und Sicherheit einfließen lassen.
CW: Rechtliche Fragestellungen und Datenschutzbedenken behindern die Entwicklung. Bauen Sie jetzt in jedem Land Cloud-Rechenzentren auf, um dem zu entgehen?
Koederitz: Wir haben uns in Deutschland als Competence-Center für Europa positioniert. Hier gibt es die schärfsten Datenschutzbestimmungen, so dass uns im Ausland weniger Probleme erwarten. Natürlich sind für uns die Gesetzgebungen in den einzelnen Ländern sowie europäisches Recht bindend.
CW: Bieten Sie Ihren Softwarepartnern an, aus Ihren Cloud-Rechenzentren Lösungen im SaaS-Modell anzubieten? Etwa einer Infor, die ihre ERP-Applikationen auch als Cloud-Lösung anbietet?
Koederitz: Da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Das hängt vom Business Case des jeweiligen Partners ab. Momentan tun sich ja auch schon Partner untereinander zusammen und kooperieren. Wir engagieren uns, wo immer das für beide Seiten sinnvoll ist.
CW: Wie ist das Feedback im deutschen Markt bezüglich Cloud Computing? Gibt es da Nachfrage? Weltweit will IBM den Umsatz mit Cloud-Themen ja in diesem Jahr verdoppeln.
Koederitz: Das Interesse nimmt zu. Seit unseren Aktivitäten in Sachen Cloud auf der CeBIT kann man sagen, dass die Nachfrage höher geworden ist. Die meisten Firmen starten zunächst mit weniger geschäftskritischen Anwendungen. Manche sind aber noch nicht so weit, ihr Anwendungsportfolio im Grundsatz zu hinterfragen.
CW: Werden Unternehmen Ihrer Einschätzung nach betriebswirtschaftlich wichtige Anwendungen in die Cloud verlagern?
Koederitz: Warum nicht? Wir waren ja auch bisher mit verschiedenen Sourcing-Modellen erfolgreich. SAP-Applikationen werden ja schon als Managed- oder Hosting- Service Bestandteile von Outsourcing-Vereinbarungen. Nur wenn Anwendungen stark standardisiert sind, werden sie in eine Cloud-Infrastruktur gegeben. Die Frage ist, wie schnell diese Transformation hierzulande Fuß fassen wird.
Und dann wird es unterschiedliche Anbieter geben für IT-Cloud-Services, da sich die Ansprüche an Verfügbarkeits-Commitments, Service-Level-Agreements und Sicherheitsstandards, die ein Anbieter zu offerieren in der Lage ist, unterscheiden.
Aber wir stehen erst am Anfang dieser Transformation, und in jedem Unternehmen wird die Frage diskutiert werden, welche Anwendungen geschäftskritisch sind und welche weniger die Kernkompetenz betreffen. Die Antworten werden das Tempo entscheiden, in dem Cloud Computing in Deutschland Fuß fasst.
- CloudVendor Benchmark 2011
Im Folgenden liefert Experton eine Marktübersicht anhand von Kurzporträts zehn ausgewählter Anbieter. Diese basieren auf den Ergebnissen einer im Frühjahr 2011 vorgenommenen Anbieterbewertung, in der insgesamt 58 Cloud-Anbieter detailliert untersucht wurden (Studie „CloudVendor Benchmark 2011“): - Cisco
Cisco verfügt über ein breit ausgebautes Portfolio an Infrastrukturkomponenten für den Bau und Betrieb von Cloud-Rechenzentren und seit der Übernahme von WebEx über eine führende SaaS-Collaboration-Lösung. Das Joint Venture „Virtual Computing Environment Coalition (VCE)“ zusammen mit EMC und VMware bietet interessante Sourcing-Alternativen im Bereich Cloud Infrastructure. Eine Schwäche ist das fehlende IaaS-Angebot von Cisco. - Citrix
Citrix zählt mit der XenServer-Produktfamilie zu den technologisch führenden Anbietern im Cloud-Middleware-Umfeld, wenn auch auf der Marktseite die Transformation vom klassischen Virtualisierungsanbieter hin zum Cloud-Anbieter lange nicht so schnell vorangeht wie beim Konkurrenten VMware. Ein positiver Aspekt hinsichtlich der Web-Conferencing-Lösung Netviewer ist die auf deutschem Recht basierende Geschäftsbeziehung mit deutschem Gerichtsstand. - Google
Google verfolgt eine absolut klare Cloud-Strategie. So werden fast alle Produkte als Web- beziehungsweise Cloud-Service (IaaS, SaaS, PaaS) frei zugänglich angeboten und nutzungs- beziehungsweise nutzerbasiert abgerechnet. Google bietet mit seinen umgetauften„Google Apps for Business“ eine attraktive Alternative zu gängigen Collaboration- und Office-Lösungen an, die aber unter anderem aufgrund des Images von Google, des Vertriebsansatzes und des fehlenden deutschen Rechenzentrums bei (mittel-)großen Firmen noch nicht sehr erfolgreich ist. Die „App Engine“ genannte Plattform von Google richtet sich – auch aufgrund der geringen An¬passbarkeit – an einzelne Entwickler beziehungsweise kleine Unternehmen, bei denen geringe Kosten und einfache Nutzung im Vordergrund stehen. - Hewlett Packard (HP)
Als weltweiter Marktführer im Segment der x86-Industriestandard-Server behauptet HP auch im Markt für Cloud Infrastructure seine führende Rolle. Hinsichtlich HPs Utility Services, die Enterprise-Applikationen (zum Beispiel SAP) auf einer virtualisierten Plattform flexibel bereitstellen und abrechnen, hat das Unternehmen gegenüber dem vergangenen Jahr große Anstrengungen unternommen, sodass diese deutlich an Attraktivität gewonnen haben und als ausgereiftes Angebot gewertet werden können. - IBM
IBM bietet derzeit das kompletteste Cloud-Infrastrukturportfolio im Markt. Darüber hinaus steht Big Blue seit Anfang 2011 mit seiner Version einer PaaS-Plattform (IBM Smart Business Development and Test on the IBM Cloud) bereit, die aus dem Rechenzentrum in Ehningen geliefert wird. Beim Segment Großkunden ist IBM mit seinem breiten, durchgängigen Angebot aus Hardware, Middleware und Cloud-Management-Komponenten derzeit als marktführend zu betrachten, und die Cloud Services gelten als die derzeit attraktivsten Angebote am Markt. - Salesforce.com
Salesforce offeriert neben seiner ausgereiften SaaS-CRM-Lösung und der attraktiven PaaS-Plattform „Force.com“ mit „database.com“ auch ein reines IaaS-Angebot. Unter anderem arbeitet Salesforce darüber hinaus mit „Chatter“ und der Übernahme der Konferenzplattform „Dimdim“ inzwischen an der Ausweitung des Portfolios in Richtung Collaboration. Neben dem Fehlen eines deutschen/EU-Rechenzentrums ließe sich das unvollständige Portfolio kritisieren. Außerdem stellt sich die Frage, wann die vor über einem Jahr mit VMware angekündigte Enterprise Java Cloud „VMforce“ in Deutschland verfügbar sein wird. - T-Systems
Die von T-Systems „Dynamic Services“ genannten Private Cloud Services für Großunternehmen können im Umfeld des Betriebs geschäftskritischer Applikationen als eine der Pionierleistungen in diesem Umfeld gelten. Zusätzlich bietet T-Systems seinen Kunden seit Anfang 2011 auch eine IaaS-Plattform an, die in Kooperation mit dem Cloud-Management-Anbieter Zimory vorgestellt wurde. - VMware
VMware ist aufgrund seines breiten und ausgereiften Portfolios an Virtualisierungslösungen der klar dominierende Anbieter für Cloud Middleware. VMware bietet mit der „vCloudProduct Family“ nicht nur das breiteste Cloud-Management-Produktportfolio, sondern setzt hinsichtlich der Integration der einzelnen Module sowie deren technologischer Reife auch den derzeitigen Standard.