Bundesbank & Deutsche Börse arbeiten an Blockchain
Bundesbank und Deutsche Börse loten gemeinsam Chancen und Risiken der Blockchain-Technologie für Finanzgeschäfte aus. "Die Deutsche Bundesbank und die Deutsche Börse haben ein hohes Interesse an der Blockchain-Technologie", sagte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele bei der Vorstellung eines Prototyps für die Wertpapierabwicklung auf Basis der neuen Technologie. Beide Partner betonten, von einer Marktreife sei die Konzeptstudie weit entfernt. So dauere die Abwicklung der Transaktionen noch zu lange und sei zu speicherintensiv.
Der angedachte Prototyp der Börsen-Blockchain basiert auf dem Hyperledger-Projekt, das unter dem Dach der Linux-Foundation läuft. Die Börsen-Blockchain soll unter anderem ermöglichen, Wertpapiere gegen zentral ausgegebene Werteinheiten zu tauschen. Zudem sollen darüber auch einfache Kapitalmaßnahmen wie Zinsausschüttungen oder Rückzahlungen bei Fälligkeit eines Wertpapiers abgewickelt werden - wohl über Smart Contracts.
In naher Zukunft soll ein 40-köpfiges Projektteam der beiden Institutionen den Prototyp entwerfen. Derzeit wird allerdings davon ausgegangen, dass eine lauffähige Version eher in Jahren als in Monaten zu erwarten ist. Die Hoffnung hinter den Experimenten ist, dass Mittelsmänner wie Clearing-Häuser eingespart, Informationsflüsse beschleunigt und Verträge automatisiert werden können.
Die Blockchain im Bankensektor
42 führende, internationale Banken haben sich im September 2015 zu einem R3CEV-Konsortium zusammengeschlossen, um das Potential für das Finanzwesen auszuloten. Derzeit sind über 70 der weltweit führenden Finanzinstitute in diesem Konsortium zusammengeschlossen. Ziel des Verbundes ist es, am Ende der Entwicklung nur ein System aufzubauen, welches alle Banken nutzen können. Aktuell befindet sich das Projekt in der Konzeptionsphase. Bis eine erste Version laufen wird, werden noch ein bis zwei Jahre vergehen. Das Einsparpotential für die Infrastrukturkosten im Bankensektor wird auf 50 bis 70 Prozent geschätzt.
Erstes Produkt der Vereinigung ist die Blockchain-Variante Corda. Die neue Technologie ist speziell auf Finanz-Institutionen zugeschnitten und eine "Distributed Ledger Platform", die dafür entwickelt wurde, finanzielle Übereinkünfte zwischen regulierten Finanzinstituten zu verwalten und zu synchronisieren. Der Hauptunterschied zwischen Bitcoin und Corda ist, dass Corda nicht wie die Bitcoin Blockchain die ganze Liste aller Transaktionen auf die Knoten verteilt, sondern lediglich für die bestätigten Transaktionen.
Nachdem in den vergangenen 18 Monaten so gut wie jede relevante Bank und Börse der Welt dem Konsortium beigetreten ist, um eine Blockchain fürs Finanzwesen zu entwickeln, haben nun die ersten Banken den Rückzug angetreten. Trotz der hohen Ziele und der bisher geleisteten Arbeit steht das Projekt kurz vor dem Scheitern. Neben dem Gründungsmitglied Goldman Sachs haben auch die Bankhäuser Morgan Stanley, Santander und die National Australia Bank das Konsortium verlassen. Gerüchten zufolge sollen weitere Banken mit einem Ausstieg planen. Im Gespräch sind dabei die Finanzinstitute J.P. Morgan, Macquarie Group, U.S. Bancorp und weitere.
Es darf also bezweifelt werden, dass der Verbund je ein vermarktbares Produkt hervorbringt. Es wird diskutiert, dass der Rahmen von 70 Mitgliedern mit konkurrierenden Interessen eventuell zu groß ist, um einen Konsens für eine gemeinsame Plattform zu finden. So hätte Goldman Sachs zwar viel Geld für das Projekt zahlen müssen, aber dafür letztlich kaum noch direkten Einfluss auf das Ergebnis ausüben können. Ziel von Goldman ist es nun, eine Blockchain in Eigenregie zu entwickeln.
Laut "Fortune" ist der Ausstieg von gleich mehreren Mitgliedern auch durch eine Änderung der Finanzierungsmodalitäten begünstigt. Ursprünglich war geplant, dass die Mitglieder im Gegenzug für ihr Investment gemeinsam 90 Prozent der Aktienanteile der Firma erhalten. Zehn Prozent der Anteile hätten bei R3 verbleiben sollen. Eine entsprechende Finanzierungsrunde wurde im Mai 2016 gestartet. Deren Ziel wurde inzwischen von ursprünglich 200 auf 150 Millionen Dollar heruntergesetzt. Die Banken erhalten außerdem gemeinsam 60 Prozent der Aktienanteile der Firma im Gegenzug für ihr Investment.
- Diskussion um die Blockchain
Experten vom Professor bis zum Praktiker haben sich Anfang Februar in der Computerwoche-Redaktion versammelt, um den Mythos Blockchain zu zergliedern. - Olaf Stöwer, Faizod
„Das Gute am Hype um die Blockchain ist, dass wir bestehende Paradigmen infrage stellen“, sagt Olaf Stöwer, Head of Operations der Dresdner Firma Faizod. - Raimund Gross, SAP
Raimund Gross, Innovation Manager Blockchain bei SAP: „Wir bewegen uns weg von zentralisierten Systemen hin zum Dezentralen. Das erfordert neues Denken und Handeln in Netzwerken. Das fällt vielen schwer.“ - Andrea Martin, IBM
Andrea Martin, Chief Technology Officer bei IBM: „Interesse bekommen wir nur über Use Cases.“ - Robert Bosch, Bearingpoint
Dr. Robert Bosch, Partner bei Bearingpoint: "Viele Marktteilnehmer zäumen das Pferd von hinten auf, nach dem Motto: ,Wir haben eine neue Technologie. Was können wir jetzt damit machen?'" - Dr. Rainhard Z. Bengez, Capgemini
Professor Rainhard Z. Bengez, Senior Manager bei Capgemini Consulting: "Wir versuchen, Misstrauen zu kommerzialisieren." - Burkhard Blechschmidt, Cognizant
Burkhard Blechschmidt, Head of CIO Advisory bei Cognizant: "Es handelt sich um eine geniale Kombination von teils lange bekannten Technologien und mathematischen Modellen“. - Franz Nees, Hochschule Karlsruhe
Professor Franz Nees, Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft: "Geht es um neue Wertschöpfungsmodelle – oder ,nur' um mehr Effizienz?"
Das Einspar-Potenzial von Blockchain
Marco Dunand, der Vorstandsvorsitzende von Mercuria, einem der größten Rohstoffhändler der Welt (im Bereich Öl), sieht große Vorteile in der Blockchain für seine Branche. Dunand kündigte an, eine Zusammenarbeit mit Stakeholdern bei der Technologie voran zu treiben. Schließlich bietet Blockchain die Möglichkeit, großen Einfluss darauf auszuüben, wie Rohstoffe gehandelt und ausgetauscht werden.
So können Blockchain-basierte Zahlungen die administrativen Kosten enorm senken. Es wird angenommen, dass die Kosten der Zahlungen um etwa 30 Prozent gesenkt und die Funktionalität des Marktes verbessert wird. Gleichzeitig wird die Einführung einer solchen Entwicklung nicht so schnell funktionieren, außer es kommen mehrere Unternehmen zusammen und arbeiten an gemeinsamen Blockchain-Netzwerken für den Ölmarkt.
Erstmals haben zwei Banken im Oktober 2016 ein grenzüberschreitendes Rohstoffgeschäft per Blockchain abgewickelt. Dabei handelte es sich um eine Lieferung Baumwolle, die von den USA nach China verschifft wurde. Abgewickelt haben das Geschäft die Commonwealth Bank of Australia und die US-Großbank Wells Fargo. Der australische Baumwollhändler Brighann Cotton Marketing habe die Lieferung von seiner Niederlassung in Texas geordert - die über Blockchain vollzogene Transaktion hatte demnach einen Wert von 35.000 Dollar.
"Bestehende Handels-Finanzierungs-Prozesse sind reif für Disruption und dies demonstriert, wie Unternehmen rund um die Welt profitieren können von den aufstrebenden Technologien", sagte Michael Eidel, verantwortlicher Manager in der Commonwealth Bank für Zahlungsdienste.