Der Universitätsabschluss hat als einziges Zutrittskriterium in einen hochqualifizierten Job längst ausgedient. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, nach Kompetenzen einzustellen. Die aktuelle Ausgabe des Digital Skills Index von Salesforce zeigt: Für 82 Prozent der Personalverantwortlichen sind Kompetenzen bei der Beurteilung von Bewerber:innen wichtiger als ein Abschluss oder eine branchenspezifische Qualifikation.
Besonders gefragt sind Fähigkeiten in Datensicherheit, KI, Automatisierung sowie Programmierkenntnisse. Doch trotz der Tatsache, dass sich Frauen in diesen Bereichen weiterqualifizieren, bleiben sie in entsprechenden Tätigkeitsfeldern unterrepräsentiert. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und der darunter leidenden Innovationsfähigkeit müssen Unternehmen deshalb mehr Maßnahmen ergreifen, um den Frauenanteil im Technologieumfeld zu erhöhen und dem weiblichen Geschlecht entsprechende Karrierechancen aufzuzeigen.
Tatsächlich ermöglichen nur wenige Berufsfelder Frauen so spannende Entwicklungspotenziale wie IT, Data Analytics oder Business Intelligence. Neben dynamischen Inhalten erlauben Möglichkeiten der virtuellen Mitarbeit flexiblere Karrierewege, beispielsweise in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie - etwas, das Unternehmen unbedingt stärker fördern sollten. Während der Bedarf auf der Hand liegt, drängt sich die Frage auf: Wie lassen sich mehr Frauen überzeugen, ihre Fähigkeiten in den genannten Bereichen einzusetzen?
Weibliche Vorbilder gesucht
Auch heute noch interessieren sich Frauen oft noch zu wenig für einen Beruf in der Technologiebranche. Vermeintlich "typisch weibliche" Vorbilder, Mentor:innen und Communities können helfen, diese Lücke zu schließen. Eine Chance, um mehr Frauen für Jobs im Tech-Bereich zu motivieren, bietet etwa das Bring-Women-Back-To-Work-Programm von Salesforce. Dieses einjährige Bildungsangebot setzt sich aus diversen Weiterbildungs-, Coaching- & Mentoring-Modulen zusammen und richtet sich ausdrücklich auch an Frauen ohne IT-Vorkenntnisse. Entsprechend lautet das Motto "Hiring for Attitude and Train for Skills".
Gründerin des Programms ist Vanessa Gentile, Marketingdirektorin bei Salesforce Schweiz. Dort wurde die Initiative 2020 ins Leben gerufen: Aus dem ersten Jahrgang haben sich laut Gentile bereits zwei Drittel der Teilnehmerinnen erfolgreich auf eine Festanstellung beworben, viele davon im Alter zwischen 40 und 50 Jahren. "Viele Frauen bekommen nach einer Unterbrechung keine Chance, in ihre ehemalige Position zurückzukehren, und sind mehr oder weniger gezwungen, sich umzuorientieren", beschreibt sie die Arbeitsmarktlage. Gleichzeitig existiere in der Tech-Branche ein eklatanter Fachkräftemangel, nicht nur in technischen, sondern auch in Beratungs-, Vertriebs-, oder Marketingrollen. Das Programm solle deshalb Frauen jeglichen beruflichen Hintergrunds ermutigen, den Einstieg in diese Branche zu wagen und ihnen diesen erleichtern. Für Unternehmen auf der Suche nach Talenten erweitere sich damit der Kandidatinnen-Pool.
- Theresa Kölnberger - Scrum Masterin bei FTAPI
"Im Bereich Cybersicherheit ist man regelmäßig mit neuen Technologien konfrontiert. Das macht das Arbeiten einerseits sehr spannend, andererseits erfordert es, sich kontinuierlich fortzubilden." - Patricia Cabrera Perez - Senior Director EMEA Distribution bei Cradlepoint
"Wir sind überall von Technologie umgeben, und es ist ein Privileg, Teil der Branche zu sein, die sie vorantreibt und prägt." - Alina Bizga - Sicherheitsanalystin bei Bitdefender
"Frauen schenken tendenziell den Details eine größere Aufmerksamkeit. Auch emotionale Intelligenz kann die Kompetenzen in der IT-Sicherheit verbessern." - Birgit Grosser - Director Managed Cloud Operations bei Axway
"Als Frau in der IT war ich Mitte der 1990er noch die Ausnahme, als weibliche Führungskraft in der IT eher eine Exotin. In Vor-Ort-Meetings bei Kunden war ich häufig die einzige Frau im Raum." - Julia Plathner - Channel Sales Manager bei Aqua Security
"Um als Frau in der IT zu arbeiten, muss man nicht unbedingt einen technischen Abschluss haben." - Merium Khalid - Senior Manager Offensive Security bei Barracuda XDR
"Ein wichtiger Faktor, um mehr Frauen für die Technologie zu gewinnen, ist, ihnen vor Augen zu führen, wie andere Frauen in diesem Bereich erfolgreich sind und welchen Einfluss sie in der Welt der Technologie haben können." - Christine Grimm - Associate Partner bei Convista
"Seit meinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens - noch als eine von wenigen Frauen – bin ich genauso selbstsicher meinen Weg gegangen wie meine männlichen Kollegen."
Daten analysieren heißt Fragen stellen
Auch Heidi Kalbe, IT-Beraterin bei der Woodmark Consulting AG, engagiert sich dafür, beruflichen Chancen für Frauen in der Tech-Branche aufzuzeigen. Als Spezialistin für die Data-Analytics-Plattform Tableau geht es ihr vor allem darum, das Bewusstsein für die Relevanz von Datenkompetenz als entscheidende Qualifikation am Arbeitsmarkt zu stärken. "Mit Hilfe von Daten treffen wir schneller fundiertere Entscheidungen und tragen so dazu bei, Produktivität und Innovationsentwicklung zu steigern", erklärt sie. Um sinnvolle Erkenntnisse aus Daten ableiten zu können, brauche es aber Datenkompetenz. Gemeint sei damit die Fähigkeit, Daten analysieren und darauf aufbauend Entscheidungen treffen zu können. Da das Thema Daten, so Kalbe, vielen Menschen jedoch erst einmal abstrakt erscheine, würden sie dagegen eine Abneigung entwickeln. Das betreffe besonders oft Mädchen und Frauen.
Hintergrund ist, dass viele von ihnen denken, bei Datenkompetenz ginge es allein um mathematische Kenntnisse und Technologie-Expertise, die sie sich unter Umständen nicht zutrauen. "Dabei umfasst das Konzept auch die Fähigkeit, sich in ein Problem hineinzudenken und die richtigen Fragen zu stellen", so Kalbe weiter. Um mit solchen Missverständnissen aufzuräumen und insbesondere Frauen zu ermutigen, sich intensiver mit dem Thema Daten auseinanderzusetzen, hat die IT-Beraterin 2019 die Initiative Data+Women Germany mitgegründet. "Mit dieser Initiative wollen wir eine Plattform bieten, die es Interessierten leicht macht, Datenkenntnisse zu erwerben und in spannenden Berufen Fuß zu fassen, sich zu vernetzen und die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit Daten im regelmäßigen Austausch mit anderen zu verbessern", erläutert Kalbe das Konzept. Wichtig sei ihr, weibliche Vorbilder in der Daten-Community ins Scheinwerferlicht zu Stellen. diese Idole sorgen für einen Abstrahleffekt und tragen dazu bei, noch mehr Frauen für eine Laufbahn in der Datenbranche zu begeistern.