Virtual und Augmented Reality

B2B-Anwendungen für Daten- und VR-Brillen

18.04.2016
Von 
Klaus Hauptfleisch ist freier Journalist in München.
Geschlossene VR-Brillen führen in virtuelle Welten, lichtdurchlässige oder zu einer Seite offene Datenbrillen wie Google Glass oder der neue AirScouter von Brother bieten eine erweiterte Sicht der Dinge. Beide haben sowohl B2C- als auch B2B-Potenzial. Wir blicken auf erste Anwendungsszenarien.
  • Wären die Preise nicht so hoch, würden AR-Brillen schon jetzt eine viel größere Verbreitung erfahren.
  • Besser sieht es bei VR-Devices aus - zumindest weltweit ist die Nachfrage groß, in Deutschland planen nur fünf Prozent der IT-affinen Anwender eine Anschaffung.
  • Anwendungsbeispiele für VR- und AR-Brillen gibt es aber bereits reichlich - bei Autobauern, in der Logistik oder auch der Gesundheitsbranche.

Brother ist bekannt für Drucker, Multifunktionsgeräte, Schreib- und Nähmaschinen. Von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet, war das japanische Traditionsunternehmen neben Vuzix, Sony und Seiko Epson aber auch einer der ersten Hersteller, der 2012 mit der AirScouter eine marktreife Datenbrille vorgestellt hat. Und das noch vor der einst so hoch gehypten und mit vielen B2B-Fallstudien beworbenen Google Glass. Deren Beta oder Explorer Edition überlebten auf dem freien US-Markt nur neun Monate, bevor der Verkauf im Januar 2015 eingestellt wurde. Brother hingegen kommt nun mit einer neuen Generation der AirScouter heraus - und auch andere Hersteller starten mit neuen Datenbrillen durch: Ob Vuzix mit seiner M300, Epson mit der Moverio oder Samsung mit Gear VR.

"Der Rasenmähermann" lässt grüßen

Die Geschichte der Datenbrille begann vor über 50 Jahren: Erste Experimente mit einem Head-Mounted Display (HMD) und Datenhandschuhe wurden schon 1966 durchgeführt. Früh gab es Gerüchte, das US-Militär arbeite an kognitiver Bewusstseinserweiterung und psychologischer Scharfmacherei unter Einsatz von VR und Drogen. Aufgegriffen wurde das unter anderem in dem Sci-Fi-Film "Der Rasenmähermann" von 1992. Pierce Brosnan verhilft darin als junger Wissenschaftler einem geistig zurückgebliebenen Hilfsgärtner eben so zu übermenschlicher Intelligenz gepaart mit zunehmender Aggressivität, die schließlich im großen Cyberspace-Showdown endet. Sci-Fi hin, Gerüchte her, beschäftigen sich Wissenschaftler tatsächlich schon lange mit Virtual-Reality- (VR) und Augmented-Reality-Technologien (AR) als Mittel für kognitives Lernen oder beispielsweise als Therapie zur Bewältigung von Traumata.

Neues von Google Glass nach Flop-Verdikt

Zurück in die Gegenwart: Mit seiner AirScouter WD-200B, der zweiten eigenen Datenbrille vier Jahre nach der ersten, konnte Brother auf der CeBIT 2016 sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Stand locken. Beim Aufsetzen hatte sie ihre liebe Mühe - immerhin ist die Auflösung des einäugigen neuen Head-Mounted Display mit 720p doppelt so hoch wie die des Vorgängermodells und viermal so hoch wie die der meisten Konkurrenzprodukte einschließlich Google Glass.

Die neue AirScout war Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der CeBIT 2016 sogar einen Besuch des Messestand von Brother wert.
Die neue AirScout war Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der CeBIT 2016 sogar einen Besuch des Messestand von Brother wert.
Foto: Brother

Vielleicht ist das mit ein Grund, warum Google-Finanzchef Patrick Pichette die Smart Glass im Januar 2015 als Flop bezeichnete, weil diese nicht die Erwartungen erfüllt habe. Unter dem Projektnamen Aura und der Leitung von (Google) Nest-Gründer Tony Fadell wurde daher ziemlich schnell an einer neuen Google Glass Enterprise Edition gearbeitet. Obwohl das Team diese ursprünglich bis zur Perfektionierung zurückhalte wollte, meldete man sie dann doch schon Ende 2015 bei der Federal Communications Commission (FCC) zum Patent an. Offiziell ist die Enterprise Edition noch nicht erhältlich - Ende März 2016 schlug sie dann aus heiterem Himmel angeblich in einer einmaligen Blitzauktion bei Ebay auf. Nach eingangs 299 Dollar stand das Höchstgebot zwei Tage vor Ablauf schon bei 8.100 Dollar, berichtete ZDNet. Es gibt noch eine zweite Version von Google Glass - die Explorer Edition für Entwickler. Auch hier ist einiges auf den Tisch zu legen - der Preis liegt bei rund 1500 Dollar.

Die hohen Preise für AR-Brillen mit eingebauter Kamera sind ein großes Problem und hemmen den Markt - eine größere Verbreitung wird man so nicht erfahren. Brothers neuer AirScouter soll rund 2.400 Euro kosten, die 3D-Brille HoloLens von Microsoft mit 3.000 Dollar sogar noch etwas mehr. Bei VR-Brillen sieht die Situation schon sehr viel anders aus, preislich zumindest. Dennoch üben sich die meisten Verbraucher noch in Kaufzurückhaltung, weil sie vielleicht schlechte Erfahrungen mit ähnlichen Gadgets gemacht haben und ihnen der Nutzen nicht klar ist.

VR-Brillen zum Schleuderpreis

Virtual-Reality-Brillen und VR-Brillenvorsätze für Smartphones sind mitunter so günstig, dass der Preis eigentlich kein Kaufhindernis darstellen sollte. Pappgestelle à la Google Cardboard werden oft schon für unter zehn Euro angeboten. Dabei verspricht der in der Endform wie eine Papp-Taucherbrille aussehende Google-Bausatz über zwei Bikonvex-Linsen sogar das Eintauchen in virtuelle 3D-Welten. Die von Samsung mit dem neuen Galaxy S7 anfangs kostenlos mitgelieferte Gear VR wartet zwar mit mehr Features und höherer Auflösung auf, ist aber mit dem anvisierten Preis von 99 Euro auch deutlich teurer als das Google Cardboard. In puncto Bildqulität gehen die Meinungen zur Samsung Galaxy Gear VR weit auseinander. Häufig geäußerter Kritikpunkt ist der mit Oculus-Software einhergehende angebliche Kaufzwang.