IT-Mitarbeiter brauchen Prozess-Know-how
Die IT-Chefs im Handel wissen, dass sie als Arbeitgeber nicht unbedingt die erste Adresse für junge, karriereorientierte Einsteiger und berufserfahrene IT-Experten sind. Rommel von Gries Deco kämpft daher an mehreren Fronten: Während jedes Jahr zwei IT-Azubis hinzustoßen, arbeitet der IT-Chef auch mit Headhuntern zusammen, um etwa berufserfahrene SAP-Experten zu finden, die sich in den Modulen SD (Vertrieb) und MM (Materialwirtschaft) auskennen. Grundsätzlich seien Bewerber erwünscht, die Probleme lösen können. "Sie sollen nicht nur Bits und Bites, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Prozesse im Handel verstehen", erwartet Rommel.
Bei der Rekrutierung von Mitarbeitern im IT-Bereich wird Branchenkompetenz also ebenso hoch bewertet wie IT-Kenntnis. "Wichtig ist bei IT-Einsteigern ihre Prozesskompetenz, die sie sich zum Beispiel in Praktika angeeignet haben", sagt Stroh von Praktiker. Berufserfahrene Mitarbeiter sind oft Prozess- und Projekt-Manager, die im Handel groß geworden sind und viel von Logistik verstehen. Solche Quereinsteiger sind auch bei Fressnapf in großer Zahl zu finden. "Programmierer suchen wir nicht, weil ohnehin Standardsoftware zum Einsatz kommt", sagt Hilgenberg. "Auch Ältere sind willkommen, sofern sie ein wacher Geist auszeichnet, den wir oft bei jungen Bewerbern vermissen."
Ganz anders sieht die Lage bei der Münchner Zooplus aus. Die wie Fressnapf auf Heimtierbedarf spezialisierte Firma ist ausschließlich online tätig. Auch ihr Wachstum ist beeindruckend. Trotz Wirtschaftskrise legte der Umsatz jüngst um über 50 Prozent zu. Während andere Handelsbetriebe sich schwertun, IT-Experten zu gewinnen, bewerben sich auf ein Zooplus-Inserat stets zahlreiche Interessenten, sagt Personalchefin Regina Rausch. Vor allem Entwickler schätzten am E-Commerce, "sofort zu erkennen, wie sich ihre Arbeit niederschlägt", Ihnen sei wichtig, "mit modernsten Technologien umgehen zu können". Viele fänden es "spannend", mit Entwicklern aus China und Indien in einem Team zu arbeiten und sich auf Englisch zu verständigen.
Egal ob stationär oder online: Wer einmal als IT-Experte im Handel untergekommen ist, erhält großen Freiraum, um sich weiterzuentwickeln und an neuen Aufgaben zu wachsen. DM investiert beispielsweise viel in die fachliche und persönliche Entwicklung seiner Mitarbeiter, überlässt dabei aber dem Einzelnen die Entscheidung, was er fürs Weiterkommen benötigt. Auch wie sie ihre Arbeit organisieren, stehe den Mitarbeitern frei. "Kernzeiten kennen wir nicht", sagt Melcher. Per Desk-Sharing könnten Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze teilen. Anwesend müssten sie lediglich zu Sitzungen sein, deren Termine vereinbarten sie selbst. Es herrscht großes Vertrauen. "Wie füllt jemand seinen Verantwortungsbereich aus?", heißt laut Melcher die Frage. "Und nicht, wie viele Stunden hat er dafür abgesessen."
Wer wird im Handel gebraucht?
Absolventen sind weniger gefragt, es sei denn, Bewerber haben einschlägige Praktika vorzuweisen oder kommen von einer Dualen Hochschule.
Sehr wichtig ist Branchenerfahrung. Gute Aussichten hat, wer Stationen im Handel vorweisen kann und dessen Geschäftsprozesse versteht. Projekt-Manager, die sich mit SAP-Software auskennen, sind überall gesucht.
Quereinsteiger sind ebenfalls willkommen. "Zuerst kommt die Person, dann die fachliche Qualifikation", sagt Bernd Hilgenberg von Fressnapf.
Nicht ungewöhnlich ist, dass sich IT-Kräfte nach dem Einstieg sukzessive für andere Bereiche empfehlen. "Viele fangen Feuer, haben sie erst einmal das Geschäft kennen gelernt", sagt Karl-Heinz Stroh von Praktiker.