Im vergangenen Jahr gab es kaum ein Medium, das nicht über 3D-Drucker, die Maker-Szene oder neue Anwendungsmöglichkeiten additiver Fertigungsverfahren in der Industrie berichtet hat. Dort hat die Digitalisierung der Produktion längst begonnen. Die Fertigung von Werkstücken mittels eines am Rechner erzeugten 3D-Modells ist sogar schon in der Luftfahrt Realität, obwohl dort die Qualitätsanforderungen besonders streng sind. Anfangs noch ein Verfahren für die Herstellung von Prototypen, wird der 3D-Druck im Flugzeugbau bald auch in der Serienproduktion eingesetzt.
Dass etwa Airbus Anfang 2018 die ersten Jets mit additiv hergestellten Fahrwerksteilen ausrüsten will, macht deutlich, dass der industrielle 3D-Druck einen hohen Entwicklungsstand erreicht hat. Er ist weit mehr als ein Spielzeug für Privatanwender oder ein Werkzeug für Kleingewerbetreibende.
Es geht um gewerbliche Schutzrechte und Haftungsfragen
Deshalb ist es höchste Zeit, dass sich Unternehmen im produzierenden Gewerbe mit den rechtlichen Herausforderungen der additiven Fertigung befassen. Sie verändert ja nicht nur Produktion und Logistik, sie erfordert auch eine sorgfältige Gestaltung der Vertragsbeziehungen, bei der insbesondere die richtige Zuordnung gewerblicher Schutzrechte und Haftungsfragen vorausschauend berücksichtigt werden muss.
Unternehmen versprechen sich von der additiven Fertigung eine drastische Reduzierung ihrer Lagerhaltung, wird doch die Produktion von Waren auf Abruf möglich, so dass keine Ladenhüter mehr "auf Halde" hergestellt werden müssen. Verbraucher müssen nicht mehr lange warten, bis ihr Produkt verfügbar ist, sondern können "anytime und anywhere" Produkte erwerben, die individuell auf ihre Wünsche zugeschnitten sind - genau so, wie es der aktuelle Trend zur sogenannten Mass Customization fordert.
3D-Drucker verkürzen die Lieferketten
Außerdem hat die additive Fertigung das Potenzial, die Lieferketten vom Hersteller zum Verbraucher beträchtlich zu verkürzen da theoretisch überall dort produziert werden kann, wo Platz für einen 3D-Drucker ist. Wenn jetzt noch die Druckmaterialien vielfältiger und günstiger werden, kann es auch zu einer Rückverlagerung der Produktion aus Niedriglohnländern nach Europa ("Re-Shoring") kommen, zumal Kosteneinsparungen realistisch sind.
Anstieg der Produktpiraterie steht bevor
Unternehmen sollten nicht mehr zu lange mit dem Einstieg in die additive Fertigung warten. Und sie sollten darauf achten, dass ihr geistiges Eigentum durch Verträge geschützt ist, die den damit verbundenen - und durchaus kontrollierbaren - Risiken Rechnung tragen. Da 3D-Drucker nicht nur immer leistungsfähiger, sondern auch immer billiger werden, ist mit einem weiteren Anstieg der ohnehin schon grassierenden Produktpiraterie zu rechnen. Unternehmen müssen sich deshalb davor schützen, dass ihre Druckvorlagen und 3D-Modelle in die falschen Hände geraten. Wer in ihren Besitz gelangt, hält die Blaupause für die Herstellung zumindest äußerlich identischer Markenartikel und Industriegüter in Händen.
Druckvorlagen lassen sich einfach abscannen
Zudem kann eine 3D-Druckvorlage heute auch durch einfaches Abscannen des Originalprodukts erstellt werden. Dazu werden keine teuren Geräte mehr benötigt, sondern lediglich ein handelsübliches Smartphone und eine Anwendung wie die "MobileFusion App" von Microsoft oder die "123D Catch App" von Autodesk. Der Anbieter 3D Systems bietet für industrielle Anwendungen mit den "Capture-3D"- Scannern ein eigenes System für den Brückenschlag vom physischen Objekt zum CAD-Programm an, und handgeführte professionelle 3D-Scanner wie der "ArtecEva" erlauben die Erstellung hochauflösender 3D-Scans in wenigen Minuten.
Gefahr droht nicht nur durch Hackerangriffe von außen, sondern auch durch unzufriedene Mitarbeiter, die Druckvorlagen an Wettbewerber weitergeben. Es ist deshalb dringend anzuraten, die Druckvorlagen als die neuen Kronjuwelen zu behandeln und vor unbefugtem Zugriff durch Dritte zu schützen. Dazu gehört nicht nur der sorgsame Umgang mit den Daten und deren Speicherung in einer gut gesicherten Umgebung; auch Zulieferer, Dienstleister und Partner müssen vertraglich verpflichtet werden, die notwendigen technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Daten zu ergreifen. Kommt es zu einem ungewollten Abfluss von Daten, kann die Geschäftsleitung schnell in die Haftung geraten, wenn sie nicht alle Maßnahmen zur Sicherung der Druckvorlagen ergriffen hat.