IDG Studie Low-Code/No-Code

Worauf es bei Low Code ankommt

20.04.2022
Von 
Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility. Er schreibt insbesondere über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen IT und Business und die damit verbundenen Transformationsprozesse in Unternehmen.
Mit Low-Code- und No-Code-Tools können Unternehmen schnell und agil Anwendungen entwickeln - auch auf Abteilungsebene. Wie ein Experten-Panel zeigt, gilt es dabei einiges zu beachten.
Low Code reduziert den Programmieraufwand drastisch, ist aber dennoch nicht so einfach umzusetzen, wie unsere Round-Table-Diskussion zeigt.
Low Code reduziert den Programmieraufwand drastisch, ist aber dennoch nicht so einfach umzusetzen, wie unsere Round-Table-Diskussion zeigt.
Foto: Sentavio - shutterstock.com

Es klingt paradox: Die Zukunft der Softwareentwicklung liegt darin, den Programmieraufwand auf ein Minimum zu reduzieren (Low Code) oder Apps komplett ohne Codierung zu erstellen (No Code). Die Marktforscher von Gartner prognostizieren, dass 2024 rund zwei Drittel aller Anwendungen auf einer Low-Code- beziehungsweise No-Code-Applikationsplattform (Low Code Application Platform = LCAP) erstellt werden.

Den klaren Trend in diese Richtung bestätigten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines virtuellen COMPUTERWOCHE-Round-Tables zum Thema Low Code/No Code. Die Zuwachsraten sind über die letzten Jahre hinweg deutlich gestiegen, durch die Coronapandemie bekam der Trend noch einmal mehr Schwung. Für die Einführung einer Code-Plattform sprechen eine Reihe von Gründen.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Low-Code No-Code 2022'

Mehr Tempo bei der Softwareentwicklung

Wenn Unternehmen ihre Geschäft digitalisieren, automatisieren und modularisieren - Stichwort: Composable Business - stehen sie beim schnellen Entwickeln und Bereitstellen neuer Anwendungen vor Herausforderungen. Die nötige Geschwindigkeit lässt sich mit herkömmlichen IT-Entwicklungsmethoden und dem Erstellen und Abarbeiten aufwendiger Pflichten- und Lastenhefte, die oft einem "100-Prozent-Anspruch" folgen, nicht auf die Straße bringen.

Hier setzen moderne Low-Code-/No-Code-Plattformen an: Die App-Produktion erfolgt schneller, weshalb viel früher Wertschöpfung erzielt werden kann. Auf einer solchen Plattform können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Fachbereichen, die wenig oder gar kein IT- und Programmier-Know-how haben - die sogenannten Citizen Developer - eigene Anwendungen erstellen. Das entlastet die professionellen Entwickler in den IT-Abteilungen, die meistens überlastet sind. Da Citizen Developer die fachlichen Probleme, Aufgaben und Prozesse gut kennen, verkürzt sich in der Regel der Weg von der ersten Idee bis zur fertigen Applikation. So wird die digitale Unternehmenstransformation insgesamt beschleunigt.

Der Trend zur Low-Code-/No-Code-Entwicklung ist nicht zuletzt auf einen Generationswechsel in den Betrieben zurückzuführen. Jüngere User sind digital aufgewachsen, sie erwarten dass sich Business-Software intuitiv bedienen lässt - so wie sie es von ihren privaten Apps auf dem Smartphone oder Tablet her kennen. Dazu ist es nötig, die einzelnen Schritte eines Geschäftsprozesses zu einem automatisierten, durchgängigen und übersichtlichen End-to-End-Prozess zu bündeln. Was viele über Jahre genutzte ERP-Systeme noch vermissen lassen, bieten oftmals die Low-Code-/No-Code-Plattformen.

Knappe IT-Budgets bremsen Low Code/No Code

Auf einer Low-Code-/No-Code-Plattform lassen sich eigenentwickelte Workflows, Modifikationen und Prozesserweiterungen erstellen und betreiben. Voraussetzung ist, dass die nötigen Konnektoren und eine Integration mit dem ERP-System vorhanden ist. Die Plattformen können helfen, ERP-Systeme zu verschlanken und weitestgehend im Standard zu nutzen, was den Aufwand und die Kosten für Wartung, Betrieb und Releasewechsel senkt. Führen Geschäfts- und Marktveränderungen dazu, dass Erweiterungen und neue Prozesse benötigt werden, lassen sich diese in der Low-Code-Plattform umgesetzt und betreiben, ohne das ERP-System zu belasten.

Bei aller Euphorie wird der Einsatz der Plattformen doch vielerorts durch knappe IT-Budgets gebremst. Auf längere Sicht dürften jedoch die meisten größeren Betriebe in Low Code/No Code investieren, weil die agile und schnelle Bereitstellung neuer Anwendungen im digitalen Business immer mehr zum geschäftskritischen Faktor wird.

Bei der Wahl der Plattform kommt es darauf an, für welche Zwecke sie benötigt wird. Während sich mit Low Code inzwischen sehr viele Use Cases umsetzen lassen, sind die Möglichkeiten von No-Code-Plattformen noch stark eingeschränkt. Auch erfordert der Umgang mit einer Plattform eine gewisse Affinität zum Programmieren - auch vom Citizen Developer.

Studie "Low-Code No-Code 2022": Sie können sich noch beteiligen!

Zum Thema Low-Code/No-Code führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Regina Hermann (rhermann@idgbusiness.de, Telefon: 089 36086 384) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF).

Schatten-IT durch Governance vermeiden

Eine zentrale Herausforderung beim Einsatz einer solchen Plattform sehen die Roundtable-Diskutanten in der strikten Einhaltung von Governance-Prinzipien und -Regeln. Würden Citizen Developer komplette Prozesse oder einzelne Prozessschritte mit einem Low-Code-/No-Code-Tool konfigurieren und automatisieren, ohne sich die Unterstützung der IT-Abteilung zu sichern, wäre das Anwachsen der Schatten-IT kaum zu verhindern. Unkoordiniert erstellte Apps erfüllen oft nicht die Governance-Anforderungen und stellen somit ein Sicherheitsrisiko dar.

Übereinstimmung herrschte in der Diskussion darüber, dass die Dimension des Citizen Development frühzeitig und von allen Beteiligten geklärt werden sollte. Will man lediglich Excel-Lösungen durch einfach gestrickte Apps ersetzen? Oder geht es darum, komplexere Anwendungen zu entwickeln? Ebenso ist von Beginn an festzulegen, welche End-User mit Low-Code/No-Code arbeiten dürfen und wie ihre Berechtigungen aussehen sollen. Diese lassen sich über die Plattform in aller Regel problemlos vergeben und nötigenfalls auch widerrufen.

Selbstverständlich muss bei jeder App, die Citizen Developer erstellen oder an deren Entwicklung sie beteiligt sind, die Datensicherheit, der Schutz vor Datendiebstahl und die strikte Einhaltung der DSGVO-Richtlinien gewährleistet sein. Moderne Low-Code-/No-Code-Plattformen stellen die nötigen Security-Funktionen und -Features in der Regel bereits von Haus aus bereit. Genauso wichtig ist, dass Security-by-Design-Prinzipien über den gesamten Lebenszyklus einer Low-Code-/No-Code-Applikation hinweg unterstützt werden. Und schließlich muss die Plattform die Integration der Apps in die vorhandene IT-Landschaft unterstützen.

Low-Code/No-Code-Einführung ist Chefsache

Die Einführung einer Plattform hat hohe strategische Bedeutung und muss daher von Vorstand oder Geschäftsleitung abgesegnet werden. Das Management sollte den Einsatz allerdings keinesfalls "par ordre du mufti" anordnen, sondern in die Entscheidungsfindung immer die IT-Organisation einbeziehen und vom konkreten Nutzen überzeugen. Umgekehrt muss die IT bereit sein, sich zu öffnen und die Softwareentwicklung zwischen Profi- und Citizen-Developern zu teilen. Gelingt das nicht, ist ein Low-Code-/No-Code-Projekt zum Scheitern verurteilt.

Im besten Fall spielt es keine Rolle, ob die Initiative zur Einführung einer Low-Code-/No-Code-Initiative vom Topmanagement oder vom CIO beziehungsweise CDO (Chief Digital Officer) ausgeht, weil Business-IT-Alignment längst gelebter Alltag ist. Um die Vorteile einer Plattform auszuschöpfen und sich vor Fehlern zu schützen, empfiehlt es sich, externe Experten hinzuziehen, die ein solches Projekt über alle Phasen hinweg begleiten können. Zur Minimierung des Projektrisikos sollten die Vorzüge von Low Code/No Code für das eigene Geschäft in einem klar umrissenen Pilotprojekt oder Proof of Concept (PoC) evaluiert werden.

Businessnutzen und RoI müssen stimmen

Der Erfolg eines Low-Code-/No-Code-Einsatzes misst sich am Mehrwert für das Business und an einem möglichst schnellen Return on Investment (RoI). Die Verantwortlichen müssen sich zudem im Klaren darüber sein, dass ein kultureller Wandel unvermeidlich und ein kluges Change-Management erforderlich ist. Doch die meisten Betriebe haben mit agiler Softwareentwicklung und DevOps-Ansätzen bereits viel Erfahrung gesammelt, so dass sie gut vorbereitet sind.

Je nach Branche und Anforderung dürften auf Dauer nicht eine, sondern gleich mehrere No-Code-/Low-Code-Plattformen eingesetzt werden. Ähnlich wie beim Cloud Computing läuft es auf eine Multi-Plattformstrategie hinaus, weil sich die Angebote zunehmend spezialisieren und für unterschiedliche Szenarien einsetzen lassen. Sie flankieren die großen Standardsoftwarepakete, bilden daten- und dokumentenintensive Workflows ab oder konzentrieren sich auf IoT-Anwendungsfälle.

Allerdings ist damit zu rechnen, dass sich der Anbietermarkt nach und nach konsolidieren wird und die dominierenden Plattformen ausgebaut werden, um mehr Business-Cases abzudecken. Zum Ende des Round-Table-Gesprächs kam der Vorschlag auf, ein Standardisierungsgremium zu gründen, um Technologien und Schnittstellen bei Low-Code-/No-Code-Plattformen zu vereinheitlichen.

Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Low-Code No-Code 2022'